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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1306

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 116/24, Beschluss v. 04.06.2024, HRRS 2024 Nr. 1306


BGH 2 StR 116/24 - Beschluss vom 4. Juni 2024 (LG Hanau)

Handeltreiben mit Cannabis.

§ 34 KCanG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 14. November 2023

a) dahin abgeändert, dass

aa) beide Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis schuldig sind,

bb) gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 132.046,90 Euro angeordnet wird; die weitergehenden Einziehungsanordnungen entfallen,

b) aufgehoben im Ausspruch zu

aa) den Einzelstrafen,

bb) den Gesamtstrafen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt und angeordnet, dass jeweils drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Ferner hat es gegen beide Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 135.826 Euro als Gesamtschuldner angeordnet. Die bei beiden Angeklagten auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen haben die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge, im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

1. Den Verurteilungen liegen folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde:

a) Die Angeklagten erwarben am 19. März 2021 von einem unbekannten Lieferanten 10 kg Marihuana guter Qualität für 43.000 Euro, die sie auf dem Dachboden eines Gebäudes in der R. straße 10 in B. sowie in einer Scheune auf dem Grundstück R. straße 7 in B. neben weiteren dort befindlichen Drogen lagerten. Sie verkauften das Marihuana in der Folge an unterschiedliche Abnehmer für insgesamt 44.300 Euro. Am 6. Mai 2021 kauften beide Angeklagten bei einem gesondert verfolgten Lieferanten 1 kg Kokain guter Qualität für 33.000 Euro, welches sie in die Scheune in der R. straße 7 in B. lagerten. Später verkauften sie das Kokain für insgesamt 37.000 Euro (Fall II.1 der Urteilsgründe).

Ende Mai 2021 verfügten beide Angeklagten über keine Drogenvorräte in den genannten Räumlichkeiten. Sie erwarben am 1. Juni 2021 von dem gleichen Verkäufer 10 kg Marihuana guter Qualität. Sie bunkerten diese auf dem Dachboden des Gebäudes in der R. straße 10 in B. Sie veräußerten in der Folge 8 kg des Marihuanas für 35.300 Euro an verschiedene Abnehmer. Am 4. Juni 2021 kauften sie 993 g Kokain guter Qualität, das sie ebenfalls auf den Dachboden des vorgenannten Gebäudes verbrachten. Später verkauften sie hiervon 427,55 g an unterschiedliche Abnehmer für insgesamt 15.446,90 Euro. Das verbleibende Kokain sowie das restliche Marihuana konnten anlässlich einer Durchsuchung am 7. Juni 2021 sichergestellt werden (Fall II.2 der Urteilsgründe).

Das von den Angeklagten gehandelte Marihuana hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 14,2 % Tetrahydrocannabinol (THC), das Kokain einen solchen von rund 82 % Kokainhydrochlorid (KHC).

b) Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Art und Weise der jeweiligen Besitzausübung an dem Marihuana und dem Kokain die Annahme einer einheitlichen Tat rechtfertige. Sie hat die Angeklagten, entsprechend der bis zum 31. März 2024 gültigen Rechtslage, daher wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt.

2. Der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht Stand.

a) Zunächst war der Schuldspruch in beiden Fällen der Urteilsgründe an die Änderung durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsgerichtlichen Kontrolle abzustellen ist. Danach haben sich die Angeklagten zunächst in beiden Fällen aufgrund des An- und (teilweisen) Verkaufs von jeweils 1 kg Kokain des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht. Hinzu tritt jeweils tateinheitlich eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Cannabis in Form von je 10 kg Marihuana nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG.

b) Die Einziehungsentscheidung war, wie die Strafkammer selbst in den Urteilsgründen offengelegt hat, rechnerisch auf die Summe der festgestellten Verkaufserlöse zu reduzieren.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). § 265 Abs. 1 StPO steht einer Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich die geständigen Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.

3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat das Handeltreiben von jeweils 10 kg Marihuana, ebenso wie das Handeltreiben mit jeweils 1 kg Kokain, dem Regelungsregime des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unterstellt. Auch wenn die Einzelstrafen in beiden Fällen wiederum aus den Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes zuzumessen sein werden, kann der Senat angesichts des deutlich verringerten Strafrahmens in § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG (siehe zum Strafrahmenvergleich BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 2 StR 176/08, Rn. 4) und der erheblichen Menge des gehandelten Marihuanas nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung neuen Rechts von einem geringeren Schuldumfang ausgegangen und zu milderen Einzelstrafen gelangt wäre.

Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Kompensationsentscheidung wird von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 2 StR 291/19, Rn. 27 mwN).

4. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1306

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede