HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1051
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 514/19, Beschluss v. 01.07.2020, HRRS 2020 Nr. 1051
1. Auf die Revision des Angeklagten Y. gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 6. Juni 2019 wird
a) die Strafverfolgung im Fall 1 der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 593 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen beschränkt; im Umfang der Beschränkung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, dahin geändert, dass der Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 593 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen Betruges in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Wochen verurteilt wird;
c) von der Einziehung der in der Urteilsformel unter Ziff. 12.a aufgeführten Debitkarte und Mastercard mit Zustimmung des Generalbundesanwalts abgesehen; diese Einziehungsanordnung entfällt.
2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird a) das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft und er verurteilt ist, aa) im Gesamtstrafenausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sieben Monaten und einer Woche verurteilt wird; bb) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben, soweit die Einziehung über einen Betrag von 122.062,22 € hinaus angeordnet worden ist; die weitergehende Einziehung entfällt; b) von der Einziehung der in der Urteilsformel unter Ziff. 12.b aufgeführten Gegenstände mit Zustimmung des Generalbundesanwalts abgesehen; diese Einziehungsanordnung entfällt.
3. Die weiter gehenden Revisionen und die Revisionen der Angeklagten V. und B. werden verworfen.
4. Der Beschwerdeführer Y. hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels, die Beschwerdeführer A., V. und B. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die Angeklagten Y., V. und B. auch die im Revisionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen „des tateinheitlichen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 595 rechtlich zusammentreffenden Fällen und des Betruges in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Betruges in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie - jeweils unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung - den Angeklagten V. wegen „der tateinheitlichen Beihilfe zum Betrug in 491 rechtlich zusammentreffenden Fällen“ und den Angeklagten B. wegen „der tateinheitlichen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug in 491 rechtlich zusammentreffenden Fällen“ jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Es hat ferner hinsichtlich der Angeklagten Y., A. und B. sowie der nicht revidierenden Einziehungsbeteiligten U. GmbH die Einziehung des Wertes von Taterträgen und die Einziehung zahlreicher Gegenstände als Tatmittel angeordnet. Außerdem hat das Landgericht die Angeklagten Y., V. und B. gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Adhäsionskläger 421,44 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.
Gegen das Urteil wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und der Angeklagte V. zudem auf die Verletzung von Verfahrensrecht stützen. Soweit es den Angeklagten Y. betrifft, hat der Senat die Strafverfolgung teilweise beschränkt und den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Rechtsmittel der Angeklagten Y. und A. haben lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg und sind im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revisionen der Angeklagten V. und B. haben keinen Erfolg.
1. a) Die Verurteilung des Angeklagten Y. im Fall 1 der Urteilsgründe wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 595 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen begegnet rechtlichen Bedenken. Im Rahmen dieser - zutreffend unter dem Gesichtspunkt eines uneigentlichen Organisationsdeliktes (vgl. dazu Senat, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 StR 160/09, StV 2010, 363; vom 23. Mai 2012 - 2 StR 555/12, wistra 2012, 389 f.; BGH, Beschluss vom 14. November 2012 - 3 StR 403/12, StV 2013, 386, 387) als einheitlich gewerteten - Tat ist für die als „Fall 8“ und „Fall 36“ erfassten Vorgänge der Eintritt eines Schadens nicht belegt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung auf die übrigen Teile der Tat beschränkt (§ 154a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
b) Die Beschränkung der Strafverfolgung führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Die Schuldspruchänderung nötigt nicht zur Aufhebung der für Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Anzahl von 593 tateinheitlichen Betrugsfällen und des zusätzlichen Umstands, dass die als „Fall 8“ und „Fall 36“ bezeichneten Vorgänge bei der Bemessung der Gesamtschadenssumme mit „0 €“ angesetzt wurden, ausschließen, dass die Strafkammer ohne diese eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.
c) Das Urteil ist jedoch im Ausspruch über die den Angeklagten Y. betreffende Gesamtfreiheitsstrafe abzuändern, weil die Strafkammer die Vornahme eines Härteausgleichs außer Betracht gelassen hat.
aa) Das Tatgericht hat einen Härteausgleich zu erörtern und gegebenenfalls im Rahmen des für die Strafzumessung geltenden tatrichterlichen Ermessens vorzunehmen, wenn die Einbeziehung einer grundsätzlich nach § 55 Abs. 1 StGB gesamtstrafenfähigen Strafe nicht mehr möglich ist, weil diese schon vollständig vollstreckt wurde; dies gilt insbesondere im Fall der Vollstreckung einer Geldstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. September 2014 - 2 StR 325/14, juris Rn. 2 f.; vom 11. Februar 2016 - 2 StR 397/15, juris Rn. 5; vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, NStZ-RR 2016, 251).
bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte Y. durch rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 17. November 2017 wegen einer am 26. Januar 2016 begangenen Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt; diese Geldstrafe ist im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe durch Unterbrechung der Untersuchungshaft in der vorliegenden Sache vollstreckt worden. Die Strafkammer hat die bei dieser Sachlage angezeigte Vornahme eines Härteausgleichs unterlassen.
cc) Der Härteausgleich ist in die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe einzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, NStZ-RR 2016, 251; BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; LK/Rissing-van Saan/Scholze, StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 32; SSW-StGB/Eschelbach, 4. Aufl., § 55 Rn. 20). Das Revisionsgericht kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den unterbliebenen Härteausgleich ausnahmsweise selbst vornehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 1997 - 4 StR 232/97; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 354 Rn. 27). Um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen, nimmt der Senat als Ausgleich einen Abzug in Höhe der vollstreckten Vorstrafe vor und setzt die Gesamtfreiheitsstrafe auf fünf Jahre und drei Wochen fest, mithin auf die insoweit gesetzlich zulässig niedrigste Strafe.
d) Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat schließlich von der Einziehung der in der Urteilsformel unter Ziff. 12.a aufgeführten Debitkarte und Mastercard bei dem Angeklagten Y. abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Dies führt zum Wegfall dieses Teils der Einziehungsentscheidung.
2. a) Auf die Revision des Angeklagten A. ist das Urteil im Ausspruch über die gegen ihn verhängte Gesamtfreiheitsstrafe abzuändern. Die Strafkammer hat die nach den vorgenannten Maßstäben (siehe oben unter 1. c)) angezeigte Vornahme eines Härteausgleichs außer Betracht gelassen.
Gemäß den landgerichtlichen Feststellungen ist der Angeklagte A. durch rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 3. Mai 2018 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt; die Vollstreckung der Geldstrafe ist „nach teilweiser Zahlung und Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe erledigt“. Zwar bleibt danach offen, in welchem genauen Umfang die verhängte Geldstrafe im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden ist; jedenfalls wäre aber auch hier die Vornahme eines Härteausgleichs bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe zu erörtern gewesen.
Um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen, berücksichtigt der Senat den auszugleichenden Nachteil wiederum in Höhe der vollstreckten Vorstrafe und setzt die Gesamtfreiheitsstrafe auf die danach gesetzlich zulässig niedrigste Strafe von drei Jahren sieben Monaten und einer Woche fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
b) Das Urteil ist ferner im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufzuheben, soweit gegen den Angeklagten A. die Einziehung über einen Betrag von 122.062,22 € hinaus angeordnet worden ist.
Das Landgericht hat den aufgrund der Fälle 2 bis 7 der Urteilsgründe eingetretenen Gesamtschaden - ohne nähere Erläuterung - auf 124.002,43 € beziffert. Eine Summierung der betreffenden Einzelschäden ergibt rechnerisch jedoch lediglich einen Gesamtschaden von 122.336,18 €. Davon ausgehend unterliegt - nach dem von der Strafkammer zutreffend vorgenommenen Abzug einer von dem Angeklagten an ein Kreditinstitut geleisteten Ratenzahlung in Höhe von 273,96 € (§ 73e Abs. 1 StGB) - ein Geldbetrag von 122.062,22 € der Einziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB. Die über diesen Betrag hinausgehende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist aufzuheben und entfällt.
c) Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat von der Einziehung der in der Urteilsformel unter Ziff. 12.b aufgeführten Gegenstände bei dem Angeklagten A. abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Dies führt insoweit zum Wegfall der Einziehungsentscheidung.
3. Die Verfahrensrüge des Angeklagten V. ist mangels einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Begründung unzulässig; im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten V. und B. unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
4. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO aus § 467 Abs. 1 StPO. Da der nicht von der Verfahrensbeschränkung betroffene Teil des Urteils durch Verwerfung der Revision rechtskräftig wird, war die Entscheidung nach § 154a Abs. 2 StPO mit einer Kostenentscheidung zu verbinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 - 4 StR 646/17, juris Rn. 21; vom 26. Juli 2017 - 3 StR 437/16, juris Rn. 9; vom 31. Mai 2016 - 3 StR 54/16, StraFo 2016, 346, 347; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., § 154a Rn. 12 mwN). Im Übrigen ist es angesichts des lediglich geringen Teilerfolges der Revisionen der Angeklagten Y. und A. nicht unbillig, diese Angeklagten mit den (verbleibenden) Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus folgt die Entscheidung über die Kosten und Auslagen aus § 472a Abs. 1, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1051
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 306; StV 2021, 40
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner