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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1416

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, StB 41/24, Beschluss v. 24.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1416


BGH StB 41/24 - Beschluss vom 24. Juli 2024 (OLG Frankfurt am Main)

Verwerfung der sofortigen Beschwerde gegen Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe (Rechtsschutzbedürfnis; Zustimmung zur Strafaussetzung).

§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO; § 57 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein in erster Instanz erlassener Beschluss über die Anordnung oder Versagung der Strafaussetzung wird durch die Rücknahme der in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB aufgeführten Zustimmung des Verurteilten nicht gegenstandslos.

2. Das für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung eines Beschlusses über die Versagung einer Strafaussetzung kann entfallen, wenn der Verurteilte seine ursprünglich erteilte Zustimmung zur Strafaussetzung im Beschwerdeverfahren wirksam zurücknimmt und damit zum Ausdruck bringt, dass er die Fortsetzung seiner Haft begehrt.

Entscheidungstenor

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Mai 2024 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer am 11. Mai 2023 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 4. April 2024 rechtskräftig. Den darin getroffenen Feststellungen zufolge war der Verurteilte hauptamtlicher Kader der „Arbeiterpartei Kurdistans“ („Partiya Karkêren Kurdistan“, PKK).

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrests nach der - bereits am 20. April 2024 erreichten - Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung auszusetzen, weil dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden könne (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).

Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat er seine zuvor erteilte Einwilligung zur Aussetzung der Strafvollstreckung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB widerrufen und beantragt, den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben sowie das Verfahren einzustellen.

2. Das gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig. Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis.

a) Für die beantragte Einstellung des Verfahrens ist kein Raum. Eine solche kommt analog § 206a Abs. 1 StPO zwar grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren in Betracht (s. etwa KG, Beschluss vom 25. Juli 2017 - 2 Ws 131/17 u.a., juris Rn. 1; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 21. Februar 2024 - 1 Ws 6/24, juris Rn. 2; beide mwN). Der Widerruf der Einwilligung zur Strafaussetzung bildet aber kein Verfahrenshindernis.

Die Prüfung, ob die Strafvollstreckung zum Zweidritteltermin zur Bewährung ausgesetzt wird, ergeht vielmehr von Amts wegen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1977 - 2 ARs 366/77, BGHSt 27, 302, 304; OLG Dresden, Beschluss vom 7. August 2020 - 2 Ws 362/20, juris Rn. 11 mwN). Verfahrensrechtlich bedarf es weder eines Antrags des Verurteilten noch seiner Einwilligung. Die Zustimmung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB betrifft ausschließlich den sachlichen Inhalt der Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 1977 - 2 ARs 366/77, BGHSt 27, 302, 304; vom 8. Dezember 2016 - 2 ARs 5/16, BGHR StPO § 462a Abs. 1 S. 1 Befasstsein 2 Rn. 22 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 7; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 57 Rn. 13). Widerruft der Verurteilte im Beschwerdeverfahren seine ursprünglich erteilte Einwilligung, berührt dies deshalb (nur) die materiellen Voraussetzungen der Strafaussetzung (vgl. aber KG, Beschluss vom 19. November 2018 - 5 Ws 191/18 u.a., juris Rn. 8). Ein in erster Instanz erlassener Beschluss über die Anordnung oder Versagung der Strafaussetzung wird durch die Rücknahme der Zustimmung nicht gegenstandslos (vgl. insgesamt OLG Rostock, Beschluss vom 3. Juli 2001 - I Ws 254/01, juris Rn. 6 ff.; Thüringer OLG, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 1 Ws 221/07, juris Rn. 7 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 6 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; s. auch KG, Beschluss vom 19. November 2018 - 5 Ws 191/18 u.a., juris Rn. 8). Anderenfalls hätte es der Verurteilte etwa in der Hand, einer mit der Aussetzungsablehnung verbundenen Fristsetzung nach § 57 Abs. 7 StGB, § 454 Abs. 1 Satz 1 StPO nachträglich den Boden zu entziehen.

b) Durch den angefochtenen Beschluss ist der Verurteilte in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht beschwert. Denn dadurch, dass er seine ursprünglich erteilte Zustimmung zur Strafaussetzung wirksam zurückgenommen hat - dies ist auch noch im Beschwerdeverfahren möglich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - III-2 Ws 585/13 u.a., juris Rn. 7 mwN; OLG Celle, Beschluss vom 25. August 2016 - 1 Ws 373/16 u.a., juris Rn. 13; KG, Beschluss vom 19. November 2018 - 5 Ws 191/18, juris Rn. 8; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 22b; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 8.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. April 2024 - StB 23/24, juris Rn. 3) -, hat er unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass er derzeit die Fortsetzung seiner Haft begehrt. Der angefochtene, die Strafaussetzung ablehnende Beschluss entspricht diesem Willen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für dessen Aufhebung besteht deshalb nicht (OLG Rostock, Beschluss vom 3. Juli 2001 - I Ws 254/01, juris Rn. 6 ff.; Thüringer OLG, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 1 Ws 221/07, juris Rn. 7 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; s. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 454 Rn. 45; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 35; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 22a).

Auf die formale Beschwer, die darin liegt, dass der Vollzug der Strafhaft fortgesetzt wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 69/17, OLGSt StGB § 57 Nr. 61; KG, Beschluss vom 19. November 2018 - 5 Ws 191/18 u.a., juris Rn. 6), kommt es nicht maßgebend an. Denn der angefochtene Beschluss bestimmt nur, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen haben. Die hierfür angegebenen Gründe nehmen an der Rechtskraft nicht teil (LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 454 Rn. 102). Ist - wie hier - keine Frist nach § 57 Abs. 7 StGB gesetzt, kann der Verurteilte jederzeit einen Antrag auf Strafrestaussetzung zur Bewährung stellen und auf diese Weise das Oberlandesgericht zu einer erneuten Prüfung veranlassen (vgl. PfOLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. April 2001 - 1 Ws 170/01 u.a., NStZ-RR 2001, 311; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 25, 33 mwN; Arnoldi, NStZ 2001, 503, 504).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1416

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede