HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 268
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 183/05, Urteil v. 03.11.2005, HRRS 2006 Nr. 268
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Januar 2005 aufgehoben, soweit der Verfall von 128.700 € angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung in fünf Fällen und Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall eines Betrages von 128.700 € angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
1. Zum Schuldspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Darlegungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, die nur folgender Ergänzung bedürfen:
Zwar hat das Landgericht, soweit der Angeklagte wegen Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses in elf Fällen verurteilt worden ist, bei der Bestimmung des konkreten Strafrahmens die obligatorische Strafmilderung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB außer Acht gelassen hat. § 28 Abs. 1 StGB war anzuwenden, weil für § 353 b Abs. 1 Nr. 1 StGB die Tatbestandsverwirklichung durch einen Amtsträger strafbegründend wirkt, der Angeklagte aber diese Eigenschaft nicht aufweist. Auch kann der Senat nicht ausschließen, dass sich das Landgericht bei der Strafzumessung fälschlich an einer Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe orientiert hat und deshalb bei Zugrundelegung des zutreffenden Strafrahmens (Obergrenze von drei Jahren und neun Monaten) auf noch geringere Einzelstrafen erkannt hätte. Indes sind die Einzelstrafen von jeweils vier Monaten Freiheitsstrafe angesichts des langen Tatzeitraums, des Umfangs der erlangten Dienstgeheimnisse und des insgesamt von dem Angeklagten damit erstrebten und erreichten Gewinns jedenfalls angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1 a StPO.
3. Die Anordnung von Wertersatzverfall kann indes nicht bestehen bleiben, da das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat, was der Angeklagte aus der Tat erlangt hatte.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte von dem ehemaligen Mitangeklagten, einem Beamten des Kultusministeriums in Niedersachsen, auf sein Verlangen zweimal jährlich die Anschriften und weitere persönliche Daten der zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst als Lehramtsreferendare vorgesehenen Bewerber. Er zahlte dafür jeweils zum Jahresende einen Geldbetrag. Das Anschriftenmaterial nutzte der Angeklagte in seiner beruflichen Tätigkeit als Versicherungsvertreter dazu, den Lehramtsreferendaren - mit erheblichem Erfolg - den Abschluss von Krankenversicherungsverträgen anzutragen.
b) Bei diesem Sachverhalt hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz dem Grunde nach zu Recht angeordnet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Anordnung - wie die Strafkammer meint - als Rechtsfolge der vom Angeklagten begangenen Bestechungstaten auszusprechen war. Insofern trifft zu, dass auch im Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen Bestechung (§ 334 StGB) die Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB oder des Verfalls des Wertersatzes nach § 73a StGB grundsätzlich möglich ist; dies ergibt sich mittelbar aus § 338 Abs. 2 StGB, wonach in den Fällen des § 334 StGB, soweit die Tatbegehung gewerbsmäßig oder bandenmäßig erfolgt, der erweiterte Verfall nach § 73d StGB zulässig ist. Die Frage braucht aber nicht geklärt zu werden, denn der Angeklagte hat die Listen jedenfalls aus der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht durch den ehemaligen Mitangeklagten erlangt, zu der er diesen angestiftet und an der er deshalb teilgenommen hat. Dies reicht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus.
c) Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz kann aber wegen der Höhe des für verfallen erklärten Betrages keinen Bestand haben.
Das Landgericht hat angenommen, der Gesamtumfang der seitens des Angeklagten durch den Abschluss dieser Versicherungsverträge erzielten Provisionen unterliege dem Verfall des Wertersatzes gemäß § 73a StGB, weil er insoweit die in den Anschriftenlisten enthaltenen Gewinnchancen realisiert habe. Von dem Bruttobetrag der unter Ausnutzung der Anschriftenlisten erlangten Provisionen hat es unter Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB lediglich die individuelle Stornoquote und den Steuersatz des Angeklagten in Abzug gebracht.
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Auffassung, der Angeklagte habe aus den Taten jeweils eine Gewinnchance und, soweit er diese realisiert habe, die Provisionen erlangt, geht daran vorbei, dass die Verfallsobjekte unmittelbar für und aus der Tat erlangt sein müssen und deshalb ein lediglich mittelbarer Vermögenszuwachs, d. h. ein Vermögensvorteil, der durch entsprechende Verwendung des ursprünglich Erlangten dem Vermögen eines Täters zufließt, als Verfallsobjekt ausscheidet (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 73 Rdn. 19). Hier hat der Angeklagte aus den Taten jeweils die Listen mit den Anschriften der künftigen Lehramtsreferendare erlangt. Deren Wert bestimmt deshalb auch die Höhe des als Wertersatz für verfallen zu erklärenden Betrages.
d) Der neue Tatrichter wird deshalb den Wert der Listen zu ermitteln haben. Von Bedeutung wird dabei u. a. sein können, ob und zu welchen Preisen vergleichbare Listen im Anschriftenhandel angeboten werden und welcher Vorteil darin besteht, dass in den Listen Namen und Anschriften einer großen Zahl von Personen zusammengestellt waren, die erfahrungsgemäß aktuell ein Bedürfnis an einer Krankenversicherung hatten. Zur Ermittlung des Wertes kann sich der Tatrichter ggf. sachverständiger Hilfe bedienen und im Wege der Schätzung nach § 73b StGB vorgehen. Einen gewissen Anhaltspunkt für den Wert der Listen kann auch die Höhe des für sie gezahlten Bestechungslohnes geben.
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 268
Externe Fundstellen: NStZ 2006, 334
Bearbeiter: Ulf Buermeyer