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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 1013

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 257/09, Beschluss v. 09.07.2009, HRRS 2010 Nr. 1013


BGH 3 StR 257/09 - Beschluss vom 9. Juli 2009 (LG Mönchengladbach)

Versuchte schwere räuberische Erpressung; Rücktritt vom Versuch (Freiwilligkeit; Rücktrittshorizont; Bedeutung des ursprünglichen Tatplans für den fehlgeschlagenen Versuch; innere Hemmungen).

§ 250 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB; § 24 Abs. 2 StGB; § 357 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für den Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 2007, 91, 92 m. w. N.). Dies gilt zwar dann nicht, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (BGH NStZ 2007, 91) - die Vollendung nicht mehr für möglich hält; abzustellen ist daher nicht auf den ursprünglichen Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse, um den Erfolg herbeizuführen, von seinem Tatplan abweichen. Hält er vielmehr die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369).

2. Der ursprüngliche Tatplan kann je nach Fallgestaltung nur insoweit eine Rolle für den Erkenntnishorizont des Täters spielen, als die von ihm nach dem Scheitern seiner bisherigen Bemühungen erkannte Notwendigkeit, Tathandlung und -ablauf grundlegend zu ändern oder ein ganz anderes als das bisher verwendete Tatmittel einzusetzen, ein gewichtiges Indiz dafür darstellen kann, dass aus seiner Sicht der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGH NStZ 2008, 393).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten S. Ö. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, auch soweit es den Angeklagten O. Ö. betrifft.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten S. Ö., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten S. Ö. und O. Ö. der versuchten schweren räuberischen Erpressung und des Diebstahls schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten S. Ö. zu einer Jugendstrafe von neun Monaten und den Angeklagten O. Ö. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten S. Ö. hat mit der Sachrüge Erfolg. Sein Rechtsmittel führt nach § 357 StPO auch zur Aufhebung der Verurteilung des Mitangeklagten O. Ö.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten überein, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigten, die Inhaberin durch Bedrohung mit einem Klappmesser zur Herausgabe von Geld zu veranlassen; einen "über die Drohung hinausgehenden Einsatz des Messers zum Zwecke der Verletzung anderer Personen schlossen sie jedoch von vornherein in jedem Fall aus". Nach dem Betreten des Geschäfts ging der Angeklagte O. Ö. zur Theke, hielt der Inhaberin das Messer vor und sagte "Geld her". Als die Inhaberin resolut entgegnete "ihr kriegt hier nichts", entschlossen sich beide Angeklagte, das Geschäft unverrichteter Dinge zu verlassen. Beim Hinausgehen entnahm der Angeklagte S. Ö. im Einverständnis mit dem Mitangeklagten zwei Zigarettenschachteln aus einem Regal und steckte sie ein.

2. Auf dieser Grundlage kann der Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand haben. Die Feststellungen legen die Möglichkeit nahe, dass die Angeklagten mit strafbefreiender Wirkung vom Erpressungsversuch zurückgetreten sein könnten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB). Hiermit hat sich das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.

a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 2007, 91, 92 m. w. N.). Dies gilt zwar dann nicht, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (BGH NStZ 2007, 91) - die Vollendung nicht mehr für möglich hält; abzustellen ist daher nicht auf den ursprünglichen Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse, um den Erfolg herbeizuführen, von seinem Tatplan abweichen. Hält er vielmehr die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Der ursprüngliche Tatplan kann je nach Fallgestaltung nur insoweit eine Rolle für den Erkenntnishorizont des Täters spielen, als die von ihm nach dem Scheitern seiner bisherigen Bemühungen erkannte Notwendigkeit, Tathandlung und -ablauf grundlegend zu ändern oder ein ganz anderes als das bisher verwendete Tatmittel einzusetzen, ein gewichtiges Indiz dafür darstellen kann, dass aus seiner Sicht der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGH NStZ 2008, 393).

b) Zu den Vorstellungen der Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs - nach der Weigerung der Geschädigten, Geld herauszugeben - teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen hatten, das Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr ihrer Entschlüsse waren, verstünde es sich indes nicht von selbst, dass sie keine weitere Handlungsalternative mehr sahen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lässt die Feststellung, der Angeklagte O. Ö. habe der Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.

3. Um dem Landgericht in Anbetracht des eng zusammenhängenden Geschehensablaufs insgesamt neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Diebstahls auf.

II.

In Bezug auf den Mitangeklagten O. Ö. hat der Senat nach § 357 Satz 1 StPO so zu erkennen, als ob dieser gleichfalls Revision eingelegt hätte. Das Urteil gegen diesen beruht auf demselben sachlichrechtlichen Mangel, an dem auch der Schuldspruch gegen den Beschwerdeführer leidet.

Eine Entscheidung nach §§ 357 Satz 2, 47 Abs. 3 StPO ist nicht veranlasst, da das Landgericht den Haftbefehl gegen den Angeklagten O. Ö. bereits vor Eintritt der Rechtskraft aufgehoben hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 1013

Externe Fundstellen: NStZ 2009, 688; NStZ-RR 2009, 335

Bearbeiter: Ulf Buermeyer