HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1237
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 316/11, Beschluss v. 08.11.2011, HRRS 2011 Nr. 1237
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub (Fall II. 1. der Urteilsgründe) sowie wegen besonders schweren Raubes (Fall II. 2. der Urteilsgründe) verurteilt sind;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben. Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "schweren Raubes in zwei Fällen" jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge sowie sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Verfahrensrüge und die sachlichrechtliche Beanstandung, soweit sich diese gegen die Verurteilung im Fall II. 2. der Urteilsgründe wenden, zeigen jeweils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer auf. Wegen des Einsatzes des Teppichmessers als Drohmittel hat das Landgericht hier zutreffend eine Strafbarkeit nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen. Die Tat ist im Schuldspruch als besonders schwerer Raub zu kennzeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 3 StR 373/02, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4). Der Senat holt dies nach und ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
2. Die Verurteilung wegen vollendeten besonders schweren Raubes im Fall II. 1. der Urteilsgründe - den das Landgericht im Schuldspruch auch hier nur als schweren Raub bezeichnet hat - hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen haben sich die Angeklagten vielmehr wegen schweren Raubes (zum Nachteil der Zeugin L.) in Tateinheit mit versuchtem besonders schweren Raub (zum Nachteil des Zeugen K.) strafbar gemacht. Im Einzelnen:
a) Die Angeklagten überfielen zusammen mit dem gesondert Verfolgten Y. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans nachts auf offener Straße zwei Passanten. Während Y. dem Zeugen K. ein Teppichmesser an den Hals hielt und der Angeklagte S. dessen Taschen durchwühlte, forderte der Angeklagte B. von der Zeugin L. die Herausgabe von deren Handtasche. Die Zeugin hatte zwar das Teppichmesser nicht gesehen, gab aber aufgrund der von ihr als gefährlich und bedrohlich eingeschätzten Situation die Handtasche heraus, aus welcher der Angeklagte B. das Portemonnaie mit 50 € Bargeld, Kredit- und EC-Karten und Ausweispapieren entnahm. Parallel zu diesem Geschehen gelang es dem Zeugen K., an einem Haus die Klingel zu betätigen. Beim Erscheinen einer Person in der Haustüre flüchteten die Täter, ohne diesem Zeugen etwas weggenommen zu haben.
b) Damit ist entgegen der Ansicht des Landgerichts der Tatbestand des vollendeten besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt. Eine Waffe oder - wie hier - ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB "bei der Tat verwendet", wenn der Täter den Gegenstand als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt und wenn das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des Gegenstandes wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 - 2 StR 313/04, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 5). Da die Zeugin L. das Teppichmesser nicht bemerkte, wurde es bei der Tat ihr gegenüber nicht als Drohmittel verwendet. Die Feststellungen ergeben indes einen zum Nachteil dieser Zeugin begangenen schweren Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB, da der gesondert Verfolgte Y. bei der Tat ein gefährliches Werkzeug bei sich führte. Bei dieser Tatqualifikation wird eine Kenntnis des Opfers von der Existenz des gefährlichen Werkzeugs nicht vorausgesetzt.
c) Daneben belegen die Feststellungen einen versuchten besonders schweren Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB zum Nachteil des Zeugen K., denn gegenüber diesem Zeugen verwendeten die Angeklagten ein gefährliches Werkzeug, indem sie ihm das Teppichmesser an den Hals hielten. Insoweit wurde die Tat indes nicht vollendet, weil die Angeklagten nach dem Erscheinen einer weiteren Person ohne Beute flüchteten.
d) Der vollendete schwere Raub zum Nachteil der Zeugin L. und der versuchte besonders schwere Raub zum Nachteil des Zeugen K. stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, § 52 StGB. Anders als in den Fällen, in denen sich die Tat nur gegen ein Opfer richtet (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 - 2 StR 313/04, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 5), tritt hier der versuchte besonders schwere Raub nicht hinter dem vollendeten schweren Raub zurück. Raub und räuberische Erpressung sind Willensbeugungsdelikte. In das höchstpersönliche Rechtsgut der Willensfreiheit haben die Angeklagten zum Nachteil beider Zeugen eingegriffen. Wer durch eine Handlung höchstpersönliche Rechtsgüter von mehreren Personen angreift, begeht dadurch die gleiche Tat mehrmals (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Wenn der Täter mehrere Personen an der Ausübung von Widerstand gegen eine Wegnahme hindern will, ist der Tatbestand mehrfach erfüllt (BGH aaO für den Fall der Nötigung mehrerer Personen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung). Hieraus ergibt sich, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden die angemessene Bewertung des Tatunrechts die Annahme von Tateinheit erfordert.
3. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen könnte, die einen vollendeten besonders schweren Raub belegen. Er ändert den Schuldspruch deshalb selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen diesen Tatvorwurf nicht weitergehend hätten verteidigen können. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Die Mindeststrafe für den Fall II. 1. der Urteilsgründe beträgt nicht mehr fünf sondern lediglich drei Jahre. Das Landgericht hat sich mit der Strafe von fünf Jahren und sechs Monaten erkennbar am unteren Bereich des Strafrahmens orientiert. Die Einzelstrafe von fünf Jahren und drei Monaten für den Fall II. 2. der Urteilsgründe ist von dem Fehler nicht berührt und kann bestehen bleiben. Gleiches gilt für die Feststellungen. Der neue Tatrichter kann bei der Strafzumessung neue Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1237
Externe Fundstellen: NStZ 2012, 389; StV 2012, 153
Bearbeiter: Ulf Buermeyer