HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 886
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 121/18, Beschluss v. 08.08.2018, HRRS 2018 Nr. 886
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts L. gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Februar 2018 - Az.: 1 ARs 1/18 - wird auf seine Kosten verworfen.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den gemäß § 138c Abs. 1 Satz 1, § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts, durch den er von der Mitwirkung als Verteidiger in dem Verfahren 2 KLs 950 Js 8347/14 (60/16) des Landgerichts Oldenburg ausgeschlossen wurde. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
1. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg legt dem Angeklagten N. mit Anklageschrift vom 24. Mai 2016 Steuerhinterziehung in 27 Fällen mit einem Steuerschaden von insgesamt 1.190.633,30 Euro zur Last. Der Vorwurf gründet sich auf die Annahme, der Angeklagte habe Rechnungen der Firma H. des Zeugen G. über angebliche Lieferungen von Paletten verwendet, um deren Bezahlung als Betriebsausgaben steuerlich geltend zu machen, obwohl tatsächlich keine Warenlieferungen erfolgt seien. Die fehlerhafte Angabe solcher Betriebsausgaben habe Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuer-Erklärungen für die Jahre 2005 bis 2011 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Zeit von Januar 2012 bis November 2013 betroffen. Der hinreichende Tatverdacht ist u.a. darauf gestützt, dass bei Betriebsprüfungen der Firma H. keine Hinweise auf dortigen Handel mit Paletten vorlagen.
2. Das Landgericht begann die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten N. am 15. Mai 2017. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Buchführungsunterlagen betreffend die Firma H. Solche Unterlagen waren bei Durchsuchungen der Räume des Angeklagten im Vorverfahren nicht gefunden worden. Danach hatte der Beschwerdeführer der Steuerfahndung telefonisch mitgeteilt, dass keine Unterlagen, sollten sie vorhanden sein, herausgegeben würden. Mit einer Schutzschrift reichte der Beschwerdeführer unter dem 9. Juli 2015 Kopien eines Teils der Rechnungen der Firma H. und Lieferscheine zu den Akten. In der Hauptverhandlung am 12. Juni 2017 legte er dem Gericht weitere Kopien vor und erklärte, der Angeklagte habe sich an extern gelagerte Buchführungsunterlagen erinnert. Es sei beabsichtigt, sämtliche Rechnungen aus den Jahren 2004 bis 2010 vorzulegen. Im Verhandlungstermin am 13. Juni 2017 übergab der Beschwerdeführer dem Gericht einen Stehordner mit Originalen von Lieferscheinen und Kopien von Rechnungen. Am 15. Juni 2017 legte er zwei weitere Rechnungskopien vor. Jedoch blieb die Vorlage restlicher Unterlagen aus. Durch Beschluss vom 19. Juni 2017 ordnete das Landgericht die Beschlagnahme der bei dem Angeklagten selbst sowie dem Beschwerdeführer gelagerten Buchführungsunterlagen an und setzte die Hauptverhandlung aus.
Durch Telefax vom 20. Juni 2017 teilte der Beschwerdeführer der Ermittlungsbehörde mit, die gesuchten Unterlagen befänden sich in einer vom Angeklagten genutzten Garage. Das dort vorhandene Material wurde an Beamte der Steuerfahndung herausgegeben, die Auswertung ergab jedoch, dass sich dabei keine Buchführungsunterlagen für das Geschäftsjahr 2011 befanden und keine die Firma H. betreffenden Lieferscheine, obwohl Register in Stehordnern darauf hinwiesen. Deshalb suchten die Ermittlungsbeamten am 25. September 2017 die Kanzlei des Beschwerdeführers auf. Dieser erklärte, dass er im Besitz verschiedener Ordner mit Buchführungsunterlagen sei, die sich in seinem Wohnhaus befänden. Später korrigierte er diese Bemerkung dahin, dass es sich nur um eine Tüte mit Lieferscheinen handele. Im Übrigen sei er nicht im Besitz von Buchführungsunterlagen der genannten Art. Die Beamten suchten mit dem Beschwerdeführer dessen Wohnhaus auf, wo er die Tüte herausgab, die Stehordner enthielt, in denen sich aber keine Unterlagen zur Firma H. befanden. Eine Sichtung von Umzugskartons mit der Aufschrift N. ergab, dass sich dort unter Verteidigungsunterlagen auch Originalrechnungen und Lieferscheine der Firma H. sowie Kontoauszüge und Einzahlungsbelege befanden. Diese wurden beschlagnahmt. Der Beschwerdeführer erklärte danach, dass er über keine weiteren Beweismittel verfüge. Diese Angabe war unzutreffend, denn tatsächlich hatte er zwei Stehordner mit Buchführungsunterlagen, darunter einen Ordner mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“, der Karteikarten über Buchungen, Lieferscheine und Rechnungen der Firma H. im Original enthielt.
Eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme wurde vom Oberlandesgericht durch Beschluss vom 1. Dezember 2017 (1 Ws 567/17) verworfen.
3. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Ausschließung des Beschwerdeführers als Verteidiger beantragt.
Nach Zustellung dieses Antrags an den Beschwerdeführer erschien dieser am 29. Dezember 2017 bei dem Vorsitzenden der Strafkammer, bat um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme und übergab eine Verteidigungsschrift für den Angeklagten N. Er erklärte, bei der weiteren Fallbearbeitung habe er zwei Ordner mit Originalurkunden gefunden. Er überreichte dem Vorsitzenden den Ordner mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“.
4. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 8. Januar 2018 die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Dieses hat am 20. Februar 2018 die Ausschließung des Beschwerdeführers als Verteidiger angeordnet und im Wesentlichen dazu ausgeführt, es bestehe der dringende Verdacht einer zumindest versuchten Strafvereitelung, weil der Beschwerdeführer am 25. September 2017 wahrheitswidrig behauptet habe, er verfüge über keine weiteren Beweisurkunden, wobei er aber Ordner mit Buchführungsunterlagen zurückgehalten habe. Dadurch habe er die Grenze zulässigen Verteidigungshandelns überschritten. Es sei auch von einem Strafvereitelungsvorsatz auszugehen. Dieser ergebe sich aus den Umständen des Geschehensablaufs. Der Beschwerdeführer habe um die besondere Beweisbedeutung der Buchführungsunterlagen gewusst. Sein falscher Hinweis an die Beamten, das gesuchte Material befinde sich in der Garage, habe auf Verfahrensverzögerung abgezielt. Unter den gegebenen Umständen sei es fernliegend, dass ihm das Vorhandensein der Buchführungsunterlagen in seinen Räumen aus dem Blick geraten sei. Erstmals in der mündlichen Verhandlung habe er behauptet, der Stehordner mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“ sei versehentlich unter ein Sideboard geraten und erst nachträglich von ihm entdeckt worden. Das sei unglaubhaft.
5. Mit der sofortigen Beschwerde beanstandet der Beschwerdeführer vor allem die Annahme vorsätzlichen Handelns. Das Oberlandesgericht habe seine Überraschung durch das Erscheinen der Beamten, seine damalige Überforderung und die Unübersichtlichkeit der Materialmenge verkannt. Die Unterlagen habe er abwechselnd in der Kanzlei oder in seinem Arbeitszimmer im Wohnhaus ausgewertet, weshalb sie zwischen beiden Orten hin und her transportiert worden seien; dabei sei Unordnung entstanden. Die gesuchten Rechnungen habe er erst zuletzt entdeckt. Dies sei ohne Einfluss auf das Strafverfahren. In der ersten Hauptverhandlung seien bereits alle Zeugen vernommen gewesen und das Gericht habe einen Freispruch in Aussicht gestellt. Am 25. September 2017 habe ausreichend Zeit bestanden, „den relativ bescheidenen Umfang der Unterlagen problemlos ergänzend auszuwerten.“
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die formellen Voraussetzungen für die Ausschließung des Beschwerdeführers als Verteidiger liegen vor. Es besteht auch der dringende Verdacht einer Strafvereitelung durch den Beschwerdeführer, weshalb er zu Recht gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO von der Mitwirkung an dem Strafverfahren gegen den Angeklagten N. als Verteidiger ausgeschlossen ist.
1. Strafvereitelung begeht, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird. Zur Vollendung der Tat genügt es, wenn die Ahndung des begünstigten Täters wegen der Handlung des Täters der Strafvereitelung für geraume Zeit unterbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1983 - 4 StR 378/83, NJW 1984, 135; Senat, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - 2 StR 455/94, BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1). Dies entspricht sowohl dem Wortlaut des § 258 Abs. 1 StGB („… zum Teil vereitelt …“) als auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 7/550, S. 249). Eine Strafvereitelung in diesem Sinn kann auch durch Vereitelung des staatlichen Beschlagnahmezugriffs auf Beweisgegenstände durch einen Strafverteidiger begangen werden. So gehen etwa wahrheitswidriges Bestreiten des Besitzes gesuchter Beweisurkunden und ein falscher Hinweis auf einen anderweitigen Belegenheitsort zur Vereitelung eines bevorstehenden Beschlagnahmezugriffs über die Grenzen zulässiger Strafverteidigung hinaus. Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung, wenn dadurch der Abschluss des staatlichen Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert wird und der Strafverteidiger absichtlich oder wissentlich handelt. Hierzu gilt:
a) Der Strafverteidiger darf, sofern der Besitzverschaffung oder dem Besitz jedenfalls kein Verbotstatbestand entgegensteht, allgemein Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in Besitz nehmen, um sie für Verteidigungszwecke auszuwerten. Soweit sie ihm von einem anderen zur Auswertung für Verteidigungszwecke überlassen wurden, hat er sie nach Erledigung dieser Aufgabe unverzüglich zurückzugeben. Unaufgefordert muss er sie nicht den Ermittlungsbehörden oder dem Strafgericht ausliefern (vgl. Müller/Leitner in Widmaier/Müller/Schlothauer [Hrsg.], Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, § 39 Rn. 55).
Anders liegt es, wenn durch die Ermittlungsbehörde oder das Strafgericht die Herausgabe solcher Beweismittel, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, verlangt (§ 95 Abs. 1 StPO) oder deren Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO) angestrebt wird. In diesem Fall darf der Verteidiger solche Beweismittel, die nicht spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht. In Bezug auf solche Beweismittel, namentlich „verfängliche Geschäftsunterlagen“ (Dann, NJW 2015, 2609, 2612), besteht kein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. G. Schäfer in Festschrift für Hanack, 1999, S. 77, 97).
§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO betrifft, wie sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO ergibt, nur Gegenstände, die im Vertrauensverhältnis zwischen dem Berufsgeheimnisträger und dem Mandanten entstanden sind, oder die spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, auf das sich das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten erstreckt. Er erfasst nicht solche Beweisurkunden, die keine Kommunikationsinhalte aus dem Mandatsverhältnis verkörpern und keine originären Verteidigungsunterlagen, sondern unabhängig davon entstandene Beweismittel sind. Auch nach dem Regel- und Ausnahmeverhältnis zwischen der grundsätzlichen Verwertbarkeit von Sachbeweisen zur Wahrheitserforschung im Strafverfahren und dem Beschlagnahmeschutz ist, unbeschadet des weiten Wortlauts der Norm, keine Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dahin geboten, dass er sich auf Beweismittel erstreckt, welche als „Überführungsstücke“ in Frage kommen. Auch § 160a StPO ist insoweit nicht anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 2 BvR 1405/17, 1780/17, NJW 2018, 2385, 2387 ff. mwN).
Der Verteidiger darf „Überführungsstücke“, auf die ein staatlicher Beschlagnahmezugriff zielt, nicht in seinen Räumen verstecken (vgl. Müller/Leitner aaO Rn. 56). Sein Mandat soll nicht dazu genutzt werden können, gesuchten Beweisgegenständen „Asyl“ zu gewähren (vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2018, Rn. 2361; SSW/Eschelbach, StPO, 3. Aufl. 2018, § 97 Rn. 34; LR/Menges, StPO, 26. Aufl. 2014, § 97 Rn. 93; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 97 Rn. 39; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. 2017, § 33 Rn. 20; aA SK-StPO/Wohlers/Greco, 5. Aufl. 2016, § 97 Rn. 92 f.). Erst recht gestattet keine der Regelungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gemäß §§ 53, 97, 160a, 148 StPO es dem Strafverteidiger, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweisgegenständen zu machen.
b) Die Pflicht zum Unterlassen der Vereitelung eines Beschlagnahmezugriffs gilt auch dann, wenn Beweisgegenstände dem Verteidiger zur Auswertung übergeben wurden und dieser noch keine Kenntnis vom Inhalt genommen hat (vgl. LR/Menges aaO); denn die Verwertung durch die staatlichen Strafverfolgungsorgane besitzt Vorrang, während sich die Verteidigung im Fall der Beschlagnahme mit Kopien von Beweisurkunden oder mit der Besichtigung der Beweisgegenstände begnügen muss (vgl. G. Schäfer aaO). Es kann nicht im Belieben des Verteidigers stehen, ob und wann er die Beweisgegenstände den Strafverfolgungsorganen, die danach suchen, herausgibt.
2. Danach liegt bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage mit hoher Wahrscheinlichkeit ein derartiger Fall der Strafvereitelung vor.
a) Die Rechnungsurkunden und Lieferscheine, auf die sich die Suche der Ermittlungsbeamten im Auftrag des Gerichts bezog, sind Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO). Sie sind offensichtlich von Beweisbedeutung für die nach § 244 Abs. 2 StPO gebotene Prüfung, ob der Angeklagte N. sie im Zusammenhang mit bloßen Scheingeschäften zur Steuerhinterziehung verwendet hat; denn sie beziehen sich auf angebliche Lieferungen von Paletten an den Mandanten des Beschwerdeführers, für deren Ausführung bei der Firma H. nach den Ermittlungen der Steuerfahndungsbehörde keine Hinweise zu finden waren.
b) Eine Vereitelung des staatlichen Zugriffs auf diese Beweisgegenstände lag zunächst darin, dass der Beschwerdeführer der Ermittlungsbehörde nach Erlass des Beschlagnahmebeschlusses des Landgerichts vom 19. Juni 2017 am 20. Juni 2017 wahrheitswidrig mitteilte, die gesuchten Unterlagen befänden sich in der von seinem Mandanten genutzten Garage. Tatsächlich befanden sich wesentliche Beweisstücke in seinen Räumen. Diese Tatsache kann daraus gefolgert werden, dass der Beschwerdeführer schon zuvor einzelne der fraglichen Unterlagen, zumindest zum Teil nur in Kopie, in der Hauptverhandlung dem Gericht vorgelegt hatte.
Eine weitere Vereitelungshandlung lag darin, dass der Beschwerdeführer bei der Sichtung des in seinen Räumen befindlichen Materials durch die Ermittlungsbeamten nach Auffinden einzelner der gesuchten Urkunden erklärte, dass er über keine weiteren Beweismittel dieser Art verfüge, obwohl er jedenfalls noch den Ordner mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“ besaß, der wichtige Beweisurkunden der gesuchten Art enthielt.
c) Dadurch, dass der Beschwerdeführer den genannten Ordner erst am 29. Dezember 2017 - nach Zustellung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht - dem Vorsitzenden der Strafkammer übergeben hat, hat er die Auswertung dieser Unterlagen durch die Ermittlungsbehörde und das Gericht gegenüber einer möglichen Herausgabe unmittelbar nach Erlass des Beschlagnahmebeschlusse für rund ein halbes Jahr, gegenüber einer Zulassung der Beschlagnahme am 25. September 2017 um rund drei Monate verzögert. In beiden Konstellationen hat er objektiv eine Verzögerung des Abschlusses des Strafverfahrens für geraume Zeit verursacht.
d) Es ist auch von dem dringenden Verdacht eines absichtlichen oder wissentlichen Handelns des Beschwerdeführers auszugehen. Seine angespannte Lage am 25. September 2017 entkräftet diesen Verdacht nicht.
Der Zusammenhang zwischen der Vorlage eines Teils der Beweisurkunden durch den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung am 12., 13. und 15. Juni 2017, der Beschlagnahmeanordnung der Strafkammer vom 19. Juni 2017, den Maßnahmen zur Vollstreckung dieser Anordnung am 20. Juni 2017 und den Reaktionen des Beschwerdeführers legt dessen Wissen um seinen eigenen Besitz an den Beweisurkunden dringend nahe. Er hatte einen Teil des gesuchten Materials bereits ausgewertet und wollte dies später fortsetzen. Dazu hatte er die Urkunden zur Verfügung und er hat sie nach seiner Darstellung zwischen der Kanzlei und seiner Wohnung hin und her transportiert. Dem Stehordner mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“ hatte er bereits einzelne Belege entnommen, die er in der Hauptverhandlung dem Gericht, zum Teil nur als Kopie, präsentiert hat. Die auch gegen ihn selbst gerichtete Beschlagnahmeanordnung hatte ihm verdeutlicht, dass das Landgericht davon ausging, er sei im Besitz gesuchter Unterlagen. Um welche Urkunden es ging, konnte nicht zweifelhaft sein. Das wurde von den Beamten, welche die Beschlagnahmeanordnung vollziehen sollten, nochmals erläutert, bevor der Beschwerdeführer den Besitz weiterer Unterlagen über die sichergestellten Einzelstücke hinaus wahrheitswidrig in Abrede stellte. Die Herausgabe des Stehordners mit der Aufschrift „Rech. H. 2004-2010“ an den Vorsitzenden der Strafkammer erfolgte erst nach Zustellung des staatsanwaltschaftlichen Antrags auf Vorlage der Sache zum Verteidigerausschluss an den Beschwerdeführer. Sie beruhte damit ersichtlich auf dem durch die Antragsmitteilung entstandenen Handlungsdruck. Diese Umstände begründen in der Gesamtschau den dringenden Verdacht, dass es dem Beschwerdeführer bei seinen falschen Mitteilungen am 20. Juni und 25. September 2017 darum ging, der Ermittlungsbehörde und dem Gericht die Unterlagen jedenfalls bis zum Abschluss der eigenen Auswertung vorzuenthalten; dazu war er jedoch nicht berechtigt.
Nach Lage der Dinge insbesondere mit Blick auf die zur Beschlagnahme und Auswertung der Unterlagen erfolgten Aussetzung der Hauptverhandlung, konnte es für den Beschwerdeführer schließlich nicht zweifelhaft sein, dass durch die Vereitelung der Urkundenbeschlagnahme der Abschluss des Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert würde.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 886
Externe Fundstellen: BGHSt 63, 174; NJW 2018, 3261; NStZ 2019, 100 ; StV 2019, 164
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner