HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 291
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 278/22, Beschluss v. 06.12.2022, HRRS 2023 Nr. 291
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Februar 2022 aufgehoben, soweit die (gesamtschuldnerische) Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 Euro angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und darüber hinaus gegen ihn - gesamtschuldnerisch haftend mit den Mitangeklagten G., C. und D. - die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.800 Euro sowie die Einziehung eines sichergestellten Mobiltelefons angeordnet. Der Senat hat dieses Urteil auf die Revision des Angeklagten, soweit es ihn betraf, unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen. Nunmehr hat das Landgericht in dem allein gegen den Angeklagten ergangenen Urteil die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 Euro als Gesamtschuldner angeordnet und einen Monat der gegen den Angeklagten verhängten Jugendstrafe für vollstreckt erklärt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Einziehungsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beweiswürdigung, auf die das Landgericht seine Annahme gestützt hat, der Angeklagte habe einen (geschätzten) Mindestbetrag von 500 Euro aus der erlangten Tatbeute von 8.800 Euro erhalten, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der dieser Annahme zugrunde gelegte Erfahrungssatz, bei einem herausgehobenen Tatbeitrag - wie er vom Angeklagten geleistet worden sei - entspreche es der Lebenserfahrung, dass er dann zumindest einen nicht ganz unwesentlichen Anteil von der Gesamtbeute erhalten habe, besteht nicht. Erfahrungssätze sind auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnene Regeln, die keine Ausnahme zulassen und eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Inhalt haben (s. Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 337 Rn. 31 mwN). Dies ist hier nicht gegeben. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass der Angeklagte trotz mittäterschaftlicher Tatbeteiligung als Cousin des Mitangeklagten C. etwa in verwandschaftlicher Verbundenheit gehandelt und nur einen geringen Betrag oder auch gar keine Entlohnung erhalten hat (vgl. zur Bedeutung der verwandschaftlichen Verbundenheit im Zusammenhang mit einem Gewinnstreben beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 352). Infolgedessen hätte sich das Landgericht bei seiner Würdigung nicht auf einen solchen Erfahrungssatz stützen dürfen, sondern hätte vielmehr zumindest auch erörtern müssen, ob etwa angesichts des Verwandschaftsverhältnisses eine Tatbeteiligung ohne Entlohnung vorstellbar ist. Allein aus dem Tatbeitrag des Angeklagten (und einem nicht bestehenden Erfahrungssatz) auf eine Entlohnung in genannter Höhe zu schließen, trägt - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - die Einziehungsanordnung nicht.
Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sich nach rechtskräftigem Abschluss der gegen die Mitangeklagten C. und D. geführten Verfahren noch tragfähige Feststellungen zu einer nach der Tat vorgenommenen Beuteteilung treffen lassen. Deshalb hebt der Senat die Entscheidung auf und verweist die Sache erneut an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurück.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 291
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede