HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 155
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 483/08, Urteil v. 11.12.2008, HRRS 2009 Nr. 155
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 2008 werden verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei vom Versuch des Totschlags zurückgetreten, sowie die Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung im Hinblick auf einen Täter-Opfer-Ausgleich. Der Angeklagte rügt, das Landgericht habe seine Tat zu Unrecht als gefährliche Körperverletzung beurteilt. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte der Angeklagte die Scheidung von der Nebenklägerin, die er durch gewalttätiges Verhalten in der Ehe selbst verursacht hatte, nur schwer verwinden. Er konsumierte verstärkt Alkohol und begab sich wegen eines Gefühls der Niedergeschlagenheit freiwillig in stationäre psychiatrische Behandlung. Diese wurde knapp zwei Wochen vor der Tat wegen Alkoholkonsums des Angeklagten in der Klinik abgebrochen. Am Tattag hatte der alkoholisierte Angeklagte das Gefühl, seine frühere Ehefrau belaste ihn wie ein Dämon und es müsse "zu seiner Befreiung etwas passieren". Er entschloss sich, die Nebenklägerin, die einen neuen Lebensgefährten hatte, wie eine Ehebrecherin zu steinigen. Dabei kam es ihm auf ihren Tod nicht an, er nahm ihn aber als mögliche Folge billigend in Kauf. Bewaffnet mit einem 1.184 Gramm schweren Stein sowie einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 20 Zentimetern, mit dem er sich nach seinen für unwiderlegt erachteten Angaben anschließend selbst töten wollte, betrat er das Geschäft, in dem die Nebenklägerin arbeitete. Er riss sie an den Haaren, worauf sie sofort zu schreien begann. Sodann schlug er ihr mit dem Stein auf den Kopf, wobei er den ersten Schlag mit Wucht und den zweiten Schlag, bei dessen Ausführung ihm bereits klar wurde, dass er nicht einfach einen Menschen töten könne, mit geringerer Stärke ausführte. Als drei Passanten, von den Schreien alarmiert, in das Geschäft hinein und der Nebenklägerin zu Hilfe eilten, hatte der Angeklagte den Stein nicht mehr in der Hand. Den Helfern gelang es nach längerem Bemühen, den Angeklagten von der Nebenklägerin wegzuziehen und festzuhalten. Dabei wurde einer von ihnen darauf aufmerksam, dass der Angeklagte das Küchenmesser in seiner Jackeninnentasche hatte, und nahm es ihm weg.
1. Die Annahme eines Rücktritts des Angeklagten vom Tötungsversuch hält rechtlicher Überprüfung stand.
Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Vermag der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel am Vorliegen eines bestimmten, dem Angeklagten vorgeworfenen Sachverhalts nicht zu überwinden, so kann das Revisionsgericht dies nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13 und Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002, 260, 261).
Das Landgericht hat die für und gegen den Rücktritt sprechenden Beweisanzeichen abgewogen. Mängel in der Beweiswürdigung, die als Rechtsfehler einen Eingriff des Revisionsgerichts ermöglichen würden, sind bei der Überprüfung nicht zutage getreten.
2. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB - hierum geht es beim Ausgleich immaterieller Schäden vorrangig (vgl. BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 1) - zu Bedenken Anlass geben könnte. Ob die Revision damit einen durchgreifenden Rechtsfehler aufzeigt, kann der Senat offenlassen, da die für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren in Ansehung der Tatfolgen für das Opfer und der bisherigen Unbestraftheit des Täters angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist.
Die Überprüfung des Urteils auf die Revisionsbegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Den Feststellungen des Landgerichts zur Art und Weise der Körperverletzungshandlung liegt eine tragfähige Beweiswürdigung zugrunde.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 155
Bearbeiter: Ulf Buermeyer