HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 133
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 105/10, Beschluss v. 11.05.2010, HRRS 2011 Nr. 133
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 17. Dezember 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und klargestellt, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und wegen Verabredung zu einer besonders schweren räuberischen Erpressung verurteilt wird;
b) im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer räuberischer Erpressung, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verabredung zu einer schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass 18 Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden sollen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung und Klarstellung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung der Maßregelanordnung; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte nicht wegen Verabredung zu einem Verbrechen, sondern wegen des Versuchs einer besonders schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht:
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte mit weiteren Tatbeteiligten bereits im Zuge der Planung des Überfalls zu Fall II. 3. vereinbart, auf der Rückfahrt von M. am gleichen Tag bei dem Zeugen H. in R. vorbeizufahren, um diesen unter Gewaltandrohung mittels sämtlicher mitgeführter gefährlicher Werkzeuge zur Herausgabe von Betäubungsmitteln zu zwingen. Nach dem Fehlschlag ihres Vorhabens im Fall II. 3. fuhren sie zur Wohnung des Zeugen H. Da dieser weder auf Klingeln noch auf Klopfen an der Wohnungstür reagierte sowie auf einen Mobiltelefonanruf hin wahrheitswidrig behauptete, nicht zu Hause zu sein, gaben der Angeklagte und die weiteren Beteiligten ihren Tatplan als gescheitert auf.
a) Durch das Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür des Zeugen H. haben die Tatbeteiligten, welche die zur Gewaltanwendung vorgesehenen Gegenstände einsatzbereit mit sich führten, nach ihrer Vorstellung bereits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB liegt bei Handlungen des Täters vor, die nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden sollen (vgl. BGHSt 26, 201; 32, 236; BGHR StGB § 22 Ansetzen 33; BGH NStZ 1984, 506). Der Versuch schlug mangels Öffnens der Tür durch das Tatopfer fehl.
Der Senat hat den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders hätte verteidigen können. Die Einzelstrafe ist von der Schuldspruchänderung nicht berührt. Das Landgericht hat die Strafe dem nach § 30 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen, so dass der Strafrahmen für das versuchte Verbrechen keinesfalls geringer sein kann.
b) Die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung steht zu der Verabredung des Verbrechens (Fall II. 3. der Urteilsgründe) in Tatmehrheit. Der Senat kann deshalb dahinstehen lassen, ob dies auch gelten würde, wenn es auch im zweiten Fall bei der Verbrechensverabredung geblieben wäre (so BGH NStZ 2010, 209), oder ob in diesem Fall nur von einer Tat der Verabredung zweier Verbrechen ausgegangen werden müsste.
2. Das Landgericht hat hinsichtlich aller Fälle rechtsfehlerfrei die Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB festgestellt, indes im Schuldspruch die notwendige Bezeichnung als "besonders schwere räuberische Erpressung" (vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4) unterlassen. Dies holt der Senat klarstellend nach.
3. Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die Anordnung auf die Erwägung gestützt, eine Entziehungskur erscheine "auch nicht von vornherein aussichtslos".
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auslegung des § 64 StGB aF bereits im Jahr 1994 für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 91, 1 ff.). Seitdem hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf ein Merkmal des Fehlens der "Aussichtslosigkeit" rechtsfehlerhaft und in verfassungskonformer Auslegung stattdessen die Feststellung der konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel erforderlich ist. Nach entsprechender Änderung des § 64 StGB durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) verlangt der Wortlaut des § 64 Satz 2 StGB nunmehr ausdrücklich die konkrete Erfolgsaussicht.
Der Rechtsfehler führt - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - hier zur Aufhebung des Maßregelausspruchs und zur Zurückverweisung. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen.
Im Rahmen der erneut vorzunehmenden Prüfung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) wird das Landgericht ebenfalls zu beachten haben, dass es im Falle der Anordnung der Maßregel für das Ausmaß des Vorwegvollzugs von Strafe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB auf die im konkreten Fall voraussichtlich notwendige Dauer der Entwöhnungsbehandlung und nicht auf allgemeine Erfahrungswerte der Kammer zu durchschnittlichen Therapiezeiten ankommt.
Der Senat schließt aus, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung der Freiheitsstrafe ausgewirkt hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 133
Bearbeiter: Ulf Buermeyer