HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1013
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 16/19, Beschluss v. 21.08.2019, HRRS 2019 Nr. 1013
1. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Adelsheim vom 23. November 2018 wird aufgehoben.
2. Für die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Ulm vom 21. März 2017 ist das Amtsgericht Adelsheim zuständig.
Die Amtsgerichte Adelsheim und Ulm streiten sich über die Zuständigkeit für die weitere Vollstreckung der gegenüber dem Verurteilten verhängten Jugendstrafe.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt:
„Für das Vollstreckungsverfahren ist der Bundesgerichtshof als das gemeinschaftliche obere Gericht der zu unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken gehörenden Amtsgerichte zur Entscheidung über den sachlichen Kompetenzkonflikt nach § 14 StPO berufen, der in entsprechender Anwendung auch für das Vollstreckungsverfahren gilt […]. Diese Zuständigkeit besteht auch im vorliegenden Fall der Ablehnung der Übernahme der Vollstreckungsleitung nach § 85 Abs. 5 JGG (BGHSt 30, 78; BGH NStZ 2005, 167; Eisenberg, JGG, 20. Aufl, § 85 Rn 18).
Die Entscheidung über eine Abgabe nach § 85 Abs. 5 JGG trifft der Vollstreckungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen, für dessen Ausübung im wesentlichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgebend sind, bei denen es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (Eisenberg, JGG, 20. Aufl, § 85 Rn 14). Dabei ist besondere Rücksicht auf den Grundsatz der Vollzugsnähe zu nehmen (BGH NStZ 2005, 167), aber nur, sofern er sich konkret als stichhaltig erweist (OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 380).
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen erscheint es sachgerecht, die Vollstreckung der Jugendstrafe bis auf weiteres dem Amtsgericht Adelsheim zu übertragen. Wichtige Gründe für die Übertragung der Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG auf das Amtsgericht Ulm liegen hier nicht vor: Der vom Amtsgericht Adelsheim in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2018 (Bl. 263 des Vollstreckungshefts) allein angeführte Gesichtspunkt der Vollzugsnähe kann unter Abwägung aller Umstände im vorliegenden Fall für eine Übertragung nicht ausschlaggebend sein: Der Verurteilte war bis zu seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Ulm seit dem 19. September 2017 in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim inhaftiert. […] Der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim hat wichtiges Erfahrungswissen über das Vollzugsverhalten des Gefangenen sammeln können und sich zur Vorbereitung seiner Entscheidung zur Ausnahme aus dem Jugendstrafvollzug eingehend mit der Person des Heranwachsenden - auch im Rahmen einer persönlichen Anhörung am 26. Oktober 2018 - beschäftigt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 380). Bei dieser Sachlage wäre es erkennbar unzweckmäßig, dem bislang mit der Sache nicht befassten und mit der Person des Verurteilten nicht vertrauten Jugendrichter des Amtsgerichts Ulm die aktuell anstehenden Entscheidungen zu übertragen und das beim Vollstreckungsleiter in Adelsheim vorhandene Erfahrungswissen nicht zu nutzen. Hinzu kommt, dass der Verurteilte nach Aktenlage vor seiner Inhaftierung seinen Lebensmittelpunkt außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Amtsgerichts Ulm hatte und daher aus heutiger Sicht nicht zu erwarten ist, dass er nach einer Entlassung (auf Bewährung) dort Wohnsitz nehmen wird. Im Falle einer Haftentlassung stünde dann ein weiterer, zusätzlicher Zuständigkeitswechsel unmittelbar zu erwarten; ein offensichtlich unzweckmäßiger Geschehensablauf.“
Dem tritt der Senat bei.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1013
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner