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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 406

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 446/23, Beschluss v. 21.12.2023, HRRS 2024 Nr. 406


BGH 2 ARs 446/23 (2 AR 199/23) - Beschluss vom 21. Dezember 2023

Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht (Jugendsache; Vollstreckung der Restjugendstrafe: Vollstreckungsleiter, Zuständigkeit).

§ 2 JGG; § 85 JGG; § 84 JGG; § 14 StPO

Entscheidungstenor

Die Vollstreckung der Restjugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 25. März 2019 in Verbindung mit dem Beschluss des Amtsgerichts Norderstedt vom 7. Juli 2020 obliegt dem Jugendrichter beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg.

Gründe

Der Jugendrichter des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg und die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kiel streiten über die Zuständigkeit für die weitere Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe.

I.

Das Jugendschöffengericht Norderstedt hat den Angeklagten durch Urteil vom 25. März 2019 u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die von dem Landgericht Kiel als Berufungskammer mit Urteil vom 9. Januar 2020 auf ein Jahr und ein Monat reduziert wurde. Mit Beschluss vom 7. Juli 2020 hat das Jugendschöffengericht Norderstedt sodann unter Einbeziehung eines weiteren Urteils eine neue Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet.

Nachdem der Verurteilte am 21. Mai 2021 der Jugendanstalt S. zugeführt worden war, setzte die Jugendrichterin beim Amtsgericht Schleswig als Vollstreckungsleiterin die Vollstreckung der Reststrafe durch Beschluss vom 21. April 2022 zur Bewährung aus und gab die Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG an den Jugendrichter beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg ab. Da der Verurteilte an seiner mit geteilten Anschrift in H. nicht feststellbar war, übertrug das Amtsgericht Schleswig die Vollstreckung - unter Widerruf der zuvor erfolgten Abgabe - mit Beschluss vom 16. Juni 2022 auf das Amtsgericht Norderstedt, bevor es auch diese Abgabeentscheidung widerrief und die Vollstreckung mit Beschluss vom 1. August 2022 ein weiteres Mal an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg abgab.

Da die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kiel mit Beschluss vom 2. März 2023 eine mit Urteil des Strafrichters am Amtsgericht Norderstedt vom 13. Juli 2021 zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe widerrufen hatte, „übertrug“ der Jugendrichter des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg mit Beschluss vom 12. September 2023 ihr die „Bewährungsaufsicht“ gemäß „§ 462 Abs. 1 StPO“. Das Landgericht Kiel lehnte eine „Übernahme der Bewährungsaufsicht“ mit Beschluss vom 5. Oktober 2023 ab. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß „§ 19 StPO“ zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg (Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts) und des Landgerichts Kiel (Bezirk des Oberlandesgerichts Schleswig) gemäß § 14 StPO, § 2 Abs. 2 JGG zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts berufen.

2. Die Vollstreckung der Restjugendstrafe obliegt dem Jugendrichter beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 13. November 2023 u.a. ausgeführt:

„Für die Vollstreckung einer Jugendstrafe ist grundsätzlich der Jugendrichter Vollstreckungsleiter, und zwar, solange der Verurteilte noch nicht in eine Jugendstrafanstalt aufgenommen worden ist, der in den §§ 82, 84 JGG bezeichnete, nach diesem Zeitpunkt der für die Jugendstrafanstalt nach § 85 Abs. 2 JGG zuständige Jugendrichter (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2017 - 2 ARs 348/16, juris Rn. 7). Da der Verurteilte einen Teil der Jugendstrafe in der Jugendanstalt Schleswig verbüßt hat, wurde mit der Aufnahme des Verurteilten in diese Jugendstrafanstalt die Jugendrichterin des Amtsgerichts Schleswig für die weitere Vollstreckung zuständig.

Diese gemäß § 85 Abs. 2 JGG begründete Zuständigkeit wurde weder durch die vorzeitige Entlassung des Verurteilten aus der Jugendstrafanstalt noch durch die gemäß § 85 Abs. 5 JGG erfolgten Übertragungen der Vollstreckung beseitigt. Das Amtsgericht Schleswig blieb „Herr des Verfahrens“, denn die Abgabe nach § 85 Abs. 5 JGG ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung stets widerruflich (Senat, Beschluss vom 20. April 2017 - 2 ARs 348/16, juris Rn. 7 mwN). Dem lediglich gemäß § 85 Abs. 5 JGG mit der Vollstreckungsleitung beauftragten Jugendrichter ist eine unmittelbare Weitergabe der Vollstreckung verwehrt (Senat aaO). Der Jugendrichter beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg konnte die Vollstreckung daher nicht an das Landgericht Kiel abgeben.

Abgesehen davon hat auch die Tatsache, dass der Verurteilte in einem gesonderten Verfahren zwischenzeitlich nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, deren Aussetzung zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kiel widerrufen wurde, an der Zuständigkeit des Jugendrichters nichts geändert, weil sich der in § 462 a Abs. 4 StPO enthaltene Konzentrationsgrundsatz nicht auf die Vollstreckung von Jugendstrafen erstreckt. Der Sonderfall der Abgabe der Vollstreckung einer im Erwachsenenvollzug vollzogenen Jugendstrafe an die Staatsanwaltschaft gemäß § 85 Abs. 6 Satz 1 JGG, in dem ausnahmsweise die Strafvollstreckungskammer zuständig wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 1997 - 2 ARs 481/96, juris Rn. 8), liegt hier nicht vor.“

Dem tritt der Senat bei.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 406

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede