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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1269

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 217/23, Beschluss v. 01.08.2023, HRRS 2023 Nr. 1269


BGH 2 StR 217/23 - Beschluss vom 1. August 2023 (LG Frankfurt am Main)

Bildung der Gesamtstrafe (deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe: gleichartige Taten, enger Zusammenhang, Gesamtgewicht, Summe der Einzelstrafen).

§ 54 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 2023

a) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben,

b) im Ausspruch über die Einziehung dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 83,20 Euro angeordnet wird.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in neun Fällen und versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 89,20 Euro angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat nach der formelhaften Vorbemerkung, dass sie „alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ nochmals berücksichtigt habe, das einheitliche Tatmotiv, „den engen zeitlichen Zusammenhang“, den „jeweils identischen Modus Operandi“ und den Umstand einer einheitlichen Serie zu Gunsten des Angeklagten eingestellt und die Einsatzstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren erhöht.

Eine - wie hier - deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf indes besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2021 - 2 StR 7/21, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 10. November 2016 - 1 StR 417/16, juris, jeweils mwN). Die allein ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten aufgeführten Gesichtspunkte lassen eine besondere Begründung für die vorgenommene deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe nicht erkennen; eine solche ergibt sich auch nicht aus den weiteren Feststellungen.

Die Erhöhung der Einsatzstrafe hat in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten wie hier (insgesamt neun vollendete und zwei versuchte Fälle der schweren räuberischen Erpressung mit erbeuteten Beträgen zwischen 1,50 Euro und 45 Euro innerhalb von zwei Tagen) ein - von der Strafkammer zu Recht angenommener - enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 mwN), um dem für die Bemessung der Gesamtstrafe in erster Linie maßgeblichen Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts gerecht zu werden (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 1996 - 2 StR 466/96, BGHR StGB § 54 Serientaten 4; BGH, Beschluss vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f., jeweils mwN). Angesichts des Fehlens einer tragfähigen besonderen Begründung lässt die ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe besorgen, dass sich der Tatrichter von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen hat (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 2 StR 678/98, BeckRS 1999, 30045425 mwN).

3. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nur in Höhe von 83,20 Euro stand.

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte insgesamt 103 Euro erbeutet. Abzuziehen ist davon der bei ihm sichergestellte Bargeldbetrag in Höhe von 19,80 Euro, auf dessen Herausgabe er verzichtet hat. Der Senat hat die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.

4. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da diese von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1269

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede