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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 131

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 188/08, Beschluss v. 10.06.2008, HRRS 2009 Nr. 131


BGH 3 StR 188/08 - Beschluss vom 10. Juni 2008 (LG Hannover)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (hinreichende Feststellungen; Urteilsgründe).

§ 63 StGB; § 267 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 28. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts stach der Beschuldigte im Zustand fehlender Einsichtsfähigkeit mit natürlichem Tötungsvorsatz auf seinen Nachbarn ein, von dem er sich belästigt gefühlt hatte. Dieser erlitt eine lebensgefährliche Bauchstichverletzung, ehe er sich vor dem Beschuldigten in Sicherheit bringen konnte.

Die Unterbringungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes des Täters voraus, der dazu führte, dass er - sicher feststehend - die Tat zumindest mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beging (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 6). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Beschuldigte zu den Tatzeiten schuldunfähig war, noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet.

Das Landgericht referiert die Ausführungen des Sachverständigen, dem es sich anschließt. Danach liege beim Beschuldigten eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung vor, er leide unter einer paranoiden und einer depressiven Symptomatik, es sei eine "paranoide Psychose im Rahmen einer chronischen Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen Zügen" zu diagnostizieren. Dies könnte sowohl auf eine - nicht krankhafte - schwere andere seelische Abartigkeit als auch auf eine krankhafte seelische Störung des Beschuldigten hindeuten; nach der geschilderten Symptomatik scheint ersteres näher zu liegen. Das Landgericht kommt dagegen zu der Annahme einer krankhaften seelischen Störung, ohne dies indessen näher zu begründen. Welches der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorliegt, ist somit nicht in rechtlich nachprüfbarer Weise dargetan. Schon dies darf jedoch grundsätzlich nicht offen bleiben (BGH NStZ 1999, 128; NStZ-RR 2004, 38). Abgesehen davon, dass sich der Beschuldigte durch die Geräusche aus der Nachbarwohnung gestört fühlte, fehlt es zudem an jeder näheren Darlegung, wie das festgestellte Störungsbild in der konkreten Tatsituation auf den Beschuldigten und seine Vorstellungswelt eingewirkt hat. Hierauf hätte aber selbst dann nicht verzichtet werden können, wenn bei dem Beschuldigten eine Schizophrenie diagnostiziert worden wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 39 m. w. N.).

Vergleichbar knapp und damit angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, ebenfalls nicht ausreichend hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten begründet. Es folgt auch hier dem Sachverständigen, der die große Gefahr, dass der Beschuldigte weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde, bejaht hat. Dies ist angesichts des Umstandes, dass der Beschuldigte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und abgesehen von den letztlich in die Tat mündenden Konflikten mit seinen Wohnungsnachbarn keine sonstigen Auseinandersetzungen des Beschuldigten mit anderen Personen geschildert werden, ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar. Auch aus diesem Grund kann das Urteil keinen Bestand haben.

Die Sache muss daher erneut verhandelt werden. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 131

Externe Fundstellen: NStZ 2009, 86

Bearbeiter: Ulf Buermeyer