HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 492
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 5/20, Beschluss v. 24.03.2020, HRRS 2020 Nr. 492
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg übertragen.
Die Angeschuldigte ist am 9. September 2019 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. September 2019 (2 BGs 596/19) festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des ursprünglichen Haftbefehls war der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich in der Zeit von Ende Januar 2015 bis August 2016 in zwei rechtlich selbständigen Fällen als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen, jeweils tateinheitlich dazu - in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen - ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie zusätzlich in einem Fall tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 KrWaffKG erworben. Der Senat hat den Haftbefehl mit Beschluss vom 17. Oktober 2019 (StB 26/19) auf eine - im Übrigen verworfene - Beschwerde der Angeschuldigten dahin geändert, dass sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171, 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG dringend verdächtig ist.
Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageschrift vom 3. März 2020 wegen der dem geänderten Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwürfe sowie des darüberhinausgehenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schwerem Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft und Freiheitsberaubung Anklage zum Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg erhoben.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Die Angeschuldigte ist der ihr im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in Verbindung mit dem Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2019 zur Last gelegten Taten weiterhin dringend verdächtig. Auf diesen wird hinsichtlich der Einzelheiten der die Untersuchungshaft tragenden Tatvorwürfe, des dringenden Tatverdachts und der Haftgründe Bezug genommen. Im Hinblick auf die Beweislage verweist der Senat ergänzend auf die Ausführungen in der Anklageschrift.
2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen.
Nach der Festnahme der Angeschuldigten waren diverse bei ihr sichergestellte Mobiltelefone, Speicherkarten, Laptops und Tablets mit einer Vielzahl von mehreren tausend - teils zu übersetzenden - Text-, Audio- und Videodateien sowie Bildern auszuwerten und zahlreiche überwachte Telefongespräche zu verschriften. Trotz überdies durchgeführter Zeugenvernehmungen und weiterer Ermittlungen hat das Landeskriminalamt Hamburg bereits im Februar 2020 die Ermittlungen abgeschlossen und der Generalbundesanwalt am 6. März 2020 Anklage erhoben. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats beim Oberlandesgericht hat am selben Tag die Zustellung der Anklageschrift veranlasst und eine dem Umfang der Sache angemessene Erklärungsfrist bis zum 27. März 2020 gesetzt.
3. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Hierfür kommt es auf die weitere angeklagte Tat, die nicht Grundlage der vollzogenen Untersuchungshaft ist und über die der Senat vorliegend nicht zu befinden hat, nicht an.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 492
Bearbeiter: Christian Becker