HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 403
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 478/23, Beschluss v. 10.01.2024, HRRS 2024 Nr. 403
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 23. August 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts überwies die mittlerweile verstorbene Großmutter des Angeklagten dessen Eltern einen Betrag von 2.500 Euro, die dem Angeklagten zugutekommen sollten. Dabei sollten die Eltern des Angeklagten das Geld verwalten und es ihm nur bei Bedarf unter der „Bedingung“ zukommen lassen, dass der Angeklagte das Geld nicht für den Kauf von Drogen verwende. Von dem ursprünglichen Betrag waren nach vorangegangenen Auszahlungen noch 500 Euro offen.
Am Morgen des 2. November 2021 verspürte der Angeklagte nach dem Konsum von Marihuana noch Suchtdruck und wollte sich weiteres Marihuana kaufen. Da er hierfür jedoch nicht über das erforderliche Bargeld verfügte, entschloss er sich dazu, von seinen Eltern 500 Euro aus dem „Nachlass“ seiner verstorbenen Großmutter unter Drohung mit einem Klappmesser herauszuverlangen. Dabei hielt er es für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass er auf die Auszahlung des Geldes zum Zwecke des Drogeneinkaufs keinen Anspruch hatte. Seinem Plan entsprechend begab sich der Angeklagte in die Wohnung seiner Eltern. Er holte, da er aufgrund seiner substanzinduzierten Psychose das wahnhafte Gefühl hatte, dass seine Eltern ohnehin gegen ihn eingestellt seien und ein Gespräch mit ihnen daher keinen Erfolg haben könne, umgehend das Messer aus seiner Hosentasche, fuchtelte damit vor seiner Mutter herum und forderte sie auf, ihm 500 Euro zu geben, andernfalls werde er sie „abstechen“. Die Mutter des Angeklagten kam der Forderung nach und händigte ihm 500 Euro in bar aus.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Verurteilung wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Annahme des Landgerichts, die von dem Angeklagten beabsichtigte Bereicherung sei rechtswidrig gewesen, weil das dem Angeklagten ausgezahlte Geld zwar tatsächlich „von seiner Großmutter für ihn materiellrechtlich bestimmt gewesen“ sei, dieser „Auszahlungsanspruch des Angeklagten gegen seine Eltern nach dem Willen seiner Großmutter“ aber unter der Bedingung gestanden habe, „dass der Angeklagte das Geld nicht für Drogen verwenden dürfe“, ist nicht hinreichend beweiswürdigend unterlegt.
Das Landgericht hat dies zum einen auf die Erwägung gestützt, der Angeklagte habe nicht bestritten, dass die Auszahlung des Geldes unter der genannten Bedingung gestanden habe. Zum anderen seien die Ausführungen des Vaters des Angeklagten „absolut plausibel und nachvollziehbar“. Hätte die Großmutter dem Angeklagten das Geld ohne Bedingungen zukommen lassen wollen, so hätte sie es ihm bei lebensnaher Betrachtung direkt gegeben, statt den „Umweg“ über seine Eltern zu gehen.
Diese Erwägungen vermögen nicht, die Annahme der festgestellten Bedingung zu tragen. Es mag zum einen dahinstehen, ob einem fehlenden Bestreiten durch den Angeklagten ein maßgeblicher Beweiswert zukommen kann. Denn der Sache nach hat der Angeklagte das Bestehen einer solchen Bedingung in Abrede gestellt, wenn er - was das Landgericht an anderer Stelle ausführt - behauptet, davon ausgegangen zu sein, dass ihm das von ihm geforderte Geld zur freien Verfügung gestanden, er also einen Anspruch auf Auszahlung gehabt habe. Zum anderen ergibt sich aus den Angaben des Vaters des Angeklagten, die das Landgericht als „absolut plausibel“ angesehen hat, gerade nicht die von der Strafkammer angenommene Bedingung. Dieser hat nämlich lediglich bekundet, das Geld sei von der Großmutter mit der Maßgabe überwiesen worden, dass die Mutter des Angeklagten das Geld verwalten und dem Angeklagten zukommen lassen sollte, damit dieser „nicht gleich das gesamte Geld für Drogen“ ausgebe. Eine Bedingung, dass der Angeklagte das Geld überhaupt nicht für Drogen verwenden dürfe, lässt sich dieser Aussage des Vaters nicht entnehmen. Schließlich kann allein der Umstand, dass die Großmutter dem Angeklagten das Geld nicht direkt zukommen ließ, nicht den Schluss rechtfertigen, dass die „Großmutter verhindern wollte, dass ihr geschenktes Geld durch den Angeklagten für dessen Drogenkonsum missbraucht wird“. Es gibt insoweit weitere Erklärungen für ein solches Vorgehen, die die Strafkammer in ihre Erwägungen hätte einbeziehen müssen, etwa, dass die Großmutter des Angeklagten mit dessen Eltern zu seinen Gunsten einen Vertrag über die treuhänderische Verwahrung des zugewandten Betrages geschlossen und dem Angeklagten schenkweise einen unbedingten Anspruch auf Auszahlung gegen seine Eltern abgetreten hatte, wobei die Abtretung im Sinne einer bloßen „Wunschschenkung“ derart mit einem Wunsch oder Rat der schenkenden Großmutter- keine Verwendung des Geldes zum Kauf von Betäubungsmitteln - verknüpft war, dass die Nichtbeachtung des Wunsches keine Rechtsfolgen auslöste (vgl. MünchKommBGB/Koch, 9. Aufl., § 518 Rn. 22 mit § 525 Rn. 8).
2. Erweist sich die Beweiswürdigung zur vom Landgericht angenommenen Auszahlungsbedingung als nicht tragfähig, kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Stellte sich die (erzwungene) Übergabe des Geldes als die Erfüllung des „materiellrechtlichen Auszahlungsanspruchs“ dar, wäre das Herausverlangen des Angeklagten auf die Erfüllung eines unbedingten und einredefreien Anspruchs gerichtet gewesen. In diesem Fall fehlt es bereits an einem Vermögensnachteil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 ‒ 1 StR 467/17, NStZ-RR 2018, 316, 317) bzw. an dem zur Tatbestandserfüllung erforderlichen normativen Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Bereicherung und damit an der Bereicherungsabsicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2003 ‒ 4 StR 318/03, NStZ-RR 2004, 45).
Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass im neuen Rechtsgang Feststellungen getroffen werden können, die zur Annahme einer vollendeten oder versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung führen können.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Vorsatz des Angeklagten eingehenderer Erörterung bedarf, vor allem mit Blick darauf, dass eine ausdrückliche Kenntnis des Angeklagten von einer Auszahlungsbedingung bisher nicht festgestellt ist und der Angeklagte zutreffend davon ausgegangen ist, dass von dem von der Großmutter zugewendeten Geld noch ein Betrag von 500 Euro offen sei.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 403
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede