HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 114
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 288/21, Beschluss v. 24.11.2021, HRRS 2022 Nr. 114
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19. Februar 2021
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe sowie Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist,
b) im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung der Betäubungsmittel und Waffen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Besitz einer vollautomatischen Schusswaffe und in Tateinheit mit dem Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Bargeld, Drogen, Waffen und Ausweispapiere eingezogen. Die auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Verfahrensrüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen der Erfolg versagt.
2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, hat sich der Angeklagte durch den Besitz der Maschinenpistole „Skorpion“ im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht lediglich wegen Besitzes einer vollautomatischen Schusswaffe nach § 51 Abs. 1 WaffG, sondern wegen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG i.V.m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG, Teil B V Nr. 29b) strafbar gemacht.
b) Auch begegnet die Annahme von Tateinheit hinsichtlich sämtlicher vom Angeklagten verwirklichter Delikte durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit liegt Realkonkurrenz vor.
aa) Zu Recht ist das Landgericht noch davon ausgegangen, dass die Fälle II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe - jeweils Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - tatmehrheitlich begangen worden sind. So verwirklicht zwar die gleichzeitige Aufbewahrung zweier Betäubungsmittelmengen nur einmal den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, dieser tritt aber hinter täterschaftlichem Handeltreiben in nicht geringer Menge zurück und kann anders in dem Fall, in dem hinsichtlich nur einer Besitzmenge täterschaftliches Handeltreiben in nicht geringer Menge vorliegt, im Übrigen lediglich Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge gegeben ist, zwei Fälle des täterschaftlichen Handeltreibens in nicht geringer Menge nicht verklammern (vgl. Senat, Urteil vom 4. Februar 2015 - 2 StR 266/14, NStZ 2015, 344).
bb) Entgegen der Ansicht der Strafkammer steht aber das von ihr angenommene Waffendelikt nicht in Tateinheit zu den jeweiligen Betäubungsmitteldelikten und kann diese deshalb auch nicht zur Tateinheit verklammern. Die bloße Gleichzeitigkeit des Waffenbesitzes und der Betäubungsmittelstraftaten vermag keinen eine Handlungseinheit begründenden Zusammenhang zu belegen. Eine zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln kann die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn darüber hinaus ein - hier gerade nicht festgestellter - funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - 4 StR 78/99, NStZ 2000, 85; Beschluss vom 22. November 2012 - 4 StR 302/12, NStZ-RR 2013, 82).
cc) Ebenso wenig führt die bloß gleichzeitige Aufbewahrung von Maschinenpistole und gefälschten Ausweispapieren zur Tateinheit von Waffendelikt und § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB (angenommen wohl vom Landgericht in der Variante des „Verwahrens“).
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht ebenso wenig entgegen wie das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO), das für den Schuldspruch nicht gilt.
3. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO für die vier tatmehrheitlich begangenen Taten Einzelstrafen und eine Gesamtstrafe festzusetzen haben.
4. Während die Einziehungsentscheidungen hinsichtlich der gefälschten Ausweispapiere und des sichergestellten Bargelds keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, erweist sich der Ausspruch über die Einziehung der Betäubungsmittel und der Waffen als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt:
„a) Die auf § 33 BtMG gestützte Einziehungsanordnung hinsichtlich der Betäubungsmittel ist nicht hinreichend bestimmt. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Im Falle der Einziehung von Betäubungsmitteln muss sich daher Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts aus dem Urteilstenor ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2014 - 2 StR 418/14; BGH, Beschlüsse vom 23. November 2010 - 3 StR 393/10; vom 5. Dezember 1991 - 1 StR 719/91, BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand 2).
b) Der Ausspruch über die Einziehung der Waffen kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil auch insoweit die einzuziehenden Gegenstände nicht bestimmt bezeichnet sind. So lässt sich dem Urteil schon nicht eindeutig entnehmen, ob sich die Anordnung der Einziehung - so der Urteilstenor - auf sämtliche „sichergestellten Waffen“ oder - entsprechend dem in den Urteilsgründen (UA S. 33) und der Liste der angewendeten Strafvorschriften genannten § 54 WaffG - allein auf solche Waffen und verbotenen Gegenstände bezieht, deren Besitz nach dem Waffengesetz unter Strafe gestellt oder bußgeldbewehrt ist. Hinsichtlich der Einziehung der Maschinenpistole hat die Strafkammer zudem übersehen, dass diese sich nach § 24 KrWaffKontrG richtet, der dem Tatrichter anders als § 54 WaffG ein Ermessen einräumt. Die Anordnung ist daher aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. “
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 114
Externe Fundstellen: StV 2022, 577
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß