HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 658
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, AK 14-123, Beschluss v. 05.04.2023, HRRS 2023 Nr. 658
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.
Die Angeschuldigten wurden am 16. Mai 2022 (E.), 17. Mai 2022 (K.) und 18. Mai 2022 (C.) aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2022 (C. [6 BGs 42/22], E. [6 BGs 40/22]) und 13. Mai 2022 (K. [6 BGs 45/22]) festgenommen. Seit dem 17. Mai 2022 (E.) bzw. 18. Mai 2022 (C., K.) wird gegen sie ununterbrochen Untersuchungshaft vollzogen.
Jeweiliger Gegenstand der Haftbefehle ist der Vorwurf, der bzw. die Beschuldigte habe sich an verschiedenen Orten der Bundesrepublik Deutschland als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi - DHKPC) beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, und zwar - der Angeschuldigte C. spätestens seit September 2015 insbesondere in A., F., M., N., S., St. und U., - die Angeschuldigte E. spätestens seit Januar 2003 insbesondere in F., Kö., Ma. und O., darüber hinaus im Ausland, nämlich in Amsterdam (Niederlande) und Istanbul (Türkei), sowie - der Angeschuldigte K. von Sommer 2014 bis Dezember 2018 insbesondere in B., Br. und H. .
Der Generalbundesanwalt hat gegen die Angeschuldigten am 2. Januar 2023 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Der mit der Sache befasste Strafsenat hat am 2. März 2023 beschlossen, er halte die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich.
Hinsichtlich aller drei Angeschuldigten liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer auch über neun Monate hinaus vor.
1. Was den Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens, den dringenden Tatverdacht, die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität sowie die Versagung einer Haftverschonung betrifft, wird auf den Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2022, ergänzend auf die Anklageschrift vom 22. Dezember 2022 verwiesen, insbesondere das dort ausführlich dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen.
2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 1 und 4 Satz 2 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin den Vollzug der Untersuchungshaft. Auch nach der Vorlage zur Sechsmonatshaftprüfung ist das Verfahren hinreichend gefördert worden:
a) Die genügend zügige Anklageerhebung zum Oberlandesgericht datiert auf den 2. Januar 2023. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats hat noch an demselben Tag die Zustellung der Anklageschrift an die Verteidiger verfügt und ihre Übertragung in die türkische Sprache veranlasst. Nachdem diese Übersetzung am 17. Februar 2023 beim Gericht eingegangen war, ist sie den Angeschuldigten am 22. Februar 2023 (C., E.) bzw. 23. Februar 2023 (K.) jeweils mit einer Stellungnahmefrist bis zum 9. März 2023 zugestellt worden. Der Vorsitzende hat mit den Verfahrensbeteiligten für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens den ersten Termin der Hauptverhandlung für den 18. April 2023 und 49 mögliche Folgetermine bis Anfang September 2023 abgesprochen.
Soweit die Verteidiger der Angeschuldigten E. und K. geltend machen, die Verfahrensfairness mache es erforderlich, dass sich die Entscheidung über die Zulassung der Anklage und der Beginn der Hauptverhandlung verzögerten, weil die Übersetzung der Anklageschrift in die türkische Sprache an schwerwiegenden Mängeln leide, rechtfertigt dies keine abweichende Bewertung. Denn über das weitere Vorgehen hat das Oberlandesgericht zu befinden. Im Haftprüfungsverfahren ist der Senat hierzu weder berufen, noch ist ihm die verlässliche Beurteilung der künftigen Verfahrensentwicklung überhaupt möglich.
b) Gleichzeitig hat das Bundeskriminalamt die Auswertung der bei den Durchsuchungen sichergestellten umfangreichen Beweismittel, insbesondere der auf elektronischen Datenträgern gespeicherten Dateien, weiterbetrieben. Es hat angekündigt, hierüber gefertigte Vermerke Anfang April 2023 vorzulegen.
Hinsichtlich des Umfangs der erforderlichen Auswertungsarbeiten wird auf den Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2022 verwiesen. Ohne Erfolg weist der Verteidiger der Angeschuldigten E. darauf hin, dass der Vermerk des Bundeskriminalamts vom 3. März 2023 keine Angaben enthält, wonach die weitere Auswertung der Dateien Erkenntnisse über die Angeschuldigte erbracht hat. Denn dies könnte unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensförderung allenfalls dann bedeutsam sein, wenn - wofür nichts spricht - weitere Ermittlungsergebnisse von vorneherein unwahrscheinlich waren. Ungeachtet dessen würde unter den gegebenen Umständen eine Abtrennung des Verfahrens, soweit es sich gegen die Angeschuldigte richtet, schon nicht zu dessen Beschleunigung führen; darüber hinaus wäre ein solches Vorgehen mit Blick auf die Tatvorwürfe und die bisherige Beweislage nicht sachgerecht.
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit für keinen der Angeschuldigten außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 658
Bearbeiter: Fabian Afshar