HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 817
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 122/22, Beschluss v. 22.06.2022, HRRS 2022 Nr. 817
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29. November 2021 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die erste Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen „gemeinschaftlichen“ Diebstahls unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer ersten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl und Beleidigung zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Während die Schuld- und die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1, 3 und 4 der Urteilsgründe keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen, hält die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Fall 2 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie leidet an einem durchgreifenden Erörterungsmangel, weil das Vorliegen der Voraussetzungen eines Rücktritts vom versuchten Delikt nicht geprüft wurde, obgleich hierzu Anlass bestand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts wirkten der Angeklagte und seine zwei Begleiter mit Faustschlägen, einer Machete und potentiell lebensbedrohlichen Tritten auf den Geschädigten ein, um von diesem 2.000 € zu erhalten, auf die weder der Angeklagte noch seine Begleiter einen Anspruch hatten, was dem Angeklagten auch bewusst war. Die zuletzt auf offener Straße ausgeführten Tritte wurden von Zeugen wahrgenommen, die den Angeklagten ansprachen, dass sie ihn kennen würden und das Geschehen per Handy gefilmt worden sei. Der Angeklagte blickte zu den Zeugen auf, ließ sodann vom Angeklagten ab und rannte - wie auch einer seiner Begleiter - davon.
b) Hiervon ausgehend hätte das Landgericht die Frage nach einem Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 StGB) in den Blick nehmen müssen. Hierzu, insbesondere zum maßgeblichen Rücktrittshorizont (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; vom 13. März 2018 - 4 StR 531/17, NStZ 2018, 468), verhalten sich die Urteilsgründe indes nicht. Allein die Feststellung, der Angeklagte sei davongerannt, nachdem er zu den Zeugen aufgeblickt habe, lässt nicht erkennen, ob nach seiner Vorstellung nach dem Ende seiner letzten Ausführungshandlung die Tat mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln noch hätte vollendet werden können und er durch freiwilliges Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen vom Versuch der räuberischen Erpressung strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306), oder ob er erkannt hat oder subjektiv davon ausging, dass eine Vollendung nicht mehr möglich, der Versuch also fehlgeschlagen war und ein strafbefreiender Rücktritt schon deshalb von vorneherein ausscheidet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 mwN). Letzteres mag nicht fernliegend erscheinen, versteht sich vorliegend aber nicht von selbst. Der Angeklagte war dem Geschädigten bekannt, hatte also kein weitergehendes Entdeckungsrisiko für den Fall der Fortsetzung der Tat zu besorgen, ebensowenig ein unmittelbares Eingreifen der Zeugen, die sich noch im Haus befanden und das Geschehen nur durch ein straßenseitiges Fenster im Obergeschoß beobachtet hatten.
c) Dies entzieht auch der für sich genommen rechtsfehlerfreien Verurteilung des Angeklagten wegen der im Fall 2 der Urteilsgründe tateinheitlich verwirklichten gefährlichen Körperverletzung, damit dem Einzelstrafausspruch zu diesem Fall und in der Folge auch dem ersten Gesamtstrafausspruch die Grundlage.
2. Indes hält die zweite Gesamtstrafe rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht nicht ausdrücklich erörtert, ob diese zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Indes ist nach den vom Landgericht zur Persönlichkeit des Angeklagten festgestellten Umständen - aufgrund derer die Strafkammer im Ergebnis rechtsfehlerfrei auch die Erfolgsaussicht einer Maßregel nach § 64 StGB verneint hat - auszuschließen, dass das Landgericht, hätte es diese Prüfung vorgenommen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 und 2 StGB bejaht haben könnte.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 817
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß