HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1120
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 54/19, Beschluss v. 09.10.2019, HRRS 2019 Nr. 1120
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Der Beschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2019 (4 BGs 25/19) am 12. Februar 2019 festgenommen worden und hat sich zunächst bis 17. Mai 2019 in Untersuchungshaft befunden. Mit Beschluss vom 17. Mai 2019 (4 BGs 128/19) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl vom 7. Februar 2019 aufgehoben und die unverzügliche Haftentlassung des Beschuldigten angeordnet, welche noch am selben Tag erfolgte. Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts hat der Senat mit Beschluss vom 6. Juni 2019 (StB 14/19) den Beschluss vom 17. Mai 2019 aufgehoben und den Haftbefehl vom 7. Februar 2019 dahin geändert, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, er habe im September oder Oktober 2011 im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung als Mitarbeiter des syrischen allgemeinen Geheimdienstes anderen dazu Hilfe geleistet, in einem Gefängnisgebäude der Abteilung 251 dieses Geheimdienstes in Damaskus (Syrien) eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Menschen, mindestens aber 30, zu foltern, die sich im Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter der Kontrolle der dortigen Mitarbeiter befunden hätten, indem diese ihnen erhebliche körperliche oder seelische Leiden zugefügt hätten, und zugleich die Opfer mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich körperlich zu misshandeln und an der Gesundheit zu schädigen, strafbar als Beihilfe zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit 30 tateinheitlichen Fällen der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 27 Abs. 1, § 52 StGB. Die weitergehende Beschwerde des Generalbundesanwalts hat der Senat verworfen, weil ein dringender Tatverdacht hinsichtlich der übrigen im Haftbefehl vom 7. Februar 2019 genannten Tatvorwürfe nicht bestanden hat.
Aufgrund des Beschlusses vom 6. Juni 2019 in Verbindung mit dem Haftbefehl vom 7. Februar 2019 ist der Beschuldigte am 24. Juni 2019 erneut festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2019 in Verbindung mit dem Beschluss des Senats vom 6. Juni 2019 zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Tatvorwürfe, des dringenden Tatverdachts und des Haftgrundes wird Bezug genommen auf die Entscheidung vom 6. Juni 2019. Die Gründe dieser Entscheidung gelten unvermindert fort. Die zwischenzeitlich durchgeführten weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts - insbesondere die Vernehmungen der Zeugen A., M. und F. - haben den Verdacht vertieft, dass es auch im Oktober 2011 zu systematischen Folterungen im Gefängnis der Abteilung 251 des Geheimdienstes in Damaskus kam.
2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
Der besondere Umfang der Ermittlungen und deren Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist seit dem 12. Februar 2019 in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise geführt worden.
Nach der Festnahme des Beschuldigten sind weitere umfangreiche Ermittlungen durchgeführt worden. Das Bundeskriminalamt hat seither 34 Zeugen vernommen. Eine Vielzahl der Vernehmungen hat in Norwegen und Frankreich stattgefunden. Die jeweiligen Rechtshilfemaßnahmen sind frühzeitig eingeleitet worden. Darüber hinaus sind bei der am Tag der Festnahme vollzogenen Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten zwei Tablets, ein Mobiltelefon, drei USB-Sticks, sieben Speicherkarten und drei SIM-Karten sichergestellt worden. Diese Asservate sind bereits weitgehend ausgewertet. Schon vor der Festnahme hatte der Generalbundesanwalt die Ethnologin T. mit einem Sachverständigengutachten zur Lage in Syrien in den Jahren 2011 und 2012 beauftragt, das seit dem 7. Juni 2019 vorliegt. Eine gutachterliche Rechtsauskunft zum syrischen Strafrecht, das von dem am Max Planck-Institut in Freiburg tätigen Privatdozenten Dr. K. erstellt worden ist, ist zwischenzeitlich ebenfalls beim Generalbundesanwalt eingegangen. Ferner ist nach der Festnahme eine Anfrage an die International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (Col) zu deren Erkenntnissen über die Abteilungen 251 und 285 des syrischen allgemeinen Geheimdienstes gestellt worden. Die in englischer und zum Teil auch in arabischer Sprache abgefasste, umfangreiche Antwort ist am 13. Mai 2019 beim Generalbundesanwalt eingegangen. Die unverzüglich veranlassten Übersetzungen haben die Ermittlungsbehörde am 12. Juli 2019 erreicht.
In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Der Generalbundesanwalt beabsichtigt, noch im Oktober 2019 Anklage zu erheben.
3. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1120
Bearbeiter: Christian Becker