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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 265

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 28/06, Urteil v. 09.03.2006, HRRS 2006 Nr. 265


BGH 3 StR 28/06 - Urteil vom 9. März 2006 (LG Hannover)

Versuch (unmittelbares Ansetzen); Brandstiftung; Urteilsgründe (fehlende Erörterung offensichtlicher und eingestandener Tatbestandsmerkmale).

§ 22 StGB; § 306 StGB; § 267 Abs. 3 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen.

2. Eine der wenigstens teilweisen Tatbestandserfüllung vorgelagerte Handlung überschreitet jedoch nur dann die Versuchsschwelle, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Für die Abgrenzung zur bloßen Vorbereitungshandlung können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, Bedeutung gewinnen.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten Ü. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. September 2005 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Ü. wegen versuchter Brandstiftung und wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Sie hat keinen Erfolg. Die beiden ebenfalls wegen der gemeinschaftlich begangenen versuchten Brandstiftung verurteilten Mitangeklagten E. und A. haben kein Rechtsmittel eingelegt.

1. Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangener versuchter Brandstiftung ist nicht zu beanstanden. Ihm liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Der gesondert verfolgte Ö. plante, die von ihm betriebene Diskothek in Brand setzen zu lassen, um die Versicherungssumme kassieren zu können. Er beauftragte den Angeklagten Ü., der bei ihm als Türsteher tätig war und den Brand nicht selbst legen wollte, "zwei Leute für die Brandlegung zu besorgen". Ü. gewann dafür A., der seinerseits E. und den Zeugen K. mit dem Versprechen überredete, jeder könne dabei 10.000 € verdienen. Alle vier besprachen gemeinsam den Tatplan, wonach die Außentüre des Gebäudes mit einem von Ö. zur Verfügung gestellten Schlüssel sowie eine verschlossene Zwischentüre zum Diskothekenraum mit einem mitgeführten Kuhfuß geöffnet, dort aus einem mitgebrachten Kanister Benzin verschüttet und dieses dann entzündet werden sollte. Alle vier begaben sich mit der vorgesehenen Ausrüstung (Schlüssel, Kuhfuß und Brandbeschleuniger) in die Nähe des Tatortes. Ü. und E. blieben im Fahrzeug, um die anderen nach der Brandlegung aufnehmen zu können. A. und K. gingen zur Diskothek, öffneten mit dem Schlüssel die Außentüre, betraten das Gebäude und wurden noch im Vorraum von der Polizei festgenommen, an die K. den Plan verraten hatte.

a) Bei dieser Sachlage ist die Schwelle von der Vorbereitung zum Versuch der Brandstiftung überschritten. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGHSt 26, 201, 203; BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben haben sich die Täter hier wegen versuchter Brandstiftung schuldig gemacht. Sie sind entsprechend einem fest gefassten und detaillierten Tatplan bereits mit den erforderlichen Tatmitteln in das in Brand zu setzende Gebäude eingedrungen. Sie mussten nur noch die Zwischentüre mit dem für diesen Zweck mitgeführten Kuhfuß aufhebeln sowie den ebenfalls mitgebrachten Brandbeschleuniger verteilen und entzünden. Damit haben sie vorgelagerte Handlungen begangen, die bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar eingemündet hätten. Dabei kam dem Öffnen der Zwischentüre unter den hier gegebenen Umständen nicht das Gewicht eines Zwischengeschehens zu, dessen Ausgang offen gewesen wäre oder das zu neuen Planungen oder Entschlussfassungen geführt hätte. Vielmehr war den Tätern das Vorhandensein der Zwischentüre und ihre Beschaffenheit bekannt, weshalb sie die gewaltsame Öffnung von vorneherein geplant und vorbereitet hatten.

Zudem lag hier ein sehr enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der geplanten Brandlegung vor. Die bereits in das Gebäude eingedrungenen Täter trennten nur noch wenige Meter und Sekunden von der Tatbestandsverwirklichung, so dass bereits eine hohe Gefährdung des zu schützenden Rechtsgutes gegeben war.

b) Das Landgericht hat den Angeklagten Ü. zutreffend als Mittäter angesehen. Er hat einen wesentlichen Tatbeitrag erbracht, weil er die Verbindung zwischen dem Auftraggeber Ö. und den übrigen Tätern hergestellt und diese erst für ihn "besorgt" hatte. Gerade im Hinblick hierauf wurde der Angeklagte Ü. bei der Strafzumessung als "weiterer Initiator" bezeichnet.

2. Die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Wie der Generalbundesanwalt zu Recht ausgeführt hat, bedürfen selbstverständliche und auf der Hand liegende Umstände, für deren Gegenteil nicht die geringsten Anhaltspunkte bestehen (und von der Revision auch nicht vorgetragen werden), keiner ausdrücklichen Erörterung. Da der Angeklagte diesen Verstoß sogar eingeräumt hatte, liegt die Rüge, es fehle die ausdrückliche Feststellung und der erforderliche Beleg für das Fehlen einer waffenrechtlichen Erlaubnis, offensichtlich neben der Sache.

3. Auch die Strafzumessung ist nicht zu beanstanden:

a) Die Annahme eines minder schweren Falles eines Verstoßes gegen das Waffengesetz lag angesichts der hohen Gefährlichkeit dieser großkalibrigen Faustfeuerwaffe, die zusammen mit entsprechender Munition aufbewahrt worden ist, auch bei Berücksichtigung des Umstandes fern, dass der Angeklagte Ü. die Waffe für seinen Chef nur kurze Zeit in Besitz hatte, bevor sie sichergestellt wurde.

b) Auch die übrigen Einwände gegen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils sind, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. Januar 2006 ausgeführt hat, offensichtlich unbegründet.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 265

Externe Fundstellen: NStZ 2006, 331; StV 2007, 187

Bearbeiter: Ulf Buermeyer