HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 215
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 432/24, Beschluss v. 03.12.2024, HRRS 2025 Nr. 215
Für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Grevenbroich vom 22. Februar 2021 - 5 Ds-700 Js 2885/20-290/20 - ist das Landgericht Bonn - Strafvollstreckungskammer - zuständig.
Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Bonn und Bochum streiten darüber, welches von ihnen für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Grevenbroich vom 22. Februar 2021 zuständig ist.
1. Das Amtsgericht Grevenbroich hat gegen den einschlägig vorbestraften Verurteilten mit Urteil vom 22. Februar 2021 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine „Gesamtfreiheitsstrafe“ von sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Am 20. März 2023 ist der Verurteilte durch das Amtsgericht Aachen erneut wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, die er seit dem 22. April 2024 zunächst in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach verbüßt hat.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach am 13. Mai 2024 beim Amtsgericht Grevenbroich beantragt hat, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, hat das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 29. Mai 2024 gemäß §§ 462a, 453 ff. StPO an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn abgegeben, weil der Verurteilte in deren Bezirk einsitzte.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn hat das Verfahren zunächst mit Verfügung vom 13. Juni 2024 übernommen, sich anschließend jedoch mit Beschluss vom 17. Juli 2024 für unzuständig erklärt und die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum abgegeben, weil der Verurteilte schon am 11. Juni 2024 in die Justizvollzugsanstalt Bochum verlegt worden war.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat sich mit Beschluss vom 20. September 2024 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
2. Der Bundesgerichtshof ist nach § 14 StPO als gemeinschaftliches oberes Gericht der Landgerichte Bonn (Bezirk des Oberlandesgerichts Köln) und Bochum (Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm) zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.
3. Für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Grevenbroich vom 22. Februar 2021 ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO das Landgericht Bonn - Strafvollstreckungskammer - zuständig, da in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Landgericht mit der Sache befasst war, aufgenommen war. Die Verlegung des Verurteilten am 11. Juni 2024 in die Justizvollzugsanstalt Bochum steht dem nicht entgegen.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 28. Oktober 2024 u.a. ausgeführt:
„Mit Beginn der Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 20. März 2023 erkannten Strafe in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach wurde die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn auch für die nachträglichen Entscheidungen zuständig, die sich auf die im Urteil des Amtsgerichts Grevenbroich vom 22. Februar 2021 in anderer Sache gewährte Strafaussetzung beziehen (§ 462a Abs. 4 S. 3 StPO). Die genannte Strafvollstreckungskammer ist auch mit der Widerrufsfrage befasst worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie noch während des Aufenthalts des Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach bis zum 11. Juni 2024 durch den Eingang des Bewährungshefts vom Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach Kenntnis hatte […]. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass sie das Verfahren vom Amtsgericht Grevenbroich erst übernommen hat, nachdem der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt Bochum verlegt worden war. Denn für den Zeitpunkt des „Befasstwerdens“ im Sinne des § 462a Abs. 1 StPO genügt der Eingang eines Antrags bei einem Gericht, das für die Entscheidung allgemein zuständig sein könnte (Senat, Beschlüsse vom 15. Oktober 1975 - 2 ARs 296/75 -, BGHSt 26, 214-217; vom 11. Juli 1984 - 2 ARs 213/84). Gerichte in diesem Sinne sind das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 S. 1 StPO) und die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, in deren Bezirk der Verurteilte einsitzt. Mit Eingang des Antrags der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach beim Amtsgericht Grevenbroich während der Zuständigkeitsdauer der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn war diese daher im Sinne des § 462a Abs. 1 StPO mit der Sache befasst
“.HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 215
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede