HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 159
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 187/21, Beschluss v. 16.09.2021, HRRS 2022 Nr. 159
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Februar 2021
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist;
b) aufgehoben im Ausspruch über
aa) die Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe; diese entfällt,
bb) die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu zwei Jahren und acht Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die konkurrenzrechtlichen Wertungen des Landgerichts halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts baute der Angeklagte ab Ende des Jahres 2019 zusammen mit einem Nichtrevidenten in zu diesem Zweck ausgestatteten Räumen eine Cannabisplantage auf. Anfang März 2020 erwarben sie Marihuanasetzlinge, um den Ernteertrag nach erfolgter Aufzucht gewinnbringend zu veräußern. Bei einer Durchsuchung am 19. März 2020 wurden neben Ausbau- und Aufzuchtmaterial auch aus den Setzlingen gezogene Pflanzen unterschiedlicher Größe mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 9,88 g THC sichergestellt (Fall 1 der Urteilsgründe). Ferner wurde bei dieser Durchsuchung in Räumen der Plantage eine Tasche mit 4,9 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 18,6 % gefunden, die ein dem Angeklagten bekannter Niederländer gewinnbringend veräußern wollte und in der Plantage des Angeklagten mit dessen Wissen und Billigung vorübergehend versteckte (Fall 2 der Urteilsgründe). Ferner erwarb der Angeklagte kurz vor dem 19. März 2020 von einem Unbekannten Kokain mit 183 g KHC, von denen er 50 g selbst konsumieren, den Rest gewinnbringend verkaufen wollte und die bei der Durchsuchung seines Zimmers im Elternhaus gefunden wurden (Fall 3 der Urteilsgründe).
b) Hiervon ausgehend stehen die Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
„Der gleichzeitige Besitz der Betäubungsmittel in den Fällen 1 und 2 verbindet die jeweils selbständigen Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1) und der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 2) zu einer Tat. Der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel erfüllt den Tatbestand des unerlaubten Besitzes nur einmal. Leistet der Angeklagte bezüglich eines Betäubungsmittels zugleich Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, behält der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständige Beihilfetat mit der (anderen) Tat des täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit. Der Umstand, dass das täterschaftliche Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge trotz gleicher Strafdrohung im Grundsatz einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als der täterschaftliche Besitz und die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Wiegt - wie hier - nur eines der betroffenen anderen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, bleibt die Klammerwirkung einer Dauerstraftat bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 - 2 StR 266/14, NStZ 2015,344 f. mwN).“ Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht besser als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Korrektur des Schuldspruchs führt zum Entfallen der für Fall 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts kann der Senat trotz der sehr milde bemessenen Gesamtfreiheitstrafe nicht ausschließen, dass diese auf der rechtsfehlerhaften konkurrenzrechtlichen Wertung beruht.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 159
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß