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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 882

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 293/09, Urteil v. 10.09.2009, HRRS 2009 Nr. 882


BGH 3 StR 293/09 - Urteil vom 10. September 2009 (LG Oldenburg)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (obligatorische Feststellung des Wirkstoffgehalts; minder schwerer Fall); Strafzumessung.

§ 29a BtMG; § 30a BtMG; § 46 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30. März 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) hinsichtlich der Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe sowie

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in 18 Fällen (17 mal Handeltreiben und einmal Einfuhr) als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte", zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Wertersatzverfall in Höhe eines Betrages von 20.000 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision - wie dem Revisionsantrag und der Begründung des Rechtsmittels (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) zu entnehmen ist - allein gegen die im Fall II. 2. der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe und die verhängte Gesamtstrafe. Das wirksam beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat vollen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichtes hatte sich der Angeklagte vor dem 23. April 2007 mit den beiden niederländischen Drogenlieferanten "C." und "G." zu einer Bande im Sinne von § 30a Abs. 1 BtMG zusammengeschlossen. Dabei sollte er als Kurier tätig werden und Kokain in die Schweiz schmuggeln sowie das Kaufgeld von den Abnehmern zu den Lieferanten nach Amsterdam bringen. Nachdem der Angeklagte innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten in 17 Fällen Drogengeld in Höhe von jeweils mindestens 15.000 Schweizer Franken nach Amsterdam transportiert hatte, brachte er im Rahmen seiner Bandentätigkeit Ende Oktober 2007 inkorporiert ein Kilogramm Kokain von Amsterdam über die Bundesrepublik Deutschland zu den Abnehmern nach Basel. Wenige Tage später fuhr der Angeklagte erneut dorthin, holte 24.000 Schweizer Franken - einen Teil des Entgelts für das zuvor gelieferte Kokain - ab, und überbrachte es "C." in Amsterdam. Der Angeklagte erhielt für den Drogenschmuggel 2.000 € und für den Geldtransport 5 % der überbrachten Summe (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

Das Landgericht hat diese Tat rechtlich als bandenmäßige unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB), einen minder schweren Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG verneint und aus dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG die Mindeststrafe von fünf Jahren festgesetzt.

1. Die in diesem Fall vorgenommene Strafzumessung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die dem Regelstrafrahmen entnommene Mindeststrafe kann nicht bestehen bleiben, weil es das Landgericht unterlassen hat, konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des geschmuggelten Kokains zu treffen. Solche sind indes bei Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz regelmäßig erforderlich (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2008, 471; Weber, BtMG 3. Aufl. vor §§ 29 ff. Rdn. 805 m. w. N.). So ist es auch hier. Zwar hatte der Wirkstoffgehalt mit Blick auf Art und Menge des transportierten Betäubungsmittels keine maßgebliche Bedeutung für die rechtliche Einordnung der vom Angeklagten begangenen Straftaten, die Beurteilung ihres konkurrenzrechtlichen Verhältnisses und die Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles. Indes konnte für die Festsetzung der schuldangemessenen Strafe auf die konkrete Feststellung der Wirkstoffmenge - notfalls im Wege der Schätzung (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 319) - nicht verzichtet werden (vgl. Weber aaO Rdn. 799, 806 m. w. N.). Denn nach den getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte (auch) in diesem Fall hochwertiges Kokain in die Schweiz verbracht hat. So spricht für eine gute Qualität des Kokains, dass der Transport im Zwischenhandel erfolgte und die überbrachte Geldsumme von 24.000 Schweizer Franken nur ein Teil des Kaufpreises war. Zudem erhielt der Angeklagte für den Transport des Rauschgifts den vergleichsweise hohen Kurierlohn von 2.000 €. Deshalb kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die unterbliebene Bestimmung des Wirkstoffgehalts bei der Bemessung der Einzelstrafe zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

2. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Ausspruches über die Gesamtstrafe zur Folge. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene weitere Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe den gewährten Härteausgleich für eine rechtskräftige und teilweise vollstreckte sowie im Übrigen zur Bewährung ausgesetzte Verurteilung des Angeklagten durch das Strafgericht Basel-Stadt am 1. April 2008 in einer rechtsfehlerhaften Art und Weise sowie mit einem zu hohen Abschlag von der gebildeten fiktiven Gesamtstrafe vorgenommen, kommt es daher nicht mehr an. Allerdings hat die Revision insoweit keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgezeigt (vgl. insoweit Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 21 f.).

3. Das angefochtene Urteil enthält auch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler (§ 301 StPO). Das Landgericht hat insbesondere rechtlich zutreffend das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG abgelehnt. Diese Beurteilung kann unter den gegebenen Umständen auch ohne die - fehlenden - konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Kokains erfolgen; denn der Angeklagte hat ein Kilogramm Kokain sowie eine hohe Kaufgeldsumme jeweils über zwei Staatsgrenzen geschmuggelt. Schon angesichts dieser, die Tat des Angeklagten prägenden Umstände lag die Verneinung eines minder schweren Falles auf der Hand. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass sich die fehlende Feststellung des konkreten Wirkstoffgehalts bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Gleiches gilt für die Strafzumessung im engeren Sinne, da die Strafkammer auf die Mindeststrafe aus dem zutreffenden Rahmen des § 30a Abs. 1 BtMG erkannt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 882

Bearbeiter: Ulf Buermeyer