hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 748

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 23/25, Beschluss v. 24.04.2025, HRRS 2025 Nr. 748


BGH 2 StR 23/25 - Beschluss vom 24. April 2025 (LG Gießen)

Schuldspruchberichtigung (Qualifikationsmerkmal: nicht geringe Menge); Strafzumessung (polizeiliche Überwachung und Sicherstellung bei einem Drogengeschäft: Wegfall der Gefahr für die Allgemeinheit, bestimmender Strafzumessungsgrund).

§ 46 StGB; § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 2. September 2024

a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis und mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig ist, und

b) im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“ in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis und mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Von der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Das Rechtsmittel führt zur Berichtigung des Urteilstenors. Während das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall darstellt, den das Landgericht zutreffend im Tenor nicht zum Ausdruck gebracht hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2024 - 5 StR 1/24, Rn. 5; vom 19. Juni 2024 - 2 StR 99/24, Rn. 4; und vom 10. Juli 2024 - 6 StR 211/24, Rn. 2), handelt es sich bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG um einen Qualifikationstatbestand. Der Senat hat die gebotene, vom Landgericht indes im Urteilstenor - anders als in den Gründen - ersichtlich versehentlich unterlassene Bezeichnung des Qualifikationsmerkmals „in nicht geringer Menge“ nachgeholt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2019 - 3 StR 16/19, Rn. 1 f.). Dem steht § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht entgegen.

2. Im Übrigen hat die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch wie zu den Aussprüchen über das Unterbleiben der Maßregel und die Einziehung eines Bargeldbetrags keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Der Strafausspruch hält demgegenüber revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar liegt entgegen der Auffassung der Revision eine polizeiliche Überwachung des Drogengeschäfts im Sinne der von ihr zitierten Rechtsprechung nicht vor. Die Strafkammer hat aber den Umstand nicht berücksichtigt, dass die Betäubungsmittel und Cannabisprodukte aufgrund der polizeilichen Sicherstellung nicht in den Verkehr gelangt sind. Bei diesem Umstand handelt es sich - jedenfalls soweit Drogen zum Handeltreiben bestimmt sind - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln und Cannabis üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 2025 - 3 StR 305/24, Rn. 3 mwN).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer geringeren Strafe gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte. Die Feststellungen sind von dem bloßen Wertungsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung auch die Belastung durch die vom 20. April 2023 jedenfalls bis zum Tag des Urteils andauernde Haftverschonung des Angeklagten unter Aufenthaltsüberwachung durch eine elektronische Fußfessel in den Blick zu nehmen.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 748

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede