HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 752
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 25/22, Beschluss v. 29.03.2022, HRRS 2022 Nr. 752
Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts - Jugendrichter - Jena vom 6. September 2021 wird aufgehoben.
Dieses Gericht ist für die Untersuchung und Entscheidung der Sache weiter zuständig.
1. Die Staatsanwaltschaft Gera hat gegen den heute 20-jährigen Angeklagten unter dem 2. Dezember 2019 vor dem Amtsgericht Jena - Jugendrichter - Anklage wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln (Tatzeit 19. August 2019 in einer betreuten Wohneinrichtung) erhoben. Das Amtsgericht Jena hat mit Beschluss vom 27. Februar 2020 die Anklage zugelassen und Termin zur Hauptverhandlung auf den 25. März 2020 bestimmt. Ladung und Eröffnungsbeschluss konnten nicht mehr zugestellt werden, da der Angeklagte mit Eintritt der Volljährigkeit am 2. Januar 2020 eigenmächtig seinen Aufenthaltsort gewechselt hatte. Daraufhin hat das Amtsgericht Jena mit Beschluss vom 9. März 2020 das Verfahren gemäß § 205 StPO wegen unbekannten Aufenthalts vorläufig eingestellt. Nachdem der Angeklagte am 24. August 2021 dem Amtsgericht Jena fernmündlich seine aktuelle, seit einem halben Jahr bestehende Anschrift in Hamm mitgeteilt hatte, hat das Amtsgericht Jena mit Beschluss vom 6. September 2021 das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Gera ohne weitere Begründung gemäß § 42 Abs. 3 JGG an das Amtsgericht Hamm abgegeben.
Das Amtsgericht - Jugendrichter - Hamm hat Bedenken gegen die Abgabe und hat das Verfahren deshalb mit Beschluss vom 11. Januar 2022 dem Bundesgerichtshof als gemeinschaftlichem oberen Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung des zwischen den Jugendgerichten bestehenden Streits gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG als gemeinschaftliches oberes Gericht berufen, weil die Amtsgerichte Jena (Oberlandesgerichtsbezirk Jena) und Hamm (Oberlandesgerichtsbezirk Hamm) in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen.
Für die Verhandlung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht - Jugendrichter - Jena zuständig.
Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Abgabe nach § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG insoweit vor, als der Angeklagte seinen Aufenthaltsort nach Anklageerhebung gewechselt hat. Jedoch lässt der nicht mit einer Begründung versehene Abgabebeschluss des Amtsgerichts Jena nicht erkennen, ob sich die Jugendrichterin bewusst gewesen ist, dass eine Abgabeentscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG im pflichtgemäßen Ermessen steht und deshalb einer sachlichen Begründung bedarf (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 4. August 2021 - 2 ARs 200/21, StV 2022, 44).
Im Übrigen erweist sich die Abgabe im vorliegenden Fall als unzweckmäßig. Während die Jugendrichterin des Amtsgerichts Jena bereits über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden hat, müsste sich der Jugendrichter des Amtsgerichts Hamm erst noch in die Sache einarbeiten. Im Rahmen der Beweisaufnahme - der Angeklagte hat sich zu dem Tatvorwurf nicht eingelassen - müssten zwei Zeuginnen zur Auffindesituation der Betäubungsmittel von Jena nach Hamm anreisen, eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in Jena hätte hingegen nur für den Angeklagten selbst einen erhöhten Reiseaufwand zur Folge, der ihm ohne Weiteres zugemutet werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2021 - 2 ARs 131/21, NStZ-RR 2021, 294, 295). Zudem ist damit zu rechnen, dass die Jugendgerichtshilfe in Jena, wo der damals noch minderjährige Angeklagte unter Vormundschaft eines Betreuers des Jugendamtes stand, über detailliertere Informationen zu dessen seinerzeitigen Lebensumständen verfügt.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 752
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß