HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 823
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 104/19, Beschluss v. 26.06.2019, HRRS 2019 Nr. 823
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 13. September 2018 im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen (Einzelstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren und drei Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen sowie die Sachrüge, soweit sich diese gegen den Schuldspruch und die Strafzumessung im Fall 1 der Urteilsgründe richtet, bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
2. Hingegen halten der Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat bei der konkreten Zumessung beider Einzelstrafen zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass dieser zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten „unter laufender Bewährung aus dem Beschluss des Landgerichts Rostock vom 29. November 2010 stand“. Diese Wertung wird für die zweite Tat von den Feststellungen nicht getragen. Denn der Angeklagte beging diese zu einem „nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zum Ende des Jahres 2013“, während die dreijährige Bewährungszeit aus dem Beschluss des Landgerichts Rostock vom 29. November 2010 lediglich bis zum 9. Dezember 2013 lief. Danach hat der Angeklagte die zweite Tat nicht ausschließbar nach dem 9. Dezember 2013 und damit nach Ablauf der Bewährungszeit begangen. Der im Tatzeitpunkt noch ausstehende Beschluss über den Erlass der Strafe rechtfertigt es nicht, dem Angeklagten zur Last zu legen, er habe die neue Tat „unter laufender Bewährung“ begangen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2017 - 3 StR 331/17, juris Rn. 11; vom 6. September 2016 - 3 StR 283/16, juris Rn. 3).
b) Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Dieser erweist sich aber auch deshalb als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht es unterlassen hat, im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zugunsten des Angeklagten einen Härteausgleich zu erörtern, obwohl dies geboten war.
aa) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 17. April 2014 durch das Amtsgericht Rostock wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, im Fall 1 tateinheitlich mit versuchter Nötigung, Tatzeiten waren der Vor- bzw. Nachmittag des 9. Januar 2014, zu einer „Freiheitsstrafe“ von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest durch Beschluss vom 15. Oktober 2014 zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit mit Beschluss vom 29. Mai 2018 erlassen.
bb) Scheitert eine nach § 55 Abs. 1 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, so fordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich bei der Bemessung der neuen Strafe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 8. November 2018 - 4 StR 269/18, juris Rn. 19 mwN). Bezugspunkt für den zu gewährenden Härteausgleich ist die Gesamtstrafenbildung, wie sie ohne die eingetretene Erledigung der früheren Verurteilung vorzunehmen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 301/11, StV 2012, 596).
cc) Nach diesen Maßstäben war das Landgericht gehalten, zu Gunsten des Angeklagten zu prüfen, ob für den vollstreckten Teil der im Übrigen erlassenen Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. April 2014 ein Härteausgleich zu gewähren war. Denn ohne die eingetretene Erledigung wäre die Gesamtstrafe aus dem Erkenntnis des Amtsgerichts Rostock aufzulösen und unter Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen mit den beiden Einzelstrafen dieses Verfahrens eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen. Insofern könnte die nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung für den Angeklagten eine unbillige Härte darstellen.
3. Die von der Strafkammer zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 823
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner