HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 701
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 266/19, Beschluss v. 04.03.2020, HRRS 2020 Nr. 701
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 11. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II.B.1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Strafausspruch zu Fall II.A. der Urteilsgründe,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit Raub, mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit Computerbetrug in zwei Fällen und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und eine Sperre zur Erteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Überdies hat die Strafkammer eine Adhäsionsentscheidung zugunsten des Nebenklägers getroffen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Die Verfahrensrügen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit der Angeklagte im Fall II.B.1. der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, hält das angegriffene Urteil revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte am Abend des 28. Mai 2018 durch Aufhebeln der Eingangstür Zutritt zur Wohnung des Geschädigten O. in Z. Dort nahm er den Ersatzschlüssel des vom Geschädigten genutzten Pkw an sich, um diesen zu entwenden. Da er den Wagen aber nicht in der Nähe des Wohnhauses fand, wollte er einen Tag später erneut nach dem Fahrzeug Ausschau halten. In der Nacht vom 29. Mai auf den 30. Mai 2018 kehrte er zum Tatort zurück und fand den Wagen nunmehr vor dem Wohnhaus geparkt. Mit dem entwendeten Schlüssel öffnete er das Fahrzeug und fuhr damit, ohne über eine Fahrerlaubnis zu verfügen, mehrere hundert Kilometer und beschädigte es dabei. Er wollte den Wagen so lange wie möglich für sich nutzen, ihn dann irgendwo abstellen und es dem Zufall überlassen, ob das Fahrzeug wieder zum Eigentümer zurück gelangt oder nicht. Das Fahrzeug wurde am Morgen des 1. Juni 2018 in einer Straße in J. von der Polizei aufgefunden und dem Geschädigten zurückgegeben.
b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden Bedenken.
Der Angeklagte hat eingeräumt, den Wagen des Geschädigten gefahren und beschädigt zu haben. Allerdings sei er dazu nicht eingebrochen, sondern habe den Schlüssel von jemandem erhalten, dessen Namen er nicht nennen wolle. Die Strafkammer hat diese Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung angesehen. Sie hat ihre Überzeugung, dass der Angeklagte in die Wohnung des Geschädigten eingebrochen sei, wesentlich auf die Erwägung gestützt, dass der Angeklagte auf Fotos der Überwachungskamera einer Tankstelle zu sehen sei, die am frühen Morgen des 30. Mai 2018 aufgenommen worden waren. Der Angeklagte sei „somit bereits nachts nur wenige Stunden nachdem der Zeuge O. sein Fahrzeug das letzte Mal gesehen hatte“ mit dem Wagen gefahren. Es erscheine „abwegig, dass ein unbekannter Täter des Einbruchsdiebstahls dem Angeklagten unmittelbar nach dem Einbruch mitten in der Nacht die Autoschlüssel übergeben haben soll“.
Diese Erwägung des Landgerichts steht jedoch in Widerspruch dazu, dass nach den Angaben des Geschädigten, denen die Strafkammer folgt, bereits am Abend des 28. Mai 2018 in die Wohnung des Geschädigten eingebrochen worden war. Zwischen der Wegnahme des Schlüssels und den Aufnahmen der Überwachungskamera lagen daher nicht „nur wenige Stunden“, sondern mehr als ein ganzer Tag. Daher ist der vom Landgericht gezogene Schluss, die Täterschaft des Angeklagten folge aus einem sehr kurzen zeitlichen Abstand zwischen Einbruch und Nutzung des Fahrzeugs, nicht tragfähig begründet.
2. Auch die Strafzumessung zu Fall II.A. der Urteilsgründe ist durchgreifend rechtsfehlerhaft, was zur Aufhebung des betreffenden Strafausspruchs führt.
Zwar ist die Strafkammer zutreffend vom Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB ausgegangen. Entgegen § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO hat sie aber nicht die Umstände angeführt, die für die Zuweisung der Strafe bestimmend gewesen sind (vgl. SSW-StPO/Güntge, 4. Aufl., § 267 Rn. 24; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 24), sondern lediglich das Ergebnis der Strafzumessung (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten) mitgeteilt. Der Senat kann somit nicht überprüfen, ob dieser Entscheidung eine auf zutreffende Erwägungen gestützte Gesamtwürdigung zugrunde liegt.
3. Die Aufhebung im Fall II.B.1. der Urteilsgründe und der Wegfall der Einzelstrafe zu Fall II.A. der Urteilsgründe ziehen die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 701
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner