HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 746
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 233/20, Beschluss v. 16.02.2021, HRRS 2021 Nr. 746
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 12. Februar 2020 in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornografischer Schriften unter Einbeziehung von anderweitig verhängten Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und außerdem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornografischer Schriften und in einem Fall hiervon außerdem in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Während die Überprüfung des Schuldspruchs und der Einzelstrafbemessung aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, können die Gesamtstrafenaussprüche keinen Bestand haben.
Nötigt - wie hier - die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Vorverurteilung zur Bildung zweier Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Dabei muss es nicht nur darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, sondern auch erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 313, vom 17. April 2008 - 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234, vom 7. Februar 2018 - 1 StR 582/17, NStZ-RR 2018, 171). Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht, weil es keine Ausführungen zum Gesamtstrafübel enthält. Der Senat kann nicht vollständig ausschließen, dass die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesem Mangel beruht.
Da die Gesamtstrafenaussprüche allein aufgrund eines Begründungsmangels keinen Bestand haben, sind die zugrundeliegenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann weitergehende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 746
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 303
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner