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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 723

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 43/22, Beschluss v. 15.03.2022, HRRS 2022 Nr. 723


BGH 2 StR 43/22 - Beschluss vom 15. März 2022 (LG Bonn)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Anordnung).

§ 64 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. Oktober 2021 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere große Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und zudem eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Weder der Schuldspruch noch der Strafausspruch weisen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

2. Hingegen erweist sich die angegriffene Entscheidung als durchgreifend rechtsfehlerhaft, soweit eine Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB unterblieben ist. Die Prüfung dieser Frage drängte sich nach den Urteilsfeststellungen auf.

a) Der zur Tatzeit 35 Jahre alte Angeklagte begann bereits zum Ende der Schulzeit mit dem Konsum von Marihuana. Während der Bundeswehrzeit stellte er den Konsum ein, den er danach bei einzelnen Gelegenheiten wieder aufnahm. Im Jahr 2013 probierte er einmal LSD. Zudem nahm er auch hin und wieder Kokain. Zum Ende des Jahres 2019 konsumierte der Angeklagte erneut regelmäßig Marihuana. Im Frühjahr des Jahres 2020 entschloss er sich, die Kosten seines Marihuanakonsums durch den Handel mit Betäubungsmitteln zu decken. In der Zeit von Ende April/Anfang Mai bis Dezember 2020 erwarb er in sechs Fällen jeweils 300 Gramm Marihuana, von denen 50 Gramm zum Eigenkonsum bestimmt waren, im letzten dieser Fälle zugleich 71,45 Gramm Amphetamin und eine Platte Haschisch mit einem Gewicht von knapp 100 Gramm. Diese Betäubungsmittel waren insgesamt zum Weiterverkauf bestimmt. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden am 18. Dezember 2020 die Betäubungsmittel aus dem Kauf vom Dezember 2020, darüber hinaus Cannabisöl, LSD und weitere Kleinstmengen von Betäubungsmitteln aufgefunden. Der Angeklagte setzte danach seinen Konsum von Betäubungsmitteln fort. Im April 2021 erwarb er Marihuana zum Eigenkonsum, außerdem am 24. April 2021 ca. 3,5 Gramm Kokain, das er bei einer Party mit Freunden mit Blick auf eine ihn belastende Operation seines Vaters konsumieren wollte. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 24. April 2021 wurden neben dem Kokain 23,29 Gramm Marihuana sichergestellt. Im Anschluss an diese Vorfälle meldete sich der Angeklagte bei der Suchtberatung der Caritas. Dort steht er seit einigen Monaten auf der Warteliste für einen Termin mit einem Psychologen, der sich von seiner Situation ein Bild machen soll. Der Angeklagte beabsichtigt, bei der Suchtberatung eine Therapie zu machen. Er ist der Ansicht, dass er entsprechende Hilfe braucht, um keine Drogen mehr zu konsumieren.

b) Vor dem Hintergrund dieser Urteilsausführungen erscheint es in tatsächlicher Hinsicht naheliegend, dass die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kommt. Der festgestellte Konsum von Betäubungsmitteln weist auf einen Hang, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, hin. Der Angeklagte hat die abgeurteilten Straftaten begangen, um den Konsum von Betäubungsmitteln zu finanzieren (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021 - 1 StR 327/21). Schließlich scheidet auch die Annahme einer Erfolgsaussicht der Maßregel bei dem nach den Urteilsfeststellungen therapiewilligen und offenbar einsichtigen Angeklagten nicht von vornherein aus.

c) Die Frage der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) einer neuen tatrichterlichen Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (st. Rspr.; vgl. BGH StV 2021, 354).

3. Der Senat schließt im Übrigen aus, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 723

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß