hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 529

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 325/24, Beschluss v. 19.11.2024, HRRS 2025 Nr. 529


BGH 2 StR 325/24 - Beschluss vom 19. November 2024 (LG Wiesbaden)

Revisionsbeschränkung (Ausklammerung der Maßregelanordnung); Anordnung des Vorwegvollzugs (Berechnung der Dauer; Berichtigung in der Revisionsinstanz: Verschlechterungsverbot).

§ 57 StGB; § 67 StGB; § 339 StPO; § 352 StPO; § 354 StPO

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30. Januar 2024 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Ausspruch über die Anordnung des Vorwegvollzugs dahin geändert wird, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Vollziehung von drei Jahren und acht Monaten der verhängten Freiheitsstrafe angeordnet wird.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Unterbringung zwei Jahre und drei Monate der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Dagegen richtet sich die - auf den Schuld- und Strafausspruch beschränkte - Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

I.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tötete der drogenabhängige Angeklagte am 2. Mai 2023 einen anderen mit einem Messerstich in die Brust. Dabei war der Angeklagte aufgrund einer akuten Intoxikation nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

II.

1. Die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung des Maßregelausspruchs ist unwirksam, weil hier zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, mit dem die Maßregelanordnung untrennbar verbunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2024 - 2 StR 134/23, Rn. 4). Die Feststellung einer Symptomtat ist unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung und damit auch für die Anordnung des Vorwegvollzugs.

2. Gegen den Schuld- und Strafausspruch ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

3. Auch die - auf der Grundlage des zum 1. Oktober 2023 geänderten Rechts - getroffene Maßregelentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Lediglich die Anordnung des Vorwegvollzugs bedarf der Korrektur. Der Generalbundesanwalt hat dazu zutreffend ausgeführt:

„Das Landgericht hat sich bei der Berechnung der Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe am „Halbstrafenzeitpunkt“ orientiert (UA S. 77). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Berechnung wäre bei Anwendung der zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung (30. Januar 2024) geltenden Fassung des § 67 StGB (seit dem 1. Oktober 2023 geltende Fassung des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - vom 26. Juli 2023 [BGBl. 2023 I Nr. 203]) allerdings die Erledigung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gewesen, § 67 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2024 - 3 StR 370/23 -, juris Rn. 17 mwN). Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 67 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 StGB i.V.m. § 57 Abs. 2 StGB analog mit der daran anknüpfenden Berechnung anhand des Halbstrafenzeitpunkts sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Bei zutreffender Berechnung ergibt sich daher eine Dauer des Vorwegvollzugs von drei Jahren und acht Monaten ([8 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe {= 102 Monate} x 2/3] - 2 Jahre Unterbringungsdauer = 68 Monate - 24 Monate = 44 Monate).

Der Senat berichtigt die Anordnung in entsprechender Anwendung von § 354 StPO. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen; die Änderung ergeht zu Gunsten des Angeklagten, weil die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des Therapieerfolgs dienen (BGH, Urteil vom 27. März 2024 - 3 StR 370/23, Rn. 18 mwN).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 529

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede