HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 973
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 547/19, Urteil v. 01.07.2020, HRRS 2020 Nr. 973
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 12. August 2019 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem verbotenen Besitz eines Faustmessers, einer Federdruckwaffe und von Patronenmunition zu vier Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.281,06 €.
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts bei der Strafzumessung rügt, hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der nicht vorbestrafte Angeklagte, der weder eine betäubungsmittel- noch eine waffenrechtliche Erlaubnis besaß, handelte seit 2015 mit Haschisch. Im Sommer des Jahres 2018 erwarb er drei Kilogramm Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf und ein Kilogramm Marihuana zum Eigenkonsum. Hiervon wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 26. Februar 2019 Haschisch mit einer Mindestwirkstoffmenge von 374,76 Gramm Delta-9-THC und Marihuana mit einer Mindestwirkstoffmenge von 74,05 Gramm Delta-9-THC sowie Bargeld in Höhe von 19.281,06 € aufgefunden und sichergestellt. Zudem verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung griffbereit ein Faustmesser, zwei möglicherweise nicht funktionsfähige Schreckschusspistolen mit Munition, ein funktionstüchtiges und verändertes Luftdruckgewehr mit einer Bewegungsenergie von 10,27 Joule sowie eine funktionsfähige halbautomatische, mit einer Patrone 6,35 mm geladene Schusswaffe Röhm RG 800, die für das Verschießen der besagten Munition umgebaut worden war, und acht weitere Patronen gleichen Kalibers.
2. Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen. Hinsichtlich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hat es einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG und des § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Die Strafkammer führt aus, der Fall sei mit dem der Entscheidung des Senats vom 3. Juli 2019 (2 StR 589/18) vergleichbar und wertet zugunsten des Angeklagten unter anderem dessen Geständnis, dem hinsichtlich des Handeltreibens „ein entscheidendes Gewicht“ zukomme, weil dieses ansonsten nicht nachweisbar gewesen wäre.
Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 ? 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105 ff.; Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 ? 2 StR 90/14, 2014, 285; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 9) Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten oder zum Nachteil (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten ergeben.
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In diese Einzelakte der Strafzumessung darf das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen, der etwa dann gegeben sein kann, wenn die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen anerkannte Strafzwecke verstößt oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 135/18 Rn. 29; Senat, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 258/15 Rn. 26 je mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 ? 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339 und vom 31. Juli 2014 ? 4 StR 216/14 Rn. 5).
2. Gemessen daran greifen die Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nicht durch.
a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht nicht übersehen, dass jeweils eine große Menge an Betäubungsmitteln Gegenstand der Tat war. Insofern zutreffend hat die Strafkammer gesehen, dass dies die Bewertung als minder schwerer Fall des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 3 BtMG bei Vorliegen gewichtiger Milderungsgesichtspunkte nicht ausschließt (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 2019 - 2 StR 589/18 Rn. 13). Die Ausführungen der Strafkammer, der zu entscheidende Fall sei mit dem der Senatsentscheidung vom 3. Juli 2019 (2 StR 589/18) zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar, geben zwar Anlass zu dem Hinweis, dass für Vergleiche mit der Strafzumessung in anderen Urteilen regelmäßig kein Raum ist (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 258/15 Rn. 30; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 263 ff.). Der Senat kann aber nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausschließen, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung andere als die relevanten Umstände des konkreten Falles in den Blick genommen hat. Sie hat neben den inmitten stehenden Betäubungsmittelmengen insbesondere auch bedacht, dass der Angeklagte zugriffsbereit mehrere Waffen (eine verbotene und weitere erlaubnispflichtige) in seiner Wohnung aufbewahrte.
b) Die Rüge der Revision, das Landgericht habe dem Geständnis des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen, greift ebenfalls nicht durch.
Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die Strafkammer hinsichtlich des zur Aburteilung gelangten Sachverhalts nicht erkennbar in den Blick genommen hat, dass bereits gewichtige Indizien für ein Handeltreiben des Angeklagten (und nicht lediglich den Besitz von Betäubungsmitteln) festgestellt sind: die sichergestellte Menge an Haschisch und Marihuana (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 66); der Umstand, dass zugleich in der Wohnung des ansonsten mittellosen Angeklagten wahllos verstreutes Bargeld in Höhe von mehr als 19.000 € (vgl. Senat, Urteil vom 18. Mai 2016 - 2 StR 406/15 Rn. 8) sowie „dealertypische“ Gegenstände (eine Feinwaage und in einem Karton aufbewahrte „Zip-Tütchen“) aufgefunden wurden.
Die Revision übersieht indes, dass der Angeklagte auch Angaben zu einem über die sichergestellten Betäubungsmittel hinausgehenden Handel ab dem Jahr 2015 gemacht hat, hinsichtlich dessen weitere Beweismittel oder -anzeichen nicht festgestellt sind, und auf den das Landgericht seine Einziehungsentscheidung gestützt hat. Ferner würdigt das Landgericht strafmildernd, dass der Angeklagte nicht vorbestraft und erstmals in Untersuchungshaft ist, dass er sich schon bei der Durchsuchung kooperativ gezeigt hat, dass der Großteil des erworbenen Rauschgifts sichergestellt werden konnte, dass es sich um „weiche“ Drogen gehandelt hat, dass der Angeklagte seit Jahren abhängig ist und die Tat im Zusammenhang mit dieser Abhängigkeit steht, dass er sich im Tatzeitraum in einer schwierigen Lebenssituation befunden hat und dass er nunmehr gewillt ist, sein Suchtproblem aktiv anzugehen und sein Leben zu verändern. Es ist daher auszuschließen, das Landgericht könnte dem Geständnis des Angeklagten ein solches Gewicht beigemessen haben, dass die Annahme eines minder schweren Falles durchgreifend rechtsfehlerhaft wäre.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 973
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner