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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 188

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 272/24, Urteil v. 18.12.2024, HRRS 2025 Nr. 188


BGH 2 StR 272/24 - Urteil vom 18. Dezember 2024 (LG Frankfurt am Main)

Besonders schwerer Raub; selbständige Einziehung (Verfahrensbeschränkung; Antrag der Staatsanwaltschaft); Einziehung von Tatmitteln.

§ 250 Abs. 2 StGB; § 76a Abs. 1 StGB; § 74 Abs. 3 StGB; § 76a Abs. 3 StGB; § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Wird ein Verfahren im Hauptverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO beschränkt, ist insoweit für eine Einziehung im objektiven Verfahren gemäß § 76a Abs. 1 und Abs. 3 StGB ein eindeutiger Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlich. Dafür bedarf es zwar weder eines schriftlichen Antrags noch - anders als sonst - weitergehender Angaben zur Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände sowie zu den Tatsachen, welche die Zulässigkeit der selbstständigen Einziehung begründen. Allein die Erwähnung der Einziehungsgegenstände in der Anklage und im Schlussantrag der Staatsanwaltschaft („Einziehung der sichergestellten Gegenstände“) genügt indes nicht für die Annahme eines hinreichend eindeutigen Antrags nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2024 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes schuldig ist und die Einziehung des Betäubungsmittels (0,1 Gramm Crack) aufgehoben wird und entfällt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten „des schweren Raubes, der gefährlichen Körperverletzung tateinheitlich mit Diebstahl sowie tateinheitlich mit Bedrohung und der Beleidigung“ schuldig gesprochen und ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem hat es „die Einziehung des unter VNr. ST/0891648/2023 Lfd Nr. 01 sichergestellten Rauschgifts (0,1g Crack) und des unter VNr. ST/0892219/2023 Lfd. Nr. 01 sichergestellten schwarzen Multitools“ angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Korrektur des Schuldspruchs und der Einziehungsentscheidung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Am späten Nachmittag des 30. Juli 2023 traf der Angeklagte im Bereich des F. er Hauptbahnhofs auf den Drogen konsumierenden H. Er hielt ihm die ausgeklappte Messerklinge eines schwarzen Multitools mit einer Klingenlänge von ca. 5 cm vor das Gesicht. Sodann entnahm er dessen Tasche 10 € und mehrere Feuerzeuge, um diese für sich zu behalten, was H., wie vom Angeklagten beabsichtigt, unter dem Eindruck der Bedrohung zuließ (Fall II.1 der Urteilsgründe).

Um 23.15 Uhr desselben Tages (Fall II.2 der Urteilsgründe) traf der Angeklagte auf den ihm ebenfalls unbekannten W., entriss diesem einen Becher, der erbetteltes und durch Pfandabgaben erlangtes Geld in Höhe von etwa 25 € enthielt, und lief weg. Der ihn verfolgende W. konnte den Angeklagten wenig später erreichen und an der Jacke festhalten. Während der Angeklagte versuchte, sich dem Zugriff zu entziehen, zog er das zuvor bereits eingesetzte Multitool aus seiner Gesäßtasche, klappte das Messer aus und verletzte damit, was er billigend in Kauf nahm, im entstandenen Gerangel W. an der Hand. Nachdem der Angeklagte W. das Messer vorgehalten und „visage, visage“ gesagt hatte, konnte er erneut fliehen, kurz hierauf aber von zwei Polizeibeamten - die er im Folgenden beleidigte (Fall II.3 der Urteilsgründe) - festgenommen werden; bei ihm wurden das Multitool und 0,1 Gramm Crack aufgefunden und sichergestellt.

II.

Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nur hinsichtlich der Einziehung von 0,1 Gramm Crack erbracht. Zudem ändert der Senat den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe wie aus dem Tenor ersichtlich.

1. Die Strafkammer hat den Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe des schweren Raubes schuldig gesprochen. Sie hat zwar erkannt, dass der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt ist, jedoch übersehen, die Tat im Tenor als besonders schweren Raub zu bezeichnen. Dies holt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ohne Verstoß gegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nach (vgl. nur BGH, Beschluss vom 1. März 2023 - 4 StR 306/22, Rn. 8 mwN). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die unter Hinweis auf Ausführungen eines Sachverständigen nur knapp begründete Annahme, in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten mit Blick auf dessen Betäubungsmittelabhängigkeit und wegen eines nicht auszuschließenden starken Suchtdrucks („craving“) nicht ausschließbar erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht; dass der Angeklagte schuldunfähig gewesen sein könnte, kann der Senat nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausschließen.

3. Die Einziehungsentscheidung hat nur teilweise Bestand.

a) Die Einziehung des näher bezeichneten Betäubungsmittels (0,1 Gramm Crack) hat zu entfallen. Das Verfahren wurde insoweit gemäß § 154 Abs. 2 StPO beschränkt, eine Einziehung kommt daher nur im objektiven Verfahren gemäß § 76a Abs. 1 und Abs. 3 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2023 - 2 StR 259/23, Rn. 4 mwN). Es fehlt indes an einem hierzu erforderlichen, eindeutigen Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO. Da die Verfahrenseinstellung hinsichtlich der der Einziehung zugrundeliegenden und in der Anklage enthaltenen Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hauptverfahren vorgenommen worden war, bedurfte es hier zwar weder eines schriftlichen Antrags noch - anders als sonst - weitergehender Angaben zur Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände sowie zu den Tatsachen, welche die Zulässigkeit der selbstständigen Einziehung begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2024 - 5 StR 424/23, NJW 2024, 3080, 3081 mwN). Allein die Erwähnung der Einziehungsgegenstände in der Anklage und im Schlussantrag der Staatsanwaltschaft („Einziehung der sichergestellten Gegenstände“) genügt bei der hier gegebenen Sachlage indes nicht für die Annahme eines hinreichend eindeutigen Antrags nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 4 StR 221/22, wistra 2023, 209, 210).

b) Die Einziehung des näher bezeichneten Multitools ist demgegenüber rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist die Einziehung von Tatmitteln nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 StGB). Indes sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das vom Angeklagten mitgeführte und bei ihm sichergestellte Multitool einem anderen gehörte, so dass sich die Urteilsgründe - ausnahmsweise - nicht zu den Eigentumsverhältnissen verhalten mussten.

4. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 188

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede