Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 321/93, Urteil v. 03.11.1993, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 17. Dezember 1992 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist, was die Verfahrensrügen angeht, gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Auch die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Dem Schuldspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Firma H. AG betrieb bis Mitte der 60-er Jahre in K. eine Eigendeponie für Sonderabfälle. Da diese Deponie reparaturbedürftig war und für andere Einlagerungen benötigt wurde, beantragte die Firma H. Ende 1984/Anfang 1985 beim Regierungspräsidenten in Darmstadt die nach dem Hessischen Abfallgesetz (HAbfG) erforderliche Zustimmung zur Umlagerung des bisher in K. gelagerten Abfalls in einer verdichteten Menge von ca. 122.000 cbm auf eine Hausmülldeponie der Stadt F. in D.. Die Stadt F. hatte sich hiermit unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, daß es sich um Abfälle der Kategorie I des Hessischen Abfallkatalogs - Abfälle, die in der Regel mit den in Haushaltungen anfallenden Abfällen beseitigt werden können - handelte. Eine gewisse Menge Bariumsulfatschlamm, die nach den Angaben der Firma H. ebenfalls auf die Deponie K. verbracht worden war, sollte nach ihren Vorstellungen einer anderen Sonderabfalldeponie (in O.) zugeführt werden. Der Regierungspräsident bat die Hessische Landesanstalt für Umwelt (HLfU) als Fachbehörde um Stellungnahme. Mit Schreiben vom 11. Februar 1985 teilte die HLfU durch die Zeugin F., die behördenintern zunächst die Bearbeitung der Anfrage übernommen hatte, dem Regierungspräsidenten mit, dem Vorhaben könne nicht zugestimmt werden, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß ein größerer Teil der Abfallstoffe der Kategorie II - Abfälle aus gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen, die grundsätzlich nicht in Hausmüllbeseitigungsanlagen beseitigt werden können - zuzurechnen, eine eindeutige Trennung in die Kategorien I und II infolge der Vermengung der abgelagerten Abfälle aber nicht möglich sei. Der Angeklagte, dem als Leiter eines für die Abfallbeurteilung zuständigen Dezernats bei der HLfU diese Stellungnahme behördenintern zur Kenntnis gegeben worden war, billigte diese, weil sie seiner Auffassung in vollem Umfang entsprach. Da jedoch die Firma H. dem Regierungspräsidenten gleichzeitig ein weiteres Schreiben zur Untermauerung ihres Antrags übersandt hatte, dem auch Analysen von Sickerwasserproben aus der Deponie K. beilagen, bat der Regierungspräsident die HLfU nochmals um eine Stellungnahme unter Berücksichtigung des neuen Tatsachenmaterials. In der Folgezeit fanden mehrere Gespräche zwischen Vertretern der Firma H., die wegen drohender Engpässe in ihren Deponiekapazitäten auf eine rasche Entscheidung drängten, und den beteiligten Behörden statt, an denen auch der Angeklagte teilnahm. Nach einem Ortstermin am 5. März 1985 war dem Angeklagten aufgrund eigener Inaugenscheinnahme klar, daß das Material auf der Deponie K. mit Ausnahme eines separat gelagerten Teils von ca. 5.900 cbm untrennbar vermischt war.
Gleichwohl vertrat der Angeklagte nunmehr den Standpunkt, die Trennung der Abfallstoffe nach den Kategorien I und II sei grundsätzlich möglich, mithin das gesamte Umlagerungs-Vorhaben durchführbar. Nachdem es deswegen zwischen ihm und der Zeugin F. in der HLfU zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war, bestimmte der dortige Gruppenleiter den Angeklagten zum zuständigen Dezernenten für die Erstellung der endgültigen Stellungnahme. Daraufhin verfaßte der Angeklagte unter dem 27. März 1985 ein Schreiben an den Regierungspräsidenten, das keine Ablehnung des Vorhabens mehr enthielt, sondern den Vorschlag, bei Zweifeln an der Herkunft und Beschaffenheit des Abfalls Schütteleluate vornehmen zu lassen, deren Werte bestimmte Parameter nicht übersteigen dürften. Diese Parameter waren jedoch, wie überhaupt die gesamte Untersuchungsmethode für das vorliegende Umlagerungs-Vorhaben - wie der Angeklagte wußte -, zur Erkennung von im Wasser schwer löslichen Schwermetallen und organischen Kohlenwasserstoffverbindungen ungeeignet. Entgegen den Vorschlägen von Mitarbeitern und ungeachtet der Praxis in derartigen Fällen, vorab stichprobenartige Feststoffanalysen vorzunehmen, schlug der Angeklagte eine solche Verfahrensweise nicht vor; er nahm vielmehr billigend in Kauf, daß überwiegend Abfälle der Kategorie II auf die Hausmülldeponie D. umgelagert würden.
Auf der Grundlage der neueren Stellungnahme der HLfU stimmte der Regierungspräsident, der sich insoweit mangels eigener Sachkunde allein auf die Fachbehörde verließ und im Falle einer endgültig negativen Stellungnahme den Antrag der Firma H. abgelehnt hätte, mit Bescheid vom 29. April 1985 der Umlagerung unter Anordnung der vom Angeklagten vorgeschlagenen Untersuchungsmethode zu.
Als die Umlagerung im März 1987 beendet wurde, waren mindestens 117.000 cbm von der Sonderabfalldeponie K. auf die Hausmülldeponie in D. verbracht worden, wobei es sich mit Ausnahme von ca. 5.900 cbm weit überwiegend um Abfälle der Kategorie II handelte. Dieses Material hätte aufgrund seiner umfangreichen Belastung mit Schwermetallen nur auf einer Sondermülldeponie eingelagert werden dürfen.
2. Das Landgericht macht dem Angeklagten zum Vorwurf, vorsätzlich als Täter - wie es meint: durch Unterlassen - den Tatbestand des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt zu haben, weil er es "unterlassen" habe, "die notwendigen Schutzvorkehrungen gegen eine unzulässige Beseitigung von Sonderabfall der Kategorie II auf einer Hausmülldeponie zu treffen" (UA S. 49).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB) hält der rechtlichen Nachprüfung stand; allerdings liegt seine Strafbarkeit in einem Tun begründet, nicht in einem Unterlassen.
1. Daß der Sondermüll auf die Hausmülldeponie in D. verbracht wurde, beruhte entscheidend auf der Stellungnahme des Angeklagten vom 27. März 1985. Hätte er als zuständiger Dezernent der HLfU darin das Vorhaben der Firma H. nicht der Sache nach für durchführbar erklärt, hätte der Regierungspräsident es nicht genehmigt und die Umlagerung nach D. wäre unterblieben. Die Abgabe der Stellungnahme läßt sich nur als aktives Tun begreifen.
2. Der Angeklagte hat die Schadstoffbelastung des Sondermülls vorausgesehen, gleichwohl aber die Verbringung auf die Hausmülldeponie befürwortet. Der Verantwortung für das von ihm ausgelöste Geschehen kann er sich nicht mit den Hinweisen entziehen, er habe ausreichende Sicherungsvorkehrungen veranlaßt und sei im übrigen lediglich in beratender Funktion tätig geworden.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts genügte das vorgeschlagene Eluat-Verfahren den Anforderungen nicht. Soweit die Revision vorträgt, in damals geltenden wie auch in später ergangenen technischen Richtlinien werde für Untersuchungen von Materialien im Zusammenhang mit der Abfallbeseitigung nur das vom Angeklagten vorgeschlagene Eluat-Verfahren erörtert (vgl. Teilrichtlinie EW/77, Hess. StA 1977 S. 1975; TA Abfall Teil 1 Nr. 4.4.1), übergeht sie, daß durch derartige allgemeine Hinweise nicht die Notwendigkeit ausgeschlossen wird, bei außergewöhnlichen und offensichtlich besonders gefahrenträchtigen Abfallbeseitigungsvorhaben zusätzliche Untersuchungsmethoden anzuwenden. Nach den Feststellungen des Landgerichts war es im vorliegenden Fall nicht mit einer Routinebeurteilung getan, sondern es handelte sich um den nach Umfang und Bedeutung einmaligen Fall der Beseitigung einer "Altlast" aus einer seit Jahren betriebenen Sonderabfalldeponie mit einer verdichteten Masse von ca. 122.000 cbm bei der - wie dem Angeklagten auch bewußt war - schon nach damaliger Praxis die stichprobenartige Vorprüfung am Feststoff erforderlich gewesen wäre (UA S. 18).
b) Der Umstand, daß der Angeklagte als Angehöriger der HLfU, nicht als Bediensteter des Regierungspräsidiums gehandelt hat, ist rechtlich ohne Bedeutung. Der Angeklagte hatte zur Entscheidung des Regierungspräsidenten in gleicher Weise beizutragen wie wenn er in dessen Behörde tätig gewesen wäre; auf die organisatorische Trennung der HLfU von der Genehmigungsbehörde kommt es nicht an. Ebensowenig ist es von Belang, daß die Aufgabe der HLfU im organisationsrechtlichen Sinne auf die Beratung beschränkt war; für die strafrechtliche Beurteilung entscheidend ist der tatsächliche Einfluß, den der Angeklagte auf den Geschehensablauf hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts folgte der Regierungspräsident seinen Vorschlägen ohne weitere Prüfung, und dies war ihm bekannt.
3. Nach den Feststellungen ist durch die von der Firma H. vorgenommene Umlagerung von Abfall der Kategorie II von einer Sonderabfalldeponie auf eine Hausmülldeponie der in § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzte tatbestandliche Erfolg eingetreten. Der umgelagerte Abfall war nach Art, Beschaffenheit und Menge geeignet, nachhaltig Gewässer, Luft oder Boden zu verunreinigen. Für Materialien von einer Umwelt-Gefährlichkeit jenseits der Kategorie I war die Hausmülldeponie in D. nicht zugelassen. Ob durch die Umlagerung eine konkrete Gefahr für die Umwelt eintrat, ist unerheblich. § 326 Abs. 1 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt in dem Sinne, daß schon die generelle Eignung, eines der drei genannten Schutzgüter oder Menschen zu gefährden, ausreicht (BGHSt 36, 255, 257). Ob der Tatbestand auch die Ablagerung von Abfällen außerhalb einer zugelassenen Deponie erfaßt, bei denen im Einzelfall eine Gefährdung zunächst ausgeschlossen ist (vgl. dazu BayObLG NJW 1989, 1290; Lackner, StGB 20. Aufl. § 326 Rdn. 8), kann dahingestellt bleiben. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts lag ein solcher Fall hier nicht vor. Zwar war die Hausmülldeponie mit einer Dichtwand ausgestattet. Diese mußte jedoch ständig überwacht werden und zur Aufrechterhaltung ihrer Dichtigkeit mußte der Sickerwasserspiegel durch permanentes Abpumpen niedriger als der Grundwasserspiegel gehalten werden (UA S. 48).
4. Für diesen tatbestandlichen Erfolg ist der Angeklagte als Täter verantwortlich.
Eine Straftat nach § 326 Abs. 1 StGB kann von jedermann begangen werden, also auch von einem Amtsträger. Für die strafrechtliche Beurteilung seines Verhaltens gelten die allgemeinen Grundsätze (Steindorf in LK 10. Aufl. § 324 Rdn. 52 ff; § 326 Rdn. 59). Eine eigenhändige Vornahme der umweltgefährdenden Abfallbeseitigung verlangt der Tatbestand des § 326 Abs. 1 StGB nicht. Hier haftet der Angeklagte als Mittäter oder aber als unmittelbarer Täter.
Auf der Grundlage der Feststellungen kommen zwei Sachverhalts-Varianten in Betracht:
a) Entweder die Verantwortlichen der Firma H. wußten ebenso wie der Angeklagte von Anfang an, daß das Vorhaben, aus dem verdichteten Material der Sonderabfalldeponie K. Abfälle der Kategorie II hinreichend sicher auszusondern und nur solchen der Kategorie I auf die Hausmülldeponie D. zu verbringen, nicht durchführbar war. Dies hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten unterstellt (UA S. 51). Dann bestand hierüber zumindest stillschweigendes Einverständnis zwischen dem Angeklagten und der Firma H., so daß Mittäterschaft vorliegt (§ 25 Abs. 2 StGB).
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Angeklagte an der eigentlichen Tathandlung nach § 326 Abs. 1 StGB nicht beteiligt war. Mittäterschaft kann auch durch die Beteiligung an Vorbereitungshandlungen begründet werden (BGHSt 16, 12, 14; 28, 346, 347 f; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Voraussetzung dafür ist nur, daß der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen läßt. Ob das der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beantworten. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Vorliegend war der Beitrag des Angeklagten von entscheidender Bedeutung, weil es ohne seine befürwortende Stellungnahme nicht zur Zustimmung des Regierungspräsidenten, die allein der Firma H. die unmittelbare Tatausführung ermöglichte, gekommen wäre. Der Angeklagte hatte auch ein eigenes Interesse am Erfolg; er war "bestrebt, seinem Ruf als effizienter 'Abfallmanager', den er bei Industrie- und Behördenvertretern genoß, und der bereits viele drängende Abfallprobleme praktikabel und 'unbürokratisch' schnell zu lösen verstanden hatte, 'koste es was es wolle', gerecht zu werden" (UA S. 19).
Die Rechtswidrigkeit der vom Angeklagten gemeinschaftlich mit der Firma H. begangenen Tat könnte nicht mit Blick auf eine aus dem Zustimmungsbescheid des Regierungspräsidenten vom 29. April 1985 resultierende "Befugnis" der Firma H. zur Umlagerung des Abfalls in Frage gestellt werden. Der Tatbeitrag des Angeklagten im Vorfeld der behördlichen Zustimmung war rechtswidrig; darüber hinaus wäre das Zusammenwirken des Angeklagten mit der Firma H. als gemeinschaftlicher Rechtsbruch zu beurteilen (Kollusion). Bei Kollusion zwischen dem Adressaten der Genehmigung und der Verwaltung ist aber die Ausnutzung des formell wirksamen begünstigenden Verwaltungsakts - wenn man nicht schon, allerdings abweichend von der verwaltungsrechtlichen Praxis, Nichtigkeit annimmt (Rengier, ZStW 1989, 874, 896 ff, 898; Mumberg, Der Gedanke des Rechtsmißbrauchs im Umweltstrafrecht Diss. <1989> S. 125 ff, 127) - jedenfalls ein Rechtsmißbrauch und kann deshalb aus strafrechtlicher Sicht nicht als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden (u.a. LG Hanau NJW 1988, 571, 576; Dölling JZ 1985, 461, 469; Heine NJW 1990, 2425, 2430; Otto Jura 1991, 308, 313 - und im Ergebnis wohl alle, die die sog. Verwaltungsaktakzessorietät ablehnen, vgl. etwa Schmitz, Verwaltungshandeln und Strafrecht <1992> S. 42, 43; Frisch, Verwaltungsakzessorietät und Tatbestandsverständnis <1993> S. 73, 74, 75; a.A. Lenckner, Festschrift für Pfeiffer <1988> S. 27, 38; Rogall, Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich <1991> S. 182; weitere Nachweise bei Dreher/Tröndle, StGB 46. Aufl. vor § 324 Rdn. 4 c).
b) Die andere Sachverhalts-Variante ist die, daß die Verantwortlichen der Firma H. die Umlagerung des Abfalls von der Deponie K. auf die Hausmülldeponie D. in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides des Regierungspräsidenten vornahmen. Dann fehlt es, was die Firma H. als unmittelbar Ausführende angeht, entweder schon an einer tatbestandsmäßigen Handlung (in diesem Sinne etwa Frisch a.a.O. S. 64, 117, 118), oder sie handelte bei Anwendung der Grundsätze über die Verwaltungsaktakzessorietät, wie sie überwiegend vertreten werden (Übersichten bei Dreher/Tröndle a.a.O. vor § 324 Rdn. 4 b ff; Horn in SK 4. Aufl. vor § 324 Rdn. 8 ff; Lackner a.a.O. vor § 324 Rdn. 3 ff, § 324 Rdn. 10; Cramer in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. §§ 324 ff Vorbem. 15 ff; Steindorf a.a.O. § 324 Rdn. 106), "befugt", mithin nach herrschender Meinung objektiv gerechtfertigt (vgl. BGHSt 37, 21, 29; Dreher/Tröndle a.a.O. § 324 Rdn. 7; § 326 Rdn, 10), oder sie befand sich zumindest in einem Verbotsirrtum (vgl. BGHSt 37, 21, 29; Steindorf in LK 10. Aufl. § 324 Rdn. 113 ff), wenn nicht in einem Vorsatz ausschließenden Irrtum über das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandes (Winkelbauer, Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts 1985 S. 73; Schmitz a.a.O. S. 36, 58).
In diesem Falle ist der Angeklagte mittelbarer Täter (§ 25 Abs. 1 2. Altern. StGB).
Der Senat folgt insoweit dem Ansatz der herrschenden Meinung, die bei Erteilung einer zwar materiell fehlerhaften, aber verwaltungsrechtlich gültigen Genehmigung den unmittelbar Ausführenden - allerdings überwiegend unter der hier offengelassenen Prämisse, er handele rechtmäßig - als Werkzeug des genehmigenden Amtsträgers ansieht, weil der Amtsträger durch die Genehmigung unter vorsätzlicher Mißachtung des materiellen Umweltrechts die entscheidende "Rechtsschranke" für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs öffne (im Anschluß an Horn NJW 1981, 1, 4, u.a.: OLG Frankfurt NJW 1987, 2753, 2757; Steindorf a.a.O. § 324 Rdn. 59; Kuhlen WiVerw 1992, 215, 294; a.A. u.a. Immel, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern im Umweltstrafrecht <1987> S. 107 ff, 164; Tröndle, Gedächtnisschrift für Meyer <1990> S. 607, 613 ff; Rogall, a.a.O. S. 195 ff; Schall JuS 1993, 719, 721; weitere Hinweise bei Cramer a.a.O. §§ 324 ff Vorbem. 35; Lackner a.a.O. vor § 324 Rdn. 10; Dreher/Tröndle a.a.O. vor § 324 Rdn. 6 a; Horn in SK 4. Aufl. vor § 324 Rdn. 22). Die Gegenansicht meint, es fehle an der erforderlichen Tatherrschaft des Amtsträgers, weil es allein von dem Empfänger der Genehmigung abhänge, ob er von dieser auch wirklich Gebrauch mache. Dieser Einwand greift hier jedoch nicht durch.
Unter welchen Voraussetzungen die Begehung einer Straftat "durch einen anderen" vorliegt, ist ein offenes Wertungsproblem, bei dem die Übergänge fließend sind (vgl. BGHSt 35, 347, 353). Bei wertender Beurteilung (dazu auch Frisch a.a.O. S. 65, 66 m. Fußn. 184; Hüwels, fehlerhafter Gesetzesvollzug und strafrechtliche Zurechnung <1986> S. 21; Rudolphi, Festschrift für Dünnebier <1982> S. 561, 566) ist aber kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, es einem Amtsträger, mit dessen Genehmigung die Durchführung eines Umweltverstoßes steht und fällt, nicht als Täterschaft zuzurechnen, wenn er vorsätzlich unter Verstoß gegen das Umweltrecht die Tatbestandsverwirklichung durch einen gutgläubigen Unternehmer "freigibt". Denn dadurch stellt sich aus der Sicht des Amtsträgers und auch objektiv der in Gang gesetzte Umweltverstoß als "sein Werk" dar; er ist zwar nicht unbedingt die treibende Kraft, aber infolge seines tatsächlichen und rechtlichen Überblicks über das Geschehen dessen Zentralgestalt. Normativ bestätigt wird diese Sicht durch die Erwägung, daß der Amtsträger, der eine mit dem materiellen Recht nicht zu vereinbarende Genehmigung erteilt hat, im Rahmen des rechtlich Möglichen zu deren Beseitigung verpflichtet ist, sobald er die Rechtswidrigkeit erkennt; bleibt er untätig, kann er sich ebenfalls als Täter, wenn auch durch Unterlassen, strafbar machen.
Hiernach ist mittelbare Täterschaft des Amtsträgers jedenfalls anzunehmen, wenn sein Tatbeitrag im Rahmen des Gesamtgeschehens so gewichtig ist, daß es - bei isolierter Betrachtung - täterschaftlichen Rang hat. Diese Voraussetzung liegt vor.
Die Deponie K. mußte schnell geräumt werden, weil die Abdichtung defekt war und Schadstoffe das Grundwasser verunreinigten. Der Regierungspräsident hatte der Firma H. deshalb schon Ende 1982 die Sanierung der Deponie aufgegeben. Nachdem mehrere Sanierungskonzepte verworfen worden waren, standen andere Lösungen als die Umlagerung nicht mehr zur Debatte. Andererseits benötigte die Firma das Gelände in K. dringend als Klärschlammdeponie. Wegen der gegebenen Sachzwänge war allen Beteiligten klar, daß die Umlagerung nach der Genehmigung alsbald in Angriff genommen werden mußte und nur von der Stellungnahme des Angeklagten abhing. Unter diesen Umständen lag es faktisch allein in seiner Hand zu bestimmen, ob und in welchem Ausmaß eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung vorgenommen werden konnte und vorgenommen werden würde. Darüber hinaus wäre der Angeklagte nach der Erteilung der Genehmigung verpflichtet gewesen, auf ihre Rücknahme hinzuwirken; dies ergibt sich aus seinem vorangegangenen rechtswidrigen Tun. Der Angeklagte war hiernach mittelbarer Täter.
Auch die Strafzumessung durch das Landgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Externe Fundstellen: BGHSt 39, 381; NJW 1994, 670; NStZ 1994, 432; StV 1994, 316
Bearbeiter: Rocco Beck