HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 578
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 15/11, Beschluss v. 15.03.2011, HRRS 2011 Nr. 578
1. Auf die Revisionen der Angeklagten U. und P. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 15. Juli 2010 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) bezüglich des Angeklagten U.,
aa) soweit er wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in neun Fällen (Fälle B III. 4., 5., 7. bis 10., 15. bis 17. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) bezüglich des Angeklagten P.,
aa) soweit er wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in zwei Fällen (Fälle B III. 15. und 17. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
bb) im gesamten Strafausspruch;
c) bezüglich des Mitangeklagten A.,
aa) soweit er wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in acht Fällen (Fälle B III. 4., 7. bis 10., 15. bis 17. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
d) bezüglich des Mitangeklagten M.,
aa) soweit er wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in drei Fällen (Fälle B III. 15. bis 17. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten U. und P. werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten und die nicht revidierenden Mitangeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten U. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen und wegen versuchter Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten; den Angeklagten P. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in drei Fällen und wegen versuchter Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten; den Mitangeklagten A. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in zwei Fällen und wegen versuchter Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten; den Mitangeklagten M. wegen versuchter Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten; dabei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten und Mitangeklagten in allen Fällen gewerbs- und bandenmäßig handelten.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten U. und P. führen auf die Sachrüge zur Aufhebung der Schuldsprüche, soweit die Angeklagten jeweils wegen versuchter Taten verurteilt worden sind (unten 1.) sowie der Einzelstrafen bezüglich der von dem Angeklagten P. begangenen vollendeten Taten (unten 2.). Damit können auch die Gesamtstrafen nicht bestehen bleiben. Die Aufhebung des Urteils in den Versuchsfällen ist auf die Mitangeklagten A. und M. zu erstrecken, die keine Revision eingelegt haben (unten 3.). Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen waren die Angeklagten und die nicht revidierenden Mitangeklagten Teil einer Bande, die sogenannte Skimming-Taten verübte. Sie manipulierten Geldautomaten von Banken, um die Kartendaten und PIN-Nummern der Kunden auszulesen. Teilweise hatten sie Erfolg; in diesen Fällen wurden mit den ausgespähten Daten sodann Dubletten erstellt und unter deren Einsatz im Ausland unberechtigte Geldverfügungen vorgenommen. In einem anderen Teil der Fälle gelangten die Angeklagten nicht an die Kartendaten, zumeist weil die Manipulationen der Geldautomaten zuvor entdeckt worden waren.
1. Der Schuldspruch hält in den Fällen rechtlicher Nachprüfung stand, in denen die Angeklagten wegen vollendeter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion verurteilt worden sind. Die Feststellungen belegen in den übrigen Fällen dagegen jeweils nicht die versuchte Begehung dieses Delikts; denn mit ihren jeweils gescheiterten Bemühungen, in den Besitz der Daten zu gelangen, setzten die Angeklagten noch nicht unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands an.
a) Ein derartiges unmittelbares Ansetzen liegt nur bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "Jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409, 410).
b) Danach ist das Stadium des Versuchs des gewerbs- und bandenmäßigen Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion jedenfalls dann erreicht, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt. Das bloße Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, durch diese Daten zu erlangen, die später zur Herstellung von Kartendubletten verwendet werden sollen, stellt demgegenüber lediglich eine Vorbereitungshandlung zur Fälschung von Zahlungskarten dar (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - 2 StR 439/09, NJW 2010, 623; Beschluss vom 14. September 2010 - 5 StR 336/10, NStZ 2011, 89; Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 419/10). Da die Angeklagten in den fraglichen Fällen durch das Skimming jeweils keine Daten erlangten, kann dahinstehen, ob ein Versuch des gewerbs- und bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten auch dann zu bejahen ist, wenn der Täter im Rahmen des bandenmäßig eingespielten Systems die von ihm ausgespähten Daten innerhalb der Bandenstruktur zur baldigen Verwendung beim Herstellen falscher Zahlungskarten weitergibt (so BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 338/10).
c) Der Senat kann den Schuldspruch in diesen Fällen nicht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf die Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion (§ 30 Abs. 2, § 152a Abs. 1 Nr. 1, § 152b Abs. 1, 2 und 4 StGB) umstellen; denn die bisher getroffenen Feststellungen sind mit Blick auf die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 StGB nicht ausreichend; sie lassen insbesondere nicht mit der gebotenen Sicherheit erkennen, wie viele Taten die Angeklagten begangen haben. Maßgebend hierfür ist nicht die Anzahl der - im Falle der Verwirklichung in Tatmehrheit stehenden - verabredeten Verbrechen. Vielmehr kommt es auch bei der Verabredung nach § 30 Abs. 2 StGB darauf an, wie viele konkurrenzrechtlich selbstständige Tathandlungen der Täter begangen hat; denn die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten richtet sich - auch bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter - für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat; dies gilt unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist, und in welcher Form der jeweilige Tatbeteiligte an ihr mitgewirkt hat (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 419/10).
2. In den Fällen, in denen der Angeklagte P. jeweils wegen einer vollendeten Tat verurteilt worden ist, bestehen gegen den Strafausspruch durchgreifende Bedenken; denn das Landgericht hat die Einzelstrafen dem Rahmen des § 152b Abs. 2 StGB entnommen und rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die Voraussetzungen einer Milderung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, § 49 Abs. 1 StGB und eines minder schweren Falles nach § 152b Abs. 3 2. Alt. StGB vorliegen.
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts scheitert die Anwendung des § 46b Abs. 1 StGB nicht daran, dass der dort vorausgesetzte Aufklärungserfolg nicht gegeben ist. War der Angeklagte - wie hier - an der aufgedeckten Tat als Täter oder Teilnehmer beteiligt, so muss sich sein Aufklärungsbeitrag über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Für den Begriff der Aufdeckung gelten die zu § 31 Nr. 1 BtMG entwickelten Grundsätze. Danach ist entscheidend, ob der Angeklagte wesentlich dazu beigetragen hat, dass gegen von ihm belastete Personen im Falle ihrer Ergreifung ein Strafverfahren mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden könnte (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 31 Rn. 72 ff.). Dies kann etwa durch die Benennung von unmittelbar tatbeteiligten Personen und ihrer Rollen oder die Angabe von Hintermännern geschehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46b Rn. 14).
Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten sein frühzeitiges, umfassendes, vor der Hauptverhandlung abgelegtes Geständnis berücksichtigt und ausgeführt, der Angeklagte sei ohne Rücksicht auf die Sicherheit seiner in Bulgarien lebenden Familie bestrebt gewesen, sein Möglichstes zur Aufklärung der Taten und ihrer Hintergründe zu leisten. Er habe den hinter den Taten stehenden Bandenchef namentlich benannt und anhand seiner Angaben der Polizei ermöglicht, weitere erfolgversprechende Ermittlungen aufzunehmen.
Dies reicht als Aufklärungserfolg in dem genannten Sinne aus; denn die Aufdeckung hat nicht lediglich einen bloßen Verdacht oder Ermittlungsansatz begründet. Vielmehr erhielten die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der Angaben des Angeklagten ausreichend sichere Erkenntnisse über den Chef der Skimming-Bande. Damit hat der Angeklagte in wesentlichem Maße zur weiteren Aufdeckung des Tatgeschehens beigetragen. Aus dem bloßen Umstand, dass das Landgericht den Namen des Bandenchefs in An- und Abführungszeichen gesetzt hat, lässt sich nicht - wie der Generalbundesanwalt meint - der Schluss ziehen, die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten in Zweifel gezogen. Für die Annahme derartiger Zweifel geben die Urteilsgründe nichts her; diese legen es vielmehr nahe, dass der Gebrauch der An- und Abführungszeichen allein der besseren Kenntlichmachung diente. Der Anwendbarkeit von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB steht im Übrigen - wie bei § 31 Nr. 1 BtMG - nicht entgegen, dass der durch die Angaben des Angeklagten - zur Überzeugung des Tatgerichts der Sache nach zutreffend - Belastete bisher noch nicht ergriffen werden konnte (BGH, Beschluss vom 28. August 2002 - 1 StR 309/02, NStZ 2003, 162, 163).
b) Die Strafkammer hätte sich daneben zu der Erörterung gedrängt sehen müssen, ob ein minder schwerer Fall nach § 152b Abs. 3 2. Alt. StGB gegeben ist; entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts lag ein solcher hier nicht fern. Dabei wäre zunächst zu prüfen gewesen, ob schon allgemeine Strafmilderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles gebieten. Hier ist insbesondere von Bedeutung, dass der Angeklagte umfassend geständig war und auch Taten schilderte, die nicht angeklagt waren. Er ist zudem nicht vorbestraft und befand sich in einer finanziellen Notlage. Hätten nach der umfassenden Gewichtung aller in Betracht kommenden Strafzumessungstatsachen durch das Tatgericht die allgemeinen Strafmilderungsgründe allein zur Begründung eines minder schweren Falles nicht ausgereicht, wäre im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung gegebenenfalls der vertypte Milderungsgrund des § 46b Abs. 1 StGB ergänzend in die Bewertung einzustellen gewesen.
3. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen, in denen das Landgericht jeweils ein versuchtes Delikt angenommen hat, ist nach § 357 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten A. und M. zu erstrecken; denn ihre Verurteilung beruht auf demselben sachlichrechtlichen Fehler wie der Schuldspruch gegen die Angeklagten U. und P. Die Erstreckung der Aufhebung umfasst nicht die Fälle B III. 12. bis 14. der Urteilsgründe, an denen die Angeklagten U. und P. nicht beteiligt waren.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 578
Externe Fundstellen: StV 2011, 533; StV 2012, 530
Bearbeiter: Ulf Buermeyer