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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 302

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 437/20, Beschluss v. 07.12.2022, HRRS 2023 Nr. 302


BGH 2 StR 437/20 - Beschluss vom 7. Dezember 2022

Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis (Tod des Angeklagten); Kostenentscheidung.

§ 206a StPO; § 467 StPO

Entscheidungstenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Betruges in 82 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Während des Revisionsverfahrens ist der Angeklagte verstorben.

1. Das Verfahren ist nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist damit, soweit es den Angeklagten betrifft, gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 162/15, StraFo 2016, 25; Beschluss vom 1. August 2022 - 1 StR 107/22).

2. Die Kostenentscheidung richtet sich im Fall des Todes des Angeklagten nach den Grundsätzen, die bei Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind. Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser gemäß § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, weil er nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 2 StR 319/19 mwN).

a) Nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts beschlossen der Angeklagte und der Nichtrevident R., über die Internetplattform „T.“ bei einer Vielzahl verschiedener Händler Autoreifen auf Rechnung zu bestellen. Als Käuferin sollte die durch R. beherrschte A. GmbH auftreten. Der Angeklagte und R. planten, gegenüber den Reifenhändlern ihre Bereitschaft zur Zahlung des Kaufpreises vorzutäuschen. Tatsächlich wollten sie den Kaufpreis nicht zahlen, aber die gelieferten Autoreifen zu einem günstigen Preis an Dritte weiterveräußern. Dementsprechend registrierte der Angeklagte die A. GmbH auf der Internetplattform. Im Zeitraum zwischen dem 26. Oktober 2016 und dem 7. November 2016 bestellte er in 82 Fällen Reifensätze im Gesamtwert in Höhe von 64.093,61 Euro. Die Reifen wurden jeweils an eine von zwei vorher festgelegte Adressen geliefert, wobei dort zur Vorspiegelung des Bestehens eines tatsächlich dort nicht vorhandenen Firmensitzes jeweils ein Schild mit der Aufschrift der A. GmbH angebracht wurde. Die gelieferten Autoreifen wurden an Dritte veräußert, vereinzelt auch verschenkt oder über die Internet-Plattform „e.“ versteigert. Zahlungen an die Reifenhändler wurden dem Tatplan entsprechend nicht geleistet.

b) Zwar hätte das Rechtsmittel des Angeklagten zur Aufhebung des Urteils geführt, weil ein Irrtum der durch die Taten Geschädigten nicht festgestellt worden ist, obwohl das zur Annahme der Erfüllung des (vollendeten) Betrugstatbestands erforderlich gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645). Gleichwohl erscheint es ausgeschlossen, dass der - geständige - Angeklagte im zweiten Rechtsgang nicht, und sei es wegen Betrugsversuchs oder Computerbetruges, erneut verurteilt worden wäre. In der prognostischen Bewertung dieser Verfahrenslage für Zwecke der Auslagenentscheidung liegt keine Verletzung der Unschuldsvermutung (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Januar 2019 - 24247/15, NJW 2020, 1275, 1277). Danach hat die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht zu tragen.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 302

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede