HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 286
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 173/22, Beschluss v. 29.09.2022, HRRS 2023 Nr. 286
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. Dezember 2021 im Strafausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuld- und der Maßregelausspruch lassen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
2. Dagegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den Feststellungen tötete der Angeklagte den Geschädigten in dessen Wohnung durch zahlreiche Schläge, Tritte und Stiche unter Einsatz mehrerer Gegenstände.Das Landgericht hat die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, der an einer schizophrenen Psychose leidet, zur Tatzeit als erheblich eingeschränkt angesehen. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles gemäß § 213 StGB und bei der konkreten Strafzumessung, bei der es von dem gemäß §§ 49 Abs. 1, 21 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, hat es unter anderem strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „mit dolus directus ersten Grades handelte und diesbezüglich durch die Verwendung einer Vielzahl von Tatwerkzeugen während der Tatbegehung eine besondere kriminelle Energie an den Tag gelegt hat“. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1961 - 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364; vom 7. Juli 1993 - 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211 f.; Beschlüsse vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616; vom 8. Oktober 2002 - 5 StR 365/02, NStZ-RR 2003, 104, 105; vom 31. Januar 2012 - 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169; LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 89 mwN). In einem solchen Fall muss das Urteil erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieser Problematik bewusst war und ihr Rechnung getragen hat. Daran fehlt es hier. Angesichts der genannten Strafzumessungserwägungen vermag der Senat nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass die Strafkammer der konkreten Ausgestaltung der Tat zum Nachteil des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen hat.
Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es keiner Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 286
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede