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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 247

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 251/06, Beschluss v. 16.01.2007, HRRS 2007 Nr. 247


BGH 3 StR 251/06 - Beschluss vom 16. Januar 2007 (OLG Düsseldorf)

Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts (fehlerhafte Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen einen erkennenden Richter; kein Rechtsmittel); Konfrontationsrecht und Recht auf Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen (Fragerecht; Fragezurückweisung).

§ 27 Abs. 1 StPO; Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 lit. d EMRK; § 338 Nr. 3 StPO; § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO; Art. 19 Abs. 4 GG; Art. 20 Abs. 3 GG

Leitsatz des Bearbeiters

Die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts kann grundsätzlich nicht darauf gestützt werden kann, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen. Dem steht auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entgegen. Dem Recht eines Angeklagten auf ein unparteiisches Gericht wird durch seine Möglichkeit, erkennende Richter nach Maßgabe der §§ 24 ff. StPO abzulehnen und hierüber gemäß § 27 Abs. 1 StPO die Entscheidung des Gerichts ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters herbeiführen zu können, ausreichend Rechnung getragen. Der Gewährung eines Rechtsmittelzuges bedarf es hierzu nicht.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2005 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I. Zu den Verfahrensrügen:

1. Ablehnungsgesuche gegen Richter des erkennenden OLG-Senats: (Revisionen der Angeklagten A., D. und S.)

Der Senat hält an seiner mit Beschluss vom 5. Januar 1977 (BGHSt 27, 96) begründeten Rechtsprechung fest, wonach die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht darauf gestützt werden kann, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen. Der Auffassung des Senats hat sich auch das Schrifttum ganz überwiegend angeschlossen (Rudolphi in SK-StPO § 28 Rdn. 2; Pfeiffer in KK 5. Aufl. § 28 Rdn. 8; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 28 Rdn. 28; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 28 Rdn. 8; aA Schmidt-Leichner NJW 1977, 1804). Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK keine Änderung. Dem Recht eines Angeklagten auf ein unparteiisches Gericht wird durch seine Möglichkeit, erkennende Richter nach Maßgabe der §§ 24 ff. StPO abzulehnen und hierüber gemäß § 27 Abs. 1 StPO die Entscheidung des Gerichts ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters herbeiführen zu können, ausreichend Rechnung getragen. Der Gewährung eines Rechtsmittelzuges bedarf es hierzu nicht (BVerfGE 45, 363, 375).

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass in der Entscheidung des Senats vom 5. Januar 1977 ausdrücklich offen gelassen wurde, ob eine Rüge auch dann unstatthaft ist, wenn das Ablehnungsgesuch aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen worden war. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zurückweisung der Gesuche, insbesondere auch soweit sie die Vorbefassung der Richter mit dem vorab abgeurteilten Mittäter Ab. betrafen, ist nicht nur nicht willkürlich, sondern sachgerecht.

2. Zurückweisung von Fragen an den Zeugen Ab.: (Revision des Angeklagten A.) Auch diese Rüge hat keinen Erfolg.

a) Hinsichtlich der Frage, ob der Zeuge Kontakt zu Landsleuten habe, ist die Rüge unzulässig, da eine Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO unterblieben ist.

b) Hinsichtlich der Frage, ob sich der Zeuge nochmals dem Zeugenschutz entzogen habe, ist die Rüge unbegründet. Denn insoweit hat der Vorsitzende seine ursprüngliche Zurückweisung der Frage selbst revidiert und den Zeugen zur Beantwortung veranlasst.

c) Dagegen fehlt es für die Zurückweisung der Frage, ob der Zeuge über ein Mobiltelefon verfüge, an der erforderlichen Abwägung zwischen den Belangen des Zeugenschutzes und der Bedeutung der Beantwortung der Frage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch, wie sie der Senat in seinem - nach den beanstandeten Vorgängen ergangenen - Urteil vom 15. Dezember 2005 (BGHSt 50, 319, 330 f.) postuliert hat.

Indes kann ausgeschlossen werden, dass auf der Nichtbeantwortung dieser Frage das Urteil beruht. Ein Zusammenhang dieser Frage mit dem abgeurteilten Sachverhalt oder eine sonstige Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch ist weder der Fragestellung oder der Revisionsbegründung zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Bei dieser Sachlage wäre ernsthaft zu erwägen gewesen, ob die Frage auch gemäß § 241 Abs. 2 StPO als nicht zur Sache gehörend zurückgewiesen hätte werden können.

d) Soweit die Revision weiter rügt, ihr sei im Zusammenhang mit der Verlesung eines Vermerks durch den Vorsitzenden das Fragerecht insgesamt entzogen worden, ist dies abwegig. Der Vorsitzende hat in seiner vom Gericht bestätigten Entscheidung, Rechtsanwalt H. vorübergehend das Wort zu entziehen, ausdrücklich klargestellt, dass hierdurch dessen Fragerecht unberührt bleibe und nur die ungestörte Verlesung eines kurzen Vermerks ermöglicht werden sollte. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die beanstandete Unterbrechung der Befragung des Zeugen Ab. durch die Verlesung des Vermerks rechtlichen Bedenken begegnet, da hierauf jedenfalls nichts beruht. Selbst wenn der Zeuge - ohne Unterbrechung - unzutreffende Angaben dazu gemacht hätte, ob er sich ein weiteres Mal dem Zeugenschutz entzogen habe, hätte dies ersichtlich zu keiner anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Zeugen durch das Oberlandesgericht geführt.

3. Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 3 d MRK: (Revision des Angeklagten A.)

Da das Oberlandesgericht - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - die Ladung des Auslandszeugen Aw. ohne Rechtsfehler gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt hat, ist das sich aus Art. 6 Abs. 3 d MRK ergebende Recht auf die Heranziehung von Entlastungszeugen nicht verletzt. Auch das durch diese Regelung gewährleistete Recht auf Befragung eines Zeugen ist in der erforderlichen Gesamtschau gewahrt. Der Zeuge Ab. wurde an 50 Verhandlungstagen vernommen und von den Verteidigern umfangreich befragt. Im Übrigen wird hierzu auf die Ausführungen unter 2. verwiesen.

4. Beweisantrag auf Vernehmung des Auslandszeugen B.: (Revision des Angeklagten S.)

Die Beanstandung der Revision, das Oberlandesgericht habe über den hilfsweise gestellten Antrag, dem Zeugen im Falle einer Unerreichbarkeit oder sonstiger Ladungshindernisse einen Fragenkatalog zur Beantwortung zukommen zu lassen, nicht entschieden, ist nicht begründet. Wie sich aus dem Beschluss vom 23. August 2005 ergibt, wurde mit ihm der Beweisantrag vom 6. Juli 2005 vollständig, also einschließlich der Hilfserwägung, gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zurückgewiesen, weil die Vernehmung des Zeugen durch die Aufklärungspflicht nicht geboten sei. Dies schließt die hilfsweise Vorlegung eines Fragenkatalogs ein.

II. Sachlichrechtliche Beanstandungen der Revision des Angeklagten S. :

1. Die Urteilsfeststellungen belegen, dass der Angeklagte S. gemeinschaftlich mit Ab. versucht hat, den Mitangeklagten M. zur ungenehmigten Beschaffung von Kriegswaffen zu bestimmen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StGB). Danach hatte zunächst S. die Idee, u. a. mit Handgranaten einen Anschlag auf ein für jüdisch gehaltenes Objekt in E. zu begehen, für das Ab. die Waffen beschaffen sollte, der sich seinerseits an M. wandte (UA S. 45, 46). Über die weiteren Bemühungen wurde S. von Ab. informiert und gegenüber M. in dieser Beschaffungsangelegenheit als sein Vertreter benannt (UA S. 52). Als M. schließlich eine konkrete Bezugsquelle in Ha. gefunden hatte, forderte er S. auf, eine verbindliche Billigung der Kauforder gegenüber M. abzugeben, was S. befolgte (UA S. 52).

2. Die Rüge, die Strafrahmenmilderung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB sei zu Unrecht nicht gewährt worden, geht ins Leere, da der Strafrahmen des § 129 a StGB und nicht der des Verbrechens, zu dem angestiftet werden sollte, zur Anwendung gelangt ist.

3. Auch die Beanstandung der Strafzumessungserwägungen ist unberechtigt:

a) Ausländerrechtliche Folgen sind in der Regel keine bestimmenden Strafzumessungsgründe (st. Rspr.; vgl. Nachw. bei Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 43 c).

b) Die Erwägungen zur besonderen Gefährlichkeit der von den Angeklagten gebildeten Vereinigung und zur Schwere der von ihr ins Auge gefassten Straftaten stellen auf die im Vergleich zu anderen denkbaren terroristischen Vereinigungen besondere Schwere ab und verstoßen somit nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB.

c) Dass S. sich gegenüber Ab. drängend verhalten hat, wird durch den auf UA S. 191 f. mitgeteilten Sachverhalt belegt.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 247

Externe Fundstellen: NStZ 2007, 417

Bearbeiter: Ulf Buermeyer