HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 950
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 25/22, Beschluss v. 04.08.2022, HRRS 2022 Nr. 950
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.
Der Angeschuldigte befindet sich seit dem 6. Oktober 2021 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. September 2021 (ErmRi Gs 89/21) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Jabhat al Nusra“ beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB. Der Angeschuldigte soll sich Anfang 2013 der Jabhat al Nusra angeschlossen und für diese bis 2014 einen Kampfverband geführt, einen Kontrollposten besetzt sowie an mindestens zwei Gefechten teilgenommen haben.
2 Der Senat hat mit Beschluss vom 19. April 2022 (AK 13/22) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.
Unter dem 16. Mai 2022 hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des im Haftbefehl aufgeführten Tatvorwurfs Anklage gegen den Angeschuldigten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Die Anklage enthält im Kern den Sachverhalt des Haftbefehls mit Ausnahme der Beteiligungshandlungen der Besetzung eines Kontrollpostens und der Teilnahme an einem weiteren Gefecht im Winter 2013/2014 in der Ortschaft a. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die von der Generalstaatsanwaltschaft beantragte Anpassung und Aufrechterhaltung des Haftbefehls hat das Oberlandesgericht noch nicht befunden. Es hat allerdings mit Beschluss vom 23. Juni 2022 die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor.
1. In Bezug auf den Tatvorwurf, die den dringenden Tatverdacht belegenden Umstände, die rechtliche Bewertung und die Haftgründe wird auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 19. April 2022 verwiesen, die mit der Maßgabe fortgelten, dass dem Angeschuldigten zwei einzelne Betätigungsakte nicht mehr angelastet werden. Die seit der Haftfortdauerentscheidung geführten Ermittlungen haben die Beweislage hinsichtlich des in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft geschilderten Geschehens verdichtet; der Senat nimmt insofern Bezug auf die dortige Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen.
Soweit dem Angeschuldigten die weiteren Beteiligungshandlungen der Besetzung eines Kontrollpostens und der Teilnahme an einem Gefecht im Winter 2013/2014 in der Ortschaft a. innerhalb der angeklagten tatbestandlichen Handlungseinheit nicht mehr vorgeworfen werden, ist dies für die Frage der Haftfortdauer ohne Bedeutung. Der dem Angeschuldigten zur Last gelegte Straftatbestand ändert sich dadurch nicht. Dass im Falle einer Verurteilung ein geringerer Unrechtsund Schuldgehalt gegeben wäre, führt hier angesichts der dann immer noch verbleibenden erheblichen Straferwartung weder bei der Bewertung des Haftgrundes noch der Verhältnismäßigkeit zu einem anderen Ergebnis.
2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Verfahren ist nach der Haftfortdauerentscheidung des Senats weiterhin mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die umfangreichen Ermittlungen haben inzwischen abgeschlossen werden können. Die Sachakte umfasst mittlerweile 23 Ordner. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 16. Mai 2022 eine 43-seitige Anklageschrift fertiggestellt und am 17. Mai 2022 die Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Bereits am nächsten Tag hat die Vorsitzende die Zustellung der Anklage sowie deren Übersetzung in die arabische Sprache verfügt. Die eingeräumte Einlassungsfrist nach § 201 StPO von einem Monat ist angesichts der Komplexität des Verfahrens angemessen. Die Übersetzung der Anklageschrift ist am 21. Juni 2022 beim Oberlandesgericht eingegangen und die förmliche Zustellung am selben Tag veranlasst worden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Oberlandesgericht den Beginn der Hauptverhandlung - nach Terminsabsprache mit dem Verteidiger - für den 23. August 2022 mit weiteren elf Hauptverhandlungsterminen bis zum 2. November 2022 avisiert. Die Beratung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist vom Oberlandesgericht für Anfang August 2022 geplant. Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass das Verfahren auch weiterhin eine zeitnahe intensive Förderung erfahren wird.
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 950
Bearbeiter: Christian Becker