HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 815
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 505/08, Beschluss v. 20.01.2009, HRRS 2010 Nr. 815
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Juni 2008 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts trank der Angeklagte zusammen mit seinen beiden Mittätern und dem späteren Tatopfer, in erheblichem Umfang Alkohol. Er gab diesem 30 Euro zum Einkauf weiterer alkoholischer Getränke. Als der Geschädigte zurückkam und nicht die in Anbetracht des Geldes erwartete Anzahl von Schnapsflaschen mitbrachte, folterten der Angeklagte und seine beiden Mittäter ihn über mehrere Stunden hinweg durch Schläge mit einem Knüppel sowie durch Tritte, um ihn zur Herausgabe weiterer, bei ihm vermuteter Alkoholika zu zwingen. Nach mindestens vierstündiger Tortur verstarb das Opfer aufgrund der multiplen schweren Verletzungen.
Während die Überprüfung des Schuldspruchs keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann nicht bestehen bleiben. Sie setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes des Täters voraus, der dazu führte, dass er - sicher feststehend - die Tat zumindest mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beging (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 6) und bedarf wegen ihres schweren Eingriffs in das Leben des Betroffenen einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Das Landgericht stützt die Unterbringung im Anschluss an den gehörten Sachverständigen auf eine "ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung mit entsprechender Neigung zu kriminell geprägten Verhaltensmustern und sadistischer Gewaltbereitschaft" (UA S. 26). Für sadistische Persönlichkeitsanteile lässt das Urteil indes den Nachweis vermissen, nachdem die verfahrensgegenständliche Tat erkennbar von Gruppendynamik geprägt war und sich die zum Beleg angeführte gefährliche Körperverletzung als eine 14 Jahre zurückliegende Spontantat erweist. Dass die Persönlichkeitsstörung ein solches Ausmaß erreicht hätte, dass sie dem Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden könnte, wird vom Landgericht - von einer formelhaften Nennung des Begriffs zu Beginn der Erörterungen zur Schuldfähigkeit (UA S. 25) abgesehen - nicht belegt. Folgerichtig führt das Urteil aus, die festgestellte "Persönlichkeitsstörung allein" führe nicht zu einer Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit, zu ihr komme es erst, wenn Alkoholkonsum hinzutrete (UA S. 27). Damit sind aber auch nicht die Voraussetzungen belegt, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise für das Zusammenwirken von schwerer anderer seelischer Abartigkeit und Alkoholsucht bzw. Alkoholkonsum die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB eröffnet (vgl. BGHSt 44, 338 und 44, 369).
2. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs entzieht auch der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe die Grundlage. Das Landgericht hat trotz der festgestellten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen, weil es die Trunkenheit des Angeklagten als verschuldet angesehen hat. Dies setzt voraus, dass dem Angeklagten der Alkoholkonsum uneingeschränkt vorwerfbar ist (vgl. BGH NStZ 2004, 495; 2008, 330), wobei an diese Entscheidung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn es um die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe geht (vgl. BGH NStZ 2005, 384). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter aufgrund erneuter Verhandlung - bei der sich die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen empfehlen wird - zu der Überzeugung gelangt, dass dem Angeklagten aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen der Alkoholkonsum nicht uneingeschränkt vorwerfbar war. Eine vollkommene Aufhebung der Schuldfähigkeit scheidet dagegen aus.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 815
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2009, 230
Bearbeiter: Ulf Buermeyer