HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 390
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 21/19, Beschluss v. 19.02.2019, HRRS 2019 Nr. 390
Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Weißenburg zuständig.
Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach hat unter dem 26. Oktober 2015 beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bad Kreuznach gegen den zur Tatzeit noch heranwachsenden Angeklagten wegen mehrerer im Zeitraum von Dezember 2014 bis August 2015 in Bad Kreuznach begangener Straftaten (u.a. gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung) Anklage erhoben. Mit weiterer Anklageschrift vom 3. November 2015 hat sie den Angeklagten wegen eines im August 2015 in Bad Kreuznach begangenen Diebstahls ebenfalls beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bad Kreuznach angeklagt (1044 Js 17200/15). Mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 hat das Amtsgericht Bad Kreuznach die Verfahren verbunden, mit weiterem Beschluss vom 13. Januar 2016 die Anklagen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Eine Hauptverhandlung konnte gegen den Angeklagten bislang nicht durchgeführt werden. Der unter gesetzlicher Betreuung stehende Angeklagte ist psychisch erkrankt und lebte in der Vergangenheit im Obdachlosenmilieu. Zu einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. März 2016 wurde er aus der Rheinhessen Fachklinik, in der er zwischenzeitlich untergebracht war, vorgeführt. Eine Verhandlung zur Sache fand jedoch nicht statt, weil der Angeklagte nicht verhandlungsfähig war. Da der Angeklagte nach seiner Entlassung aus der Fachklinik unbekannten Aufenthalts war, wurde das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 1. April 2016 gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt. Zu einem weiteren nach Wiederaufnahme des Verfahrens bestimmten Termin zur Hauptverhandlung am 16. März 2017 erschien der Angeklagte nicht. Mit Beschluss vom 21. April 2017 hat das Amtsgericht Bad Kreuznach das Verfahren erneut auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen unbekannten Aufenthalts des Angeklagten gemäß § 205 StPO eingestellt.
Der Angeklagte ist seit dem 6. Juni 2018 jedenfalls noch bis zum 10. Oktober 2019 durch seinen gesetzlichen Betreuer mit Zustimmung des Amtsgerichts Neumarkt i.d. Oberpfalz in der geschlossenen Abteilung der AWO Wohnstätte Mohren für psychisch Kranke in Treuchtlingen untergebracht. Laut Auskunft der Wohnstätte kommt aufgrund des Gesundheitszustands des Angeklagten sowie seiner mangelnden Absprachefähigkeit eine Anreise zu einer Hauptverhandlung am Amtsgericht Bad Kreuznach nicht in Betracht. Mit Beschluss vom 11. September 2018 hat das Amtsgericht Bad Kreuznach das Verfahren daher mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gemäß § 42 Abs. 3 JGG an das für Treuchtlingen zuständige Amtsgericht Weißenburg abgegeben. Der Vorsitzende des dortigen Jugendschöffengerichts hat die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 25. Oktober 2018 als unzweckmäßig abgelehnt. Das Amtsgericht Bad Kreuznach hat das Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 16. Dezember 2018 dem Bundesgerichtshof als gemeinschaftlichem oberen Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung des zwischen den Jugendgerichten bestehenden Streits gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG als gemeinschaftliches oberes Gericht berufen, weil die Amtsgerichte Bad Kreuznach und Weißenburg in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen.
Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
„Für die Verhandlung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Weißenburg zuständig. Die Voraussetzungen für eine Abgabe nach § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG, der hier in Verbindung mit § 108 JGG anwendbar ist, liegen vor, weil der Angeklagte seinen Aufenthaltsort nach Anklageerhebung gewechselt hat. Dass der Angeklagte sich aufgrund richterlicher Anordnung in der Wohnstätte in Treuchtlingen befindet, ist insoweit ohne Belang, da es auf die Freiwilligkeit des Aufenthaltswechsels nicht ankommt (vgl. Eisenberg, JGG 19. Auflage, § 42 Rn. 22 m.w.N.).
Die im richterlichen Ermessen stehende Abgabe der Sache erscheint insbesondere im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Angeklagten auch sachgerecht. Zwar hat das Amtsgericht Bad Kreuznach bereits über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und ist mit der Sache vertraut. Auch unter Berücksichtigung dessen sowie des Umstands, dass gegebenenfalls die in den Anklageschriften benannten Zeugen gehört werden und diese überwiegend aus Bad Kreuznach zur Hauptverhandlung nach Weißenburg anreisen müssen, stellt sich die Abgabe des Verfahrens gleichwohl als zweckmäßig dar. Denn beim Amtsgericht Bad Kreuznach kann dem dort nunmehr bereits seit mehr als drei Jahren anhängigen Verfahren während der Unterbringung des Angeklagten in der geschlossenen Abteilung der AWO Wohnstätte in Treuchtlingen bis zum 10. Oktober 2019 kein Fortgang gegeben werden. Zudem droht eine weitere Verzögerung des Verfahrens über diesen Zeitpunkt hinaus nicht nur bei einer möglichen Verlängerung der Unterbringung, sondern auch im Fall einer Beendigung, weil die Gefahr besteht, dass der zuvor obdachlose Angeklagte nach der Entlassung erneut unbekannten Aufenthalts sein wird. Bei dieser Sachlage ist die Abgabe des Verfahrens vom Amtsgericht Bad Kreuznach an das für den jetzigen Aufenthaltsort des Angeklagten zuständige Amtsgericht Weißenburg sachgerecht.“
Dem tritt der Senat bei.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 390
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner