HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 684
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 381/22, Beschluss v. 16.03.2023, HRRS 2023 Nr. 684
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Mai 2022
a) dahin abgeändert, dass
aa) der Angeklagte T.
(1) des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Bandenhehlerei, des Betrugs in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung in zwei Fällen, der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei sowie der gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung schuldig ist,
(2) hinsichtlich der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 120.500 € als Gesamtschuldner haftet,
bb) der Angeklagte S.
(1) des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Bandenhehlerei, gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung sowie der gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung schuldig ist,
(2) hinsichtlich der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 78.200 € als Gesamtschuldner haftet,
b) hinsichtlich beider Angeklagten aufgehoben im Ausspruch
aa) über die Einzelstrafen im Fall II. 10 der Urteilsgründe sowie
bb) die Gesamtstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen „gemeinschaftlichen“ gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in vier Fällen (Fälle II. 2, II. 4, II. 9 und II. 11 der Urteilsgründe), hiervon in zwei Fällen in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gewerbsmäßiger Bandenhehlerei (Fälle II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe), Betrugs in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung in zwei Fällen (Fälle II. 1 und II. 8 der Urteilsgründe), „gemeinschaftlicher“ gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in einem weiteren Fall (Fall II. 3 der Urteilsgründe) sowie „gemeinschaftlicher“ gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung (Fall II. 10 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 120.500 €, davon in Höhe von 59.000 € als Gesamtschuldner haftend, angeordnet. Es hat den Angeklagten S. wegen „gemeinschaftlichen“ gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in vier Fällen (Fälle II. 2, II. 7, II. 9 und II. 11 der Urteilsgründe), hiervon in zwei Fällen in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gewerbsmäßiger Bandenhehlerei (Fälle II. 2 und II. 7 der Urteilsgründe), „gemeinschaftlicher“ gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen (Fälle II. 3 und II. 6 der Urteilsgründe), hiervon in einem Fall in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung (Fall II. 6 der Urteilsgründe) sowie „gemeinschaftlicher“ gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung (Fall II. 10 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 78.200 €, davon in Höhe von 59.000 € als Gesamtschuldner haftend, angeordnet. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch in den Fällen II. 1 bis II. 9 und II. 11 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil der jeweils betroffenen Angeklagten ergeben. Lediglich der Tenor bedarf in den Fällen II. 2 bis II. 7 und II. 9 bis II. 11 der Urteilsgründe der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur, soweit die Taten als „gemeinschaftlich“ bezeichnet sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. April 2022 - 2 StR 547/21, juris Rn. 2; vom 10. Januar 2023 - 2 StR 394/22, juris Rn. 3).
2. Demgegenüber hält die Verurteilung der beiden Angeklagten im Fall II. 10 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen mieteten die beiden Angeklagten unter Mitwirkung des Angeklagten Se., der sich gegenüber der Vermieterin mit einem gefälschten Pass auswies und unter Einbindung des minderjährigen Sohnes des Angeklagten S. am 11. Juni 2021 ein Wohnmobil für einen angeblichen Vater-Sohn-Urlaub. Das Wohnmobil im Wert von 54.000 € hatte die Vermieterin kurz zuvor geleast. Die zu zahlende Kaution sowie den im Voraus zu zahlenden Mietzins finanzierten die beiden Angeklagten gemeinsam. Tatsächlich beabsichtigte die Gruppierung von Anfang an, das Fahrzeug mit gefälschten Fahrzeugpapieren und Dublettenkennzeichen, mithin solchen, die für ein baugleiches anderes Fahrzeug ausgegeben waren, zu präparieren und dieses sodann über ein Internetportal an Dritte zu veräußern (Fall II. 9 der Urteilsgründe).
Sie fuhren mit dem Fahrzeug von I. nach K. Tatplangemäß versah der Angeklagte T. das Fahrzeug mit Dublettenkennzeichen und beauftragte eine unbekannte Person mit der Herstellung der gefälschten Fahrzeugpapiere auf einen vorgegebenen Namen, für den die Gruppierung über einen zuvor beschafften falschen Pass verfügte. Er inserierte das Fahrzeug am selben Tag für 42.000 € über ein Internetportal und vereinbarte kurz darauf mit einem Interessenten einen Besichtigungstermin für den 13. Juni 2021 in K. An diesem Tag fuhren der Angeklagte S. gemeinsam mit dem weiteren Bandenmitglied H. zum verabredeten Treffpunkt, wo H. das Fahrzeug unter Vorlage der gefälschten Fahrzeugpapiere und des gefälschten Passes für 41.000 € an den Interessenten verkaufte. Er übergab das Fahrzeug gegen Zahlung von 40.000 € in bar. Die Zahlung der verbliebenen 1.000 € sollte nach Übersendung des Zweitschlüssels und des Servicehefts erfolgen.
Bei dem Versuch, das Fahrzeug anzumelden, fielen die falschen Kennzeichen auf. Das Fahrzeug wurde zunächst sichergestellt, später aber an den Erwerber als letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben. Er streitet zivilrechtlich mit der Vermieterin über die Eigentümerstellung.
bb) Die Strafkammer hat die beiden Angeklagten im Fall II. 9 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung, im Fall II. 10 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung schuldig gesprochen.
b) Die Verurteilung wegen tateinheitlicher Unterschlagung im Fall II. 10 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich ein Täter, der sich eine fremde Sache bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat, sich diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB zum Nachteil des gleichen Rechtsgutsträgers zueignen, ohne zuvor seine Sacheigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 1959 - GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 46 f.; vom 13. Juli 1995 - 1 StR 309/95, juris Rn. 11; vom 13. Januar 2022 - 1 StR 292/21, wistra 2022, 379 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Oktober 1961 - 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280 ff.; ebenso SSW-StGB/Kudlich, 5. Aufl., § 246 Rn. 20; LK-StGB/Vogel, 13. Aufl., § 246 Rn. 50 f.; a.A. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 246 Rn. 19; Mitsch, ZStW 111, 92 f.; derselbe, Strafrecht Besonderer Teil 2, 3. Aufl., S. 179 f.).
bb) So liegt der Fall hier. Die Angeklagten haben sich bereits aufgrund des Betrugs zum Nachteil der Vermieterin den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeugs verschafft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 1959 - GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 47; vom 13. Juli 1995 - 1 StR 309/95, juris Rn. 11; Urteil vom 5. Mai 1983 - 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827). Sie haben mit der Übernahme des Fahrzeugs bei fehlendem Rückgabewillen die Vermieterin von der Sachherrschaft dauerhaft ausgeschlossen und den Eigenbesitz an diesem begründet; sie beabsichtigten von Anfang an, deren Rechtsposition zu missachten. Damit waren sowohl der Vermögensvorteil auf ihrer Seite wie im Übrigen auch der Schaden auf Seiten der Vermieterin eingetreten und der Betrug beendet.
Angesichts des damit bereits bestehenden Herrschaftsverhältnisses über das Fahrzeug stellen die weiteren Manifestationen ihres Zueignungswillens durch das Anbringen der Dublettenkennzeichen am Fahrzeug, dessen Angebot zum Verkauf über das Internetportal wie auch der anschließende Abschluss eines Kaufvertrages und die auf dieser Rechtsgrundlage erfolgende Eigentumsübertragung an den gutgläubigen Fahrzeugerwerber gegen Überführung des Kaufpreises als Substrat des Fahrzeugs in ihr Vermögen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2022 - 1 StR 292/21, wistra 2022, 379 f.) bereits tatbestandlich keine Unterschlagung in Form der Selbstzueignung dar (vgl. zum Verhältnis der Selbst- zu einer etwaigen Drittzueigung MK-StGB/Hohmann, 4. Aufl., § 246 Rn. 45; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 246 Rn. 11; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 242 Rn. 105; LK-StGB/Brodowski, 13. Aufl., § 242 Rn. 184; Rengier, StrafR BT I, 25. Aufl., § 2 Rn. 155 f.).
cc) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Unterschlagung muss daher entfallen. Der Senat änderte die Schuldsprüche im Fall II. 10 der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagten entsprechend ab.
3. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Unterschlagung im Fall II. 10 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in diesem Fall. Die Strafkammer hat bei beiden Angeklagten die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände strafschärfend gewertet. Zudem hat sie den „hohen finanziellen Schaden“ in die Strafzumessung eingestellt und damit den vermögensrechtlichen Nachteil der Vermieterin auch bei dieser Tat erschwerend berücksichtigt. Der Wegfall der Einzelstrafen im Fall II. 10 der Urteilsgründe bringt die beiden Gesamtstrafen zu Fall. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
4. Die Einziehungsentscheidungen waren aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Zuschriften dargestellten Gründen dahin zu ergänzen, dass die Angeklagten für die zutreffend ermittelten Einziehungsbeträge in gesamter Höhe lediglich gesamtschuldnerisch haften.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 684
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede