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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 1010

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 594/08, Beschluss v. 22.01.2009, HRRS 2009 Nr. 1010


BGH 3 StR 594/08 - Beschluss vom 22. Januar 2009 (LG Kiel)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe; Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

§ 55 StGB; § 64 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 19. September 2008 aufgehoben

a) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen mit den zugehörigen Feststellungen;

b) soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 15. Februar 2007 (27 Ls 108/06) und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 11. März 2008 (27 Ls 12/08) und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine Revision ist zu den Schuld- und Einzelstrafaussprüchen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen; aufzuheben ist das Urteil auch, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Zutreffend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Keinen Bestand haben können dagegen die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen. Das Landgericht hat es unterlassen, die jeweils nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neumünster vom 15. Februar 2007 und 11. März 2008 mitzuteilen, so dass das Revisionsgericht anhand der Urteilsgründe nicht prüfen kann, ob die Gesamtfreiheitsstrafen rechtsfehlerfrei zugemessen wurden.

Der Aufhebung unterliegt das Urteil auch, soweit das Landgericht von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgesehen hat. Zweck dieser Maßregel der Besserung ist die Heilung von stoffgebundenen Abhängigkeiten (Fischer StGB 56. Auflage § 64 Rdn. 2 m.w.N.). Sie konnte daher vorliegend nicht mit der Begründung, der Angeklagte habe lediglich seine ADHS-Erkrankung im Blick und sei deshalb nicht bereit, an seinem Kokainkonsum zu arbeiten (UA S. 15), verneint werden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte das von ihm regelmäßig eingenommene Kokain auch als 'Selbstmedikation' einsetzt (UA S. 15). Darüber hinaus hat auch das vom Angeklagten gegen ADHS eingenommene und von ihm zeitweise auch auf dem Schwarzmarkt beschaffte Medikament Ritalin ebenfalls ein hohes Suchtpotential (UA S. 7). Es ist daher vorliegend nicht ohne Weiteres ersichtlich, weshalb die Anordnung der Maßregel nicht zur Heilung der stoffgebundenen Abhängigkeit führen kann."

Ergänzend bemerkt der Senat, dass für den Fall, dass die gesamtstrafenfähigen Vorverurteilungen keine Einzelstrafen enthalten, § 55 StGB keine Anwendung findet. Der Tatrichter hat dann einen Härteausgleich bei der Bemessung der neuen Strafe vorzunehmen (BGHSt 43, 34; auch Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 55 Rdn. 26).

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 20. Januar 2009 hat vorgelegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 1010

Bearbeiter: Ulf Buermeyer