Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 264/94, Urteil v. 07.09.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 2. Februar 1994
1. im Schuldspruch dahingehend abgeändert, daß der Angeklagte wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wird;
2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung (§ 307 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er eine Verfahrensrüge erhebt und die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt auf die Sachbeschwerde zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs.
I. Das Landgericht hat festgestellt:
Der türkische Bauunternehmer Y. lebt in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen. "Hiervon erfuhren auch der Angeklagte und ... C. Sie beschlossen, daß ... Y. ihnen einen Teil seines Vermögens abzugeben habe" (UA S. 6). Nach vorangegangenen vergeblichen Versuchen, Y. zur Zahlung eines Geldbetrages zu veranlassen, suchten der Angeklagte und C. ihn am Abend des Tattages gegen 23.00 Uhr in seinem Hause auf. Der Angeklagte "eröffnete dem Y., er solle 50.000 DM bezahlen oder er würde sterben ... Y. blieb dabei, daß der Angeklagte nichts bekäme. Dieser und sein Begleiter C. verließen deutlich verärgert nach ca. 10 Minuten die Wohnung. Der Angeklagte drohte: 'Ihr werdet sehen, das wird Euch noch leid tun'" (UA S. 6).
Der Angeklagte und C. kehrten gegen 23.30 Uhr zum Hause des Y. zurück. Aus einem Kanister goß der Angeklagte an der Eingangstür mindestens 1 l Benzin aus und entzündete es. Von dem entstehenden Feuer wurden Holzteile an einem Türrahmen und zwei Türblätter derart in Brand gesetzt, daß sie auch nach Verlöschen des Benzinbrandes selbständig weiterbrannten. Die Rauchentwicklung verursachte eine Panik unter den Hausbewohnern, die keine Fluchtmöglichkeit sahen und sich aus den oberen Stockwerken in den Hof hinabließen; dabei erlitt eine Bewohnerin eine schwere Verletzung. Das Feuer wurde alsbald durch Nachbarn gelöscht.
"Der Angeklagte verfolgte bei der Entzündung des Benzins den Zweck, den Y. zu bestimmen, die geforderte Zahlung doch zu leisten, und wollte durch ein deutliches Zeichen die Ernsthaftigkeit seines Zahlungsbegehrens untermauern, dem Y. deutlich machen, daß er nicht locker lassen werde, bis seine Forderung von 50.000 DM ... erfüllt sei ... . Es kam ihm darauf an, massiv auf den Zeugen Y. einzuwirken, daß er gefügig gemacht und sein Widerstand gebrochen werde" (UA S. 8). "Das Brandgeschehen schloß sich unmittelbar an die Bedrohung des Y. mit dem Tod an. Der Brand erfüllte die Funktion, die vorhergehende Bedrohung des Y. durch eine unmittelbare Reaktion auf dessen Verweigerungshaltung nachdrücklich zu untermauern" (UA S. 17).
Nach der Brandlegung besuchten der Angeklagte und C. eine Gaststätte. Weitere gegen Y. gerichtete Aktivitäten in der Brandnacht sind nicht festgestellt worden.
II. 1. Die Verfahrensrüge ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2. Sachrüge.
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist frei von Rechtsfehlern. Nicht zu beanstanden ist auch die Wertung des festgestellten Sachverhalts als versuchte schwere räuberische Erpressung. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 307 Nr. 2 StGB hat hingegen keinen Bestand.
Die Voraussetzungen dieses Straftatbestands liegen nicht vor. Die Strafdrohung richtet sich gegen den Täter, der in der Absicht handelt, die Tat zur Begehung eines anderen, schwerwiegenden Delikts, unter anderem auch einer räuberischen Erpressung, auszunutzen. Dabei stellt sich die Frage, welcher Zusammenhang zwischen der Brandstiftung und der vom Täter beabsichtigten weiteren Straftaten bestehen muß. Das Gesetz beschreibt diesen Zusammenhang mit dem Merkmal des Ausnutzens. Bei wörtlichem Verständnis dieses Begriffs würde der Tatbestand, wenn eine räuberische Erpressung geplant ist (§ 255 StGB), alle Fälle erfassen, in denen der Täter bei der Brandstiftung die Absicht verfolgt, hierdurch einer erpresserischen Drohung Nachdruck zu verleihen, sei es, daß er sich des Mittels der Brandstiftung zur Vorbereitung einer erst noch auszusprechenden, mit dem Hinweis auf das Geschehene zu unterstreichenden Drohung bedient, sei es, daß er mit der Brandstiftung eine bereits ausgesprochene Drohung bekräftigt.
So weit reicht der Tatbestand des § 307 Nr. 2 StGB aber nicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß die geplante weitere Tat in sehr nahem zeitlichen, sachlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Brandstiftung stehen muß (BGHSt 38, 309). Auch in diesem Fall handelte es sich um eine räuberische Erpressung. Allerdings verhielt es sich dabei so, daß die Drohung der Brandstiftung nachfolgen sollte, diese selbst also im Verhältnis zur räuberischen Erpressung eine bloße Vorbereitungshandlung war. Dagegen hatte im vorliegenden Fall der Angeklagte dem Opfer schon vor der Brandstiftung erfolglos gedroht, die räuberische Erpressung also bereits versucht und, nachdem er mit Worten nicht zum Ziel gelangt war, sein erpresserisches Vorhaben mit der Brandstiftung weiterverfolgt. Dieser Versuch der räuberischen Erpressung stand mit der Brandstiftung in Tateinheit (§ 52 StGB). Unabhängig von diesem rechtlichen Verhältnis beider Delikte war damit - anders als in dem bereits entschiedenen Fall - bereits ein sehr naher zeitlicher, sachlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Brandstiftung und der räuberischen Erpressung gegeben. Indessen reicht zur Verwirklichung des in § 307 Nr. 2 StGB beschriebenen Tatbestands auch ein solcher Zusammenhang nicht in jedem Fall aus. Soweit die Bestimmung verlangt, daß der Täter in der Absicht gehandelt hat, die Tat (§ 306 StGB) zur Begehung einer bestimmten weiteren Straftat auszunutzen, genügt es dafür noch nicht, daß er die Brandstiftung in irgendeiner Weise als Mittel zur Begehung einer weiteren Straftat verwenden will. Ausnutzung der Tat bedeutet vielmehr, daß die durch Brandstiftung herbeigeführte gemeingefährliche Situation mit den ihr eigentümlichen Besonderheiten dem Täter als Gelegenheit zur Begehung einer weiteren Straftat dient.
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, ihrer Zweckbestimmung und in einem wertenden Vergleich mit den weiteren Tatbestandsalternativen der Nr. 2 und den die gleich hohe Strafdrohung begründenden Tatbeständen, die in Nrn. 1 und 3 des § 307 StGB beschrieben sind.
Die Vorschrift des § 307 Nr. 2 StGB in der bis zur Änderung durch das EStGB vom 2. März 1974 geltenden Fassung stellte die Brandstiftung unter erhöhte Strafe, wenn sie in der Absicht begangen wurde, "um unter Begünstigung derselben" Mord oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen. Diese Formulierung brachte, worauf der Bundesgerichtshof schon hingewiesen hat (BGH aaO S. 310 f.), das Erfordernis einer unmittelbaren Anbindung der geplanten weiteren Straftat an die durch den Brand verursachte gemeingefährliche Situation deutlich zum Ausdruck. Die Neufassung der Vorschrift ergänzte "zur Klarstellung" (BT-Drucks. 7/1261 S. 20) den Katalog der geplanten weiteren Straftaten um die Tatbestände des räuberischen Diebstahls und der räuberischen Erpressung und ließ den - nicht mehr bestehenden - Tatbestand des Aufruhrs entfallen. Ein Wille des Gesetzgebers zu einer darüberhinausgehenden sachlichen Änderung der Vorschrift ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Soweit an die Stelle der Worte "um unter Begünstigung derselben" der Begriff des "Ausnutzens" getreten ist, sollte die Bestimmung offenbar nur an den heutigen Sprachgebrauch angepaßt werden. Schon die Entstehungsgeschichte der heute geltenden Fassung des Gesetzes führt daher zu der Auslegung, daß der Tatbestand des § 307 Nr. 2 StGB ebenso wie nach seiner alten Fassung nur dann erfüllt ist, wenn der Täter die weitere Tat "unter Begünstigung der Brandstiftung", also unter Ausnutzen der durch diese bewirkten gemeingefährlichen Situation begehen will.
Nur diese einengende Auslegung des Begriffes des "Ausnutzens" kann es rechtfertigen, einen Täter der gegenüber dem Grundtatbestand des § 306 StGB wesentlichen erhöhten Strafandrohung des Qualifikationstatbestandes des § 307 StGB unterfallen zu lassen.
Diese Strafandrohung trägt einerseits dem Umstand Rechnung, daß der von einem Brand unmittelbar oder mittelbar betroffene Personenkreis (z.B. Bewohner oder Besucher des in Brand gesetzten Hauses, Nachbarn, Passanten, Feuerwehrleute und andere Helfer) in der aufgeregten und verwirrten Situation eines gemeingefährlichen Brandes gegenüber Angriffen und Gefährdungen weniger geschützt ist als unter normalen Umständen und deshalb - ebenso wie der in vergleichbarer Situation von einem Diebstahl Betroffene, § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB - besonderen Schutzes auch durch das Strafrecht bedarf.
Andererseits besteht bei Fallgestaltungen, wie sie der Entscheidung BGHSt 38, 309 oder der hier zu entscheidenden Sache zugrundeliegen, in Fällen also, in welchen eine Brandstiftung als Vorbereitungshandlung für eine geplante räuberische Erpressung dienen soll oder als Nötigungsmittel für eine solche eingesetzt wird, ohne daß der Täter sich die durch den Brand hervorgerufene gemeingefährliche Situation zunutze macht, kein Bedürfnis für die Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 307 StGB. Insoweit unterscheiden sich die Taten hinsichtlich ihrer Strafwürdigkeit nicht von Brandstiftungen aus anderen Motiven oder von Brandstiftungen in Tateinheit mit anderen Straftaten als den in § 307 Nr. 2 StGB aufgeführten, so daß die Strafrahmen des § 306 StGB oder der mit der Brandstiftung tateinheitlich zusammentreffenden Strafbestimmungen für einen gerechten Schuldausgleich ausreichen. Dagegen ist der Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat höher anzusetzen, bei der der Täter einen Brand legt, um gegenüber dem in der von ihm herbeigeführten gemeingefährlichen Situation seiner natürlichen und normalen Schutzsphäre beraubten Opfer die geplante weitere schwere Straftat leichter begehen zu können. Nur für diese Fälle ist daher die in § 306 StGB wesentliche erhöhte Strafe des § 307 StGB zu rechtfertigen.
Daß der Gesetzgeber mit der Strafvorschrift des § 307 Nr. 2 StGB nur ein solches unmittelbares Ausnutzen der durch die Brandstiftung verursachten gemeingefährlichen Situation auch für die räuberische Erpressung als geplanter weiterer Tat erfassen wollte, ergibt ein Vergleich mit den anderen Tatbestandsalternativen dieser Bestimmung. Ein "Ausnutzen" der Brandstiftung für einen Mord, einen Raub oder einen räuberischen Diebstahl ist nur in der Form denkbar, daß der Täter sich die durch den Brand geschaffene Situation unmittelbar zu dem weiteren Angriff gegen das Opfer dieser Straftaten zunutze macht. Für die räuberische Erpressung kann dann nichts anderes gelten.
Schließlich führt auch eine vergleichende Betrachtung der weiteren Qualifikationstatbestände des § 307 StGB zu der einengenden Auslegung des Begriffs des Ausnutzens im Sinne der vorstehenden Ausführungen. § 307 Nr. 1 StGB verlangt, daß der Tod eines Menschen verursacht wird, der sich zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten befand, daß sich also die dem Brand innewohnende Gemeingefahr im Tod eines Menschen konkretisiert hat. § 307 Nr. 3 StGB stellt eine Steigerung dieser Gemeingefahr durch Entfernung oder Unbrauchbarmachung von Löschgeräten unter erhöhte Strafe. Beide Tatbestände knüpfen daher unmittelbar an die Gemeingefahr an, die der Brandstiftung nach § 306 StGB innewohnt. Auch das Ausnutzen für eine räuberische Erpressung in Nr. 2 aaO kann sich dann nur auf die mit dem Brand verbundene Gemeingefahr beziehen.
Im hier zu entscheidenden Falle aber hat der Angeklagte die durch die Brandlegung herbeigeführte gemeingefährliche Situation nicht zur weiteren Verfolgung seines Erpressungsvorhabens ausgenutzt. Zusammen mit C. suchte er nach der Brandlegung eine Gaststätte auf und beide unternahmen in der Brandnacht nichts weiter, um Y. zur Zahlung des geforderten Geldbetrages zu veranlassen. Spätere Aktivitäten in dieser Richtung aber könnten nicht als "Ausnutzen" der Brandstiftung im Sinne der hier erfolgten einengenden Auslegung dieses Begriffes angesehen werden, weil dann die gemeingefährliche Situation nicht mehr bestanden hätte.
Der Angeklagte hat daher - tateinheitlich mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung - nur den Tatbestand der schweren Brandstiftung gemäß § 306 Nr. 2 StGB erfüllt. Da weitere Feststellungen im Sinne eines Ausnutzens der durch den Brand herbeigeführten gemeingefährlichen Situation durch den Angeklagten nicht zu erwarten sind, stellt der Senat den Schuldspruch um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nach Wegfall des Tatvorwurfs des § 307 Nr. 2 StGB nicht anders als geschehen verteidigen können.
Obwohl die verhängte Strafe innerhalb des Strafrahmens des § 306 StGB liegt und dem Senat auch nicht unangemessen hoch erscheint, nötigt der Wegfall der Verurteilung nach § 307 StGB wegen der unterschiedlichen Strafrahmen beider Bestimmungen zur Aufhebung des Strafausspruches.
Nach Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden Tatvorwurfs der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 307 StGB (§ 74 Abs. 2 Nr. 16 GVG) verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGH bei Holtz MDR 1977, 810, 811; BGH NJW 1984, 1764, 1765 a.E.; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 354 Rdn. 66; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 41. Aufl. § 354 Rdn. 42).
Externe Fundstellen: BGHSt 40, 251; NJW 1994, 3304; NStZ 1995, 87; StV 1995, 132
Bearbeiter: Karsten Gaede