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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1381

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 264/20, Beschluss v. 01.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1381


BGH 2 StR 264/20 - Beschluss vom 1. September 2020 (LG Frankfurt am Main)

Tateinheit (materiellrechtliche Tateinheit bei natürlicher Handlungseinheit); schwerer Bandendiebstahl (Handeln gerade als Mitglied der Bande); Revisionserstreckung auf Mitverurteilte (bloße Gleichartigkeit abgeurteilter Taten nicht hinreichend).

§ 52 Abs. 1 StGB; § 244a StGB; § 357 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtliche Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Dabei kann von einer Tat im Rechtssinne auch dann auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind.

2. Die Annahme eines schweren Bandendiebstahls setzt neben der Bandenabrede voraus, dass der Täter im Einzelfall gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds handelt. Die konkrete Tat muss Ausfluss der Bandenabrede sein und darf nicht losgelöst davon begangen werden. Insbesondere in Fällen, die auf einem spontanen Tatentschluss beruhen, an denen nicht alle Bandenmitglieder mitwirken, bei denen ferner die nicht unmittelbar mitwirkenden Bandenmitglieder keinen Beuteanteil erhalten sollen und bei denen keine Tatmittel der Bande verwendet werden, ist bei der notwendigen Gesamtwürdigung die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ein Bandenmitglied die Tat aus einem eigennützigen Motiv außerhalb der Bande begangen haben kann.

3. Die bloße Gleichartigkeit mehrerer, im selben Urteil abgeurteilter Taten unterschiedlicher Täter genügt jedoch nicht, um eine Rechtswirkung im Sinne der grundsätzlich zurückhaltend anzuwendenden Vorschrift des § 357 StPO herbeizuführen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2019 - auch soweit es den Mitangeklagten C. betrifft -

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass aa) der Angeklagte H. wegen schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen sowie des Diebstahls in 20 Fällen und bb) der Angeklagte C. wegen schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen sowie wegen Diebstahls in 181 Fällen schuldig sind;

b) aufgehoben, aa) betreffend den Angeklagten H. im gesamten Strafausspruch, bb) betreffend den Angeklagten C. im Ausspruch über (1) die Einzelstrafen in den Fällen II.1 bis II.186 und II.314 bis II.431 sowie (2) die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten H. wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei Vorverurteilungen wegen schweren Bandendiebstahls in 263 Fällen und wegen Diebstahls in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten C. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in 263 Fällen und wegen Diebstahls in 202 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Z. wegen Beihilfe zum Diebstahl in sechs Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 170 Tagessätzen zu je 30 Euro ausgesprochen. Gegen die ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten A. und S. hat es wegen Beihilfe zum Diebstahl in elf Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten bzw. wegen Beihilfe zum Diebstahl auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung, erkannt. Darüber hinaus hat es die Einziehung von Wertersatz gegen die Angeklagten in unterschiedlicher Höhe angeordnet.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat - unter Erstreckung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten C. - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen begann der Mitangeklagte C. Ende des Jahres 2018 eine Tätigkeit als Automatenauffüller bei dem Unternehmen S. Sein Aufgabenbereich umfasste das Auffüllen von Getränke- und Süßwarenautomaten an Bahnhöfen sowie das Entnehmen des darin befindlichen Münzgeldes. Er schlug dem Angeklagten vor, dieses Geld unter Einsatz der ihm überlassenen Automatenschlüssel zu entwenden. Der Angeklagte sollte mit der Arbeitskleidung des C. und dessen Schlüsseln das Geld aus den Automaten an unterschiedlichen Bahnhöfen an sich nehmen, während C. „Schmiere“ stand. Der Erlös sollte geteilt werden. Aus der wiederholten Tatbegehung wollten sich beide eine nicht nur vorübergehende und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen.

Nach entsprechender Absprache fuhren beide am späten Abend des 16. Januar 2019 zum Bahnhof nach F., wo sie, wie auch bei den weiteren Taten in enger zeitlicher Folge und in der abgesprochenen Arbeitsteilung, elf Automaten das Münzgeld entnahmen (Taten II.1 bis II.11). Zwei Tage später begaben sie sich zum Bahnhof nach K., wo sie das Münzgeld aus einem Automaten mitnahmen (Tat II.12 der Urteilsgründe). In der gleichen Nacht entleerten sie Automaten an den Bahnhöfen in L. (Taten II.13 und II.14), G. (Tat II.15), Ka. (Tat II.16) und S. (Taten II.17 bis II.19).

Da der Angeklagte das Geld nicht alleine in die Geldsäcke packen wollte, stellte er den Kontakt zu dem gesondert Verfolgten M. her. Der Angeklagte, C. und M. beschlossen, gemeinsam zu Bahnhöfen zu fahren und in der praktizierten Weise das Münzgeld aus den Automaten zu entwenden. Der Angeklagte und M. sollten das Geld abtransportieren, während C. weiterhin „Schmiere“ stand. Die Beute sollte im Verhältnis 40:30:30 geteilt werden. Diese Absprache währte bis zum 11. März 2019.

In Ausführung dieser Planung fuhren der Angeklagte, C. und M. am 20. Januar 2019 zunächst zum Bahnhof nach H., wo sie elf Automaten entleerten (Taten II.20 bis II.30). In der gleichen Nacht erbeuteten sie Münzgeld aus Automaten in den Bahnhöfen M. (Taten II.31 bis II.61) und W. (Tat II.62). Am 27. Januar 2019 begaben sie sich kurz nach Mitternacht zum Hauptbahnhof nach Kö., wo sie 21 Automaten das Münzgeld entnahmen (Taten II.63 bis II.83). Am frühen Nachmittag des gleichen Tages entwendeten sie das Geld aus Warenautomaten an den Bahnhöfen in Ko. (Taten II.84 bis II.99), Wi. (Taten II.100 bis II.103) und Fr. (Taten II.104 bis II.142).

In der Nacht vom 11. auf den 12. Februar 2019 entleerten der Angeklagte und C. - nunmehr zu zweit ? Automaten in den Bahnhöfen in N. (Tat II.143), Ka. (Taten II.144 bis II.151), L. (Taten II.152 bis II.155) und H. (Taten II.156 bis II.166). Zwei Nächte später verfuhren sie in gleicher Weise an den Bahnhöfen Fr. (Taten II.167 bis II.177), D. (Taten II.178 bis II.181) und Wi. (Taten II.182 bis II.186).

Vom 16. auf den 17. Februar 2019 und in den drei folgenden Nächten beging C. weitere Automatendiebstähle als Einzeltäter (Fälle II.187 bis II.251). In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2019 wurde er von dem Mitangeklagten A. begleitet (Taten II.252 bis II.285) und vom 24. auf den 25. Februar 2019 von dem Mitangeklagten Z. (Taten II.286 bis II.313).

In der darauffolgenden Nacht begaben sich wiederum der Angeklagte und C. zum Bahnhof nach O. und entleerten dort zehn Warenautomaten (Taten II.314 bis II.323).

Am 27. Februar 2019 suchten zwei Mitarbeiter des Unternehmens S. unter Begleitung von zwei Polizeibeamten C. auf und übergaben ihm die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Während das zur Ausübung der Tätigkeit überlassene Fahrzeug, das Geschäftshandy, der Barcode-Scanner und diverse Firmenschlüssel sichergestellt werden konnten, verweigerte C. die Herausgabe der Automatenschlüssel sowie des Schlüssels für das Lager in O. mit der Erklärung, diese nicht bei sich zu haben. Im Anschluss erzählte er dem Angeklagten und M., dass ihm gekündigt worden sei, er aber die Herausgabe der Automatenschlüssel verweigert habe. Daraufhin beschlossen die drei, den Besitz der Schlüssel so lange als möglich zu nutzen, um an verschiedenen Bahnhöfen aus den Warenautomaten der Firma S. möglichst viel Geld zu erbeuten.

Der Angeklagte, C. und M. begaben sich in der Nacht zum 7. März 2019 zu den Bahnhöfen in F. (Taten II.324 bis II.335), R. (Taten II.336 bis II.339), K. (Tat II.340) und La. (Taten II.341 bis II.345) sowie in der Nacht vom 10. März auf den 11. März 2019 zu den Bahnhöfen in Fr. (Taten II.346 bis II.368), Wi. (Taten II.369 bis II.371), Ma. (Taten II.372 bis II.388), D. (Taten II.389 bis II.393), O. (Taten II.394 bis II.404) und B. (Taten II.405 bis II.409) und entleerten dort die Warenautomaten.

In der Nacht vom 12. auf den 13. März 2019 entwendeten C. und der Angeklagte in den Bahnhöfen in P. (Taten II.410 bis II.413) und He. (Taten II.414 bis II.418) das dort in den Warenautomaten befindliche Münzgeld, wobei Z. an beiden Bahnhöfen „Schmiere“ stand.

Vom 13. März auf den 14. März 2019 erbeuteten der Angeklagte und C. das Münzgeld aus den Warenautomaten an den Bahnhöfen in L. (Taten II.419 bis II.422), Ma. (Taten II.423 bis II.428), Rü. (Taten II.429 bis II.430) sowie We. (Tat II.431).

C. stahl in der Nacht vom 18. auf den 19. März 2019 gemeinsam mit dem Mitangeklagten A. an weiteren Bahnhöfen das Münzgeld aus den Warenautomaten (Taten II.432 bis II.448); in der Folgenacht war er als Alleintäter unterwegs (Taten II.449 bis II.464). Schließlich entwendete er aus dem Lager der S. am 30. März 2019 diverse Gegenstände (Tat II.465).

Die Strafkammer ist - ohne weitere Erörterung ? davon ausgegangen, dass sämtliche Automatendiebstähle im Verhältnis der Tatmehrheit stehen. Sie hat das Handeln der Angeklagten in den Fällen II.20 bis II.186 und II.314 bis II.409 der Urteilsgründe als schweren Bandendiebstahl gemäß §§ 244a Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bzw. in den Fällen II.324 bis II.409 gemäß §§ 244a Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Var.1, Nr. 3 StGB gewertet.

II.

Das Rechtsmittel ist teilweise begründet. Der Schuldspruch hält einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt stand.

1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer, sämtliche Automatendiebstähle stünden im Verhältnis der Tatmehrheit, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Das Urteil leidet insoweit an einem durchgreifenden Mangel, weil die Strafkammer nicht erörtert hat, ob und gegebenenfalls zwischen welchen Automatendiebstählen eine tateinheitliche Begehung in Betracht kommt, obwohl dazu Anlass bestand (§ 267 Abs. 3 StPO). Für den Senat bleibt danach zweifelhaft, ob der Tatrichter diese sich nach Lage der Sache aufdrängende Rechtsfrage erkannt und rechtlich zutreffend beurteilt hat (vgl. KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl. § 267 Rn. 22; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 267 Rn. 181).

a) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtliche Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Dabei kann von einer Tat im Rechtssinne auch dann auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sogenannte natürliche Handlungseinheit; vgl. nur BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 6 mwN; LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., vor § 52 Rn. 10 ff.).

b) Eingedenk dessen bieten die Feststellungen hinreichende Anhaltspunkte, dass bei einigen der Warenautomatendiebstähle, die der Angeklagte und seine Tatgenossen innerhalb desselben Bahnhofsgebäudes und in enger zeitlicher Abfolge begingen, eine natürliche Handlungseinheit gegeben ist. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen legen einen einheitlichen Tatentschluss jedenfalls bei den Taten nahe, die sich gegen Automaten richteten, die sich auf demselben Bahnsteig, teilweise sogar im selben Bahnsteigabschnitt befanden. Genaue Feststellungen zum Standort der Automaten, insbesondere zu den Abständen zwischen den Automaten und zu den näheren zeitlichen Abläufen der Diebstahlstaten innerhalb eines Bahnhofgebäudes, enthalten die Urteilsgründe nicht. Der Senat hat daher, um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, die konkurrenzrechtliche Wertung dahin abgeändert, dass er sämtliche Automatendiebstähle innerhalb eines Bahnhofsgebäudes als eine Tat gewertet hat.

2. Die Feststellungen tragen auch nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in den Fällen II.143 bis II.186 sowie II.314 bis II.323. Zwar hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte mit C. und M. zwischen dem 18. Januar und 20. Januar 2019 die bis zum 11. März 2019 fortwährende Bandenabrede traf, gemeinsam zu Bahnhöfen zu fahren, um durch Automatendiebstähle das darin befindliche Münzgeld zu erbeuten (vgl. zum Maßstab der Bandenabrede, Senat, Urteil vom 22. Mai 2019 - 2 StR 353/18, juris Rn. 32 ff.). Die Feststellungen belegen indes nicht, dass es sich bei den Taten, die der Angeklagte in diesem Zeitraum allein mit C. beging, um Bandentaten handelte.

a) Die Annahme eines schweren Bandendiebstahls setzt neben der Bandenabrede voraus, dass der Täter im Einzelfall gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds handelt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 2 StR 529/11, juris Rn. 17; Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, juris Rn. 15, StraFO 2013, 128 ff.; BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 4 StR 30/11, StraFO 2011, 521). Die konkrete Tat muss Ausfluss der Bandenabrede sein und darf nicht losgelöst davon begangen werden (Senat, Urteil vom 18. Oktober 2012, aaO; Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, NStZ-RR 2012, 172 f.). Insbesondere in Fällen, die auf einem spontanen Tatentschluss beruhen, an denen nicht alle Bandenmitglieder mitwirken, bei denen ferner die nicht unmittelbar mitwirkenden Bandenmitglieder keinen Beuteanteil erhalten sollen und bei denen keine Tatmittel der Bande verwendet werden, ist bei der notwendigen Gesamtwürdigung die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ein Bandenmitglied die Tat aus einem eigennützigen Motiv außerhalb der Bande begangen haben kann (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, juris Rn. 15 f.; BGH, Beschluss vom 19. April 2006 - 4 StR 395/05, juris Rn. 12; Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, juris).

b) Hieran gemessen ist nicht rechtsfehlerfrei belegt, dass es sich in den Fällen II.143 bis II.186 und II.314 bis II.323 um Bandentaten handelte. Es fehlt bereits an der notwendigen Gesamtwürdigung, bei der die Strafkammer hätte in Betracht ziehen müssen, dass der Angeklagte und C. diese Taten losgelöst von der Bandenabrede begingen, obwohl hierfür mehrere Anhaltspunkte streiten.

aa) Nach Ende der ersten Tatserie, die der Angeklagte und C. unter Mitwirkung des M. bis 14. Februar 2019 begingen, folgten weitere - gleichgelagerte ? Taten des C. als Einzeltäter. Die nächsten Automatendiebstähle beging C. unter Einbindung des Z., bevor er in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2019 eine weitere Tat mit dem Angeklagten unternahm. Die weitere Tatserie unter Einbindung des Bandenmitglieds M. begann erst am 7. März 2019, nachdem der Angeklagte, C. und M. zunächst nach dem 27. Februar 2019 einen weitergehenden Tatentschluss gefasst hatten.

bb) Dieser zeitliche Ablauf der Taten, bei denen C. teilweise außerhalb der Bande stehende Tatgenossen einband und teilweise als Alleintäter auftrat, legt nahe, dass er diese Taten ausschließlich aus einem eigennützigen Motiv außerhalb der Bande beging. Ein konkreter Bandenbezug ist nicht erkennbar. Gleiches gilt für den Angeklagten und für die Taten, an denen lediglich C. und er beteiligt waren.

c) Da weitergehende Feststellungen zum Vorliegen einer Bandentat in den Fällen II.143 bis II.186 bzw. II.314 bis II.323 nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch in diesen Fällen unter Beachtung der vorstehend dargelegten konkurrenzrechtlichen Bewertung in eine Verurteilung wegen Diebstahls abgeändert. Dies führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichem Schuldspruch. § 265 StPO steht nicht entgegen, da der geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

d) Im Übrigen hat die Überprüfung des Schuldspruchs sowie der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Der Senat hat alle Einzelstrafen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht eine Strafzumessung unter Berücksichtigung der geänderten konkurrenzrechtlichen Einordnung der Einzeltaten zu ermöglichen. Durch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO wäre das neue Tatgericht nicht daran gehindert, wegen der nunmehr einheitlich zu ahndenden Straftaten höhere als die bislang verhängten Einzelfreiheitsstrafen auszusprechen, solange die bisherige Gesamtfreiheitsstrafe nicht überschritten wird (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2020 - 5 StR 144/20, juris Rn. 12 mwN). Der Entfall der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, da diese nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind. Sie bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht mit den bisherigen in Widerspruch stehen. Er wird gehalten sein, die einbezogenen Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Schwetzingen vom 17. Juni 2019 darzustellen (vgl. zur notwendigen konkreten Mitteilung der einbezogenen Einzelstrafen BGH, Urteil vom 5. April 2018 - 1 StR 654/17, juris Rn. 5; Beschluss vom 12. Dezember 1986 - 3 StR 530/86, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Gesamtstrafe 1; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 138/14, juris Rn. 4).

III.

1. Die aufgezeigten Rechtsfehler betreffen den Angeklagten C. in gleicher Weise wie den Angeklagten.

a) Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 bis II.186 und II.314 bis II.431 war gemäß § 357 StPO auf ihn zu erstrecken. Dies zieht die Aufhebung der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie der Gesamtstrafe nach sich.

b) Eine Erstreckung auf die weiteren Taten des C. war nicht geboten, weil dieser im Übrigen nicht gemeinsam mit dem Beschwerdeführer wegen einer nämlichen Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO verurteilt worden ist. Bei den weiteren Diebstahlstaten des C. handelt es sich nicht nur um materiellrechtlich, sondern auch um prozessual selbständige Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Die bloße Gleichartigkeit mehrerer, im selben Urteil abgeurteilter Taten unterschiedlicher Täter genügt jedoch nicht, um eine Rechtswirkung im Sinne der grundsätzlich zurückhaltend anzuwendenden Vorschrift des § 357 StPO herbeizuführen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19, juris Rn. 22; BGH, Beschluss vom 12. September 1996 - 1 StR 509/96, BGHR, § 357 StPO Erstreckung 6; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 357 Rn. 18 f).

2. Eine Erstreckung der Schuldspruchänderung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Z. (Fälle II.410 bis II.418) war ebenfalls nicht veranlasst.

Der Nichtrevident ist nicht von derselben Rechtsverletzung betroffen. Die Strafkammer hat ihrer rechtlichen Würdigung bei ihm eine andere konkurrenzrechtliche Betrachtung zugrunde gelegt. Sie ist von einer einheitlichen Beihilfehandlung an jedem der beiden betroffenen Bahnhöfe ausgegangen und hat ihn in diesen Fällen lediglich wegen Beihilfe zum Diebstahl in zwei Fällen schuldig gesprochen. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung der Haupttaten bleibt damit angesichts der jeweils einheitlichen Beihilfehandlung ohne Einfluss auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der von ihm begangenen Taten.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1381

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 13

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner