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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 139

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 362/22, Beschluss v. 22.11.2022, HRRS 2023 Nr. 139


BGH 2 StR 362/22 - Beschluss vom 22. November 2022 (LG Bonn)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 20. Juli 2022, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 6. April 2022 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird, soweit er verurteilt ist, mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

a) der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in zehn Fällen schuldig ist und

b) dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Schadensersatzforderungen der Adhäsionsklägerin ab dem 30. März 2022 zu zahlen sind.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, sowie schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Darüber hinaus hat es den Angeklagten verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. März 2022 zu zahlen und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die zukünftig aus dem schweren sexuellen Kindesmissbrauch in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 12. September 2021 entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger, Versorgungsamt, Krankenkasse oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Es hat zudem festgestellt, dass die Ansprüche der Adhäsionsklägerin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultieren.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die er auf die nicht ausgeführte Sachrüge stützt, ist zulässig (nachfolgend 1.) und führt nur zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur (nachfolgend 2. und 3.), im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Mit Beschluss vom 20. Juli 2022 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil als unzulässig verworfen, da bis zum Ablauf der am 14. Juli 2022 endenden Revisionsbegründungsfrist keine Revisionsanträge angebracht worden seien. Gegen diese am 26. Juli 2022 zugestellte Entscheidung hat der Verteidiger mit seinem am 28. Juli 2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz, mithin innerhalb der Frist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO, die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt.

Der zulässige Antrag ist begründet. Denn der Verteidiger hat bereits mit Schriftsatz vom 12. Juli 2022, welcher noch am selben Tag als elektronisches Dokument und damit innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO sowie in der nach § 32 d StPO vorgeschriebenen Form bei Gericht eingegangen ist, die Revision begründet. Der Eingang dieses Schreibens war offenbar zunächst übersehen worden.

Da der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 20. Juli 2022 auf den Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung aufzuheben ist, bedarf die insoweit gleichzeitig erhobene „sofortige Beschwerde“ keiner Entscheidung.

2. Der Schuldspruch zu Fall 8 der Urteilsgründe bedarf aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Korrektur dahingehend, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entfällt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. April 2001 - 3 StR 114/01 mwN). Darüber hinaus hat die auf die Revision des Angeklagten gebotene umfassende Nachprüfung des Schuld- und des Strafausspruchs keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung eine geringere Einzel- oder Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, zumal es der angenommenen Verwirklichung auch des § 182 Abs. 2 StGB im Fall 8 der Urteilsgründe kein strafschärfendes Gewicht beigemessen hat.

3. Die Adhäsionsentscheidung bedarf nur insofern der Korrektur (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO), als die beantragten Prozesszinsen erst ab dem der Antragstellung folgenden Tag zu zahlen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2019 - 2 StR 190/19); der Antrag wurde - entsprechend einem zuvor bei Gericht eingereichten und zugestellten Entwurf - hier erst in der Hauptverhandlung vom 29. März 2022 gestellt.

4. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 139

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede