HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1467
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 210/24, Beschluss v. 15.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1467
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 14. Dezember 2023, soweit er verurteilt ist,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen schuldig und im Übrigen freigesprochen. Unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Urteilen hat es ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte im Frühjahr des Jahres 2020 mit Cannabisprodukten im Kilobereich. Die Kommunikation mit seinem Geschäftspartner erfolgte mit einem Mobiltelefon des Dienstleisters Encro Chat, wobei er unter dem Pseudonym „t.“ agierte.
Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
1. Am 14. April 2020 bot der Angeklagte unter dem Pseudonym „t.“ dem unter dem Decknamen „l.“ agierenden K. über Encro Chat mindestens sechs Kilogramm Haschisch bzw. Marihuana mit einem THC-Gehalt von mindestens 10 % zum Kauf an. Da das Geschäft nicht zustande kam, veräußerte der Angeklagte das Rauschgift gewinnbringend noch am selben oder darauffolgenden Tag zu einem Verkaufspreis von mindestens 4.300 Euro/kg an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer.
2. Zwischen dem 18. und 23. April 2020 veräußerte der Angeklagte fünf Kilogramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von mindestens 10 %, das er zuvor erfolglos am 17. April 2020 K. angeboten hatte, für mindestens 4.400 Euro/kg an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer.
3. Am 23. April 2020 veräußerte der Angeklagte - zunächst dem K. angebotene - 8,5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % für mindestens 4.200 Euro/kg an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer.
1. Die erhobene Formalrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
2. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zur Neufassung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs.
a) Nach dem am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) fällt, was der Senat als im konkreten Fall milder nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat, der Umgang mit Cannabis nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz, sondern allein unter das Konsumcannabisgesetz. Bei Marihuana und Haschisch handelt es sich um Produkte der Cannabispflanze, die nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst werden (§ 1 Nr. 4 und 5 KCanG).
Das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Tatgeschehen ist nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 53 StGB zu würdigen. Dass sich die Taten jeweils auf ein Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge bezogen (zum Grenzwert der nicht geringen Menge nach dem KCanG vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, Rn. 17 ff. und vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, Rn. 11 ff.), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar, der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
b) Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe, weil der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG deutlich milder ist. Der Senat kann trotz des beachtlichen Schuldumfangs, der vorliegend im Handel mit großen Marihuanamengen begründet ist, und trotz des Umstandes, dass das Landgericht die mindere Gefährlichkeit der gehandelten Rauschmittel ausdrücklich in den Blick genommen hat („weiche Droge“), nicht ausschließen, dass es bei Anwendung der Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzel- und damit auch eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
3. Die Einziehungsentscheidung bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt und hat Bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2024 - 2 StR 39/24 mwN, Rn.8).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1467
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede