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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 750

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 478/20, Beschluss v. 11.05.2021, HRRS 2021 Nr. 750


BGH 2 StR 478/20 - Beschluss vom 11. Mai 2021 (LG Limburg)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 24. Juli 2020, auch soweit es den Mitangeklagten Y. betrifft,

a) im Schuldspruch zu Fall II. A der Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass die Verurteilung wegen tateinheitlicher Nötigung entfällt und die Angeklagten insoweit allein wegen versuchter räuberischer Erpressung schuldig sind,

b) hinsichtlich des Mitangeklagten Y. im Strafausspruch zu Fall II. A der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Woche verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig.

2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Nötigung wird von den Feststellungen nicht getragen.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beschloss der Mitangeklagte Y. am 18. Juni 2017 vor dem Hintergrund ihm bekannt gewordener, bereits länger andauernder Streitigkeiten, die Mieter einer seiner Lebenspartnerin gehörenden Wohnung, die Familie K., durch bedrohliches Auftreten massiv einzuschüchtern, um sie auf diese Weise zur kurzfristigen Räumung ihrer Wohnung zu bewegen. Er beabsichtigte, so aufzutreten, dass die Mieter für den Fall des Nichtauszugs körperliche Gewalt gegen sich befürchten mussten. Da er wusste, dass sich an diesem Tag mehrere Mitglieder der Familie in der Wohnung aufhielten, entschied er, sich nicht allein dorthin zu begeben, sondern zur Verstärkung der beabsichtigten Drohung weitere Personen mitzunehmen. Unter Einschaltung eines Bekannten gewann er zwei Personen, die ihn gegen eine Zahlung von jeweils 200 € begleiteten, darunter den Angeklagten B. Dieser ging davon aus, dass es darum gehe, albanische Mieter, die mit ihrer Miete in Rückstand seien, zum Auszug aufzufordern und dass dabei Unterstützung gegen Mitglieder des anwesenden „albanischen Clans“ erforderlich sei. Nachdem sich Y. mit den beiden anderen gegen 21.00 Uhr an der Wohnadresse der Familie K. getroffen hatte und diese in den Tatplan eingeweiht worden waren, gingen sie zu dritt zur Terrasse der Familie K. Dort trafen sie auf fünf mehrheitlich weibliche Personen, wodurch dem Angeklagten B. bewusst wurde, dass „es sich lediglich um eine durchschnittliche Familie handelte, die zum Auszug bewegt werden sollte“. Er ging ab diesem Zeitpunkt von der Möglichkeit aus, dass ein Anspruch auf Räumung der Wohnung nicht bestehe, und billigte dies. Die drei Männer bauten sich nunmehr bedrohlich nebeneinander im Terrassenbereich auf. Y. begann lautstark zu reden und wie wild zu schreien. Er fragte, warum die Familie noch hier und nicht ausgezogen sei, und teilte mit, man wolle sie hier nicht mehr sehen. Schließlich warf er noch einen Gartenstuhl zu Boden und drohte, wieder zu kommen, falls die Familie nicht bis zum 30. Juni ausgezogen sei. Die Zeugin L. K. flüchtete aus Angst vor körperlichen Übergriffen in die Wohnung und benachrichtigte die Polizei. Eine kurze Zeit später herbeigeeilter Nachbar erklärte, dass es jetzt genug sei. B., der bisher kein Wort gesprochen hatte, ging nunmehr davon aus, dass das bisherige Auftreten die Familie K. hinreichend verängstigt habe, um diese zum Auszug zu bewegen, und sagte zum Mitangeklagten Y. : „Es reicht!“. Daraufhin gingen sie zu ihren Autos zurück und fuhren davon. Die Familie K. war von dem Überfall nachhaltig beeindruckt. Aus Angst, die Männer könnten erneut auftauchen, verließ sie noch am Abend die Wohnung und fuhr zu einer Tochter, in deren Wohnung sie sich etwa zwei Wochen aufhielt. Eine Räumung der Wohnung bzw. ein Auszug erfolgte nicht. Schließlich kehrte die Familie Anfang Juli 2017 in die Wohnung zurück.

b) Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt. Die Erpressung habe der Angeklagte nur versucht, der erstrebte wirtschaftliche Erfolg, der Auszug der Familie K. einschließlich einer vollständigen Räumung der Wohnung, sei nicht erreicht worden, da sie nach vorübergehendem Auszug nach zwei Wochen wieder zurückgekehrt sei. Demgegenüber sei der erstrebte Erfolg der Vertreibung der Familie - wenn auch nur vorübergehend - erreicht worden, die deshalb zu einer Handlung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB genötigt worden sei.

c) Zu Recht ist die Strafkammer zwar davon ausgegangen, dass die räuberische Erpressung im Versuchsstadium stecken geblieben ist, da der angestrebte Vermögensnachteil - endgültiger Auszug aus der Wohnung - nicht eingetreten ist und die darin auch liegende Verwirklichung einer versuchten Nötigung dahinter zurücktritt. Die Annahme aber, der Angeklagte habe durch sein Vorgehen mit den anderen Tatbeteiligten eine (weitere) vollendete Nötigung begangen, begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat die (konkludent erfolgte) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum vorübergehenden Auszug aus der Wohnung und damit zu einem Nötigungserfolg geführt. Dass der Angeklagte insoweit aber vorsätzlich handelte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Feststellungen zu einem diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten fehlen; es versteht sich auch nicht von selbst, dass er insoweit vorsätzlich handelte. Der gemeinsame Plan war allein darauf ausgerichtet, den endgültigen Auszug der Mieter der betreffenden Wohnung durch Drohungen zu bewirken.

Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen zu einem ausreichenden Nötigungsvorsatz noch getroffen werden können, hat die Verurteilung wegen Nötigung zu entfallen. Der Schuldspruch im Fall II. A der Urteilsgründe ist insoweit zu berichtigen.

d) Die Berichtigung des Schuldspruchs lässt den im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafausspruch unberührt. Das Landgericht hat die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Delikte nicht strafschärfend gewertet.

3. Die Schuldspruchberichtigung ist angesichts des auch ihn betreffenden Rechtsfehlers auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Y. im Fall II. A der Urteilsgründe zu erstrecken (§ 357 StPO). Hingegen kommt eine weitergehende Erstreckung auch im Fall II. B der Urteilsgründe nicht in Betracht, weil es sich insoweit um eine Tat handelt, wegen der der Angeklagte B. nicht verurteilt, sondern freigesprochen worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 357 Rn. 13).

Beim Mitangeklagten Y. wirkt sich die Schuldspruchberichtigung auf den Strafausspruch im Fall II. A der Urteilsgründe aus. Die Strafkammer hat ausdrücklich die tateinheitliche Begehung zweier Delikte zu seinem Nachteil gewertet. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Schuldspruchs eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch, der deshalb ebenfalls der Aufhebung unterliegt, die Grundlage.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 750

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner