HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 24
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 98/18, Beschluss v. 11.09.2018, HRRS 2019 Nr. 24
1. Auf die Revisionen der Angeklagten A. und F. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2017 mit den Feststellungen aufgehoben, auch soweit der Mitangeklagte K. wegen Beihilfe zur Untreue in 33 Fällen verurteilt worden ist, sowie in dem diesen betreffenden Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Untreue in 32 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten F. wegen Untreue in sechs Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie den Mitangeklagten K. wegen Beihilfe zur Untreue in 33 Fällen und wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten F. und A. haben mit der Sachrüge Erfolg; die Entscheidung ist auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten F. und A. die ersten Mitarbeiter einer im Jahre 2002 neu in F. eröffneten Zweigniederlassung der V. (im Folgenden: V.). F. war als stellvertretender Zweigstellenleiter ausgewiesen und bis Ende des Jahres 2014 für die Abteilung Rechnungswesen/Steuern verantwortlich. Ab 1. Januar 2015 übte er nur noch projektbezogene Tätigkeiten aus. A. hatte zuletzt die Position des Geldwäschebeauftragten inne und war zudem Systemadministrator der Zweigniederlassungen in K. und F. Im Kundengeschäft war er auch als Kundenbetreuer eingesetzt.
Der Mitangeklagte K. war Geschäftsführer der A. (im Folgenden: A.), die selbst Reisen verkaufte, vor allem aber, im Besitz einer so genannten I. -Linzenz, als Flugticketgroßhändlerin ihr Geld verdiente. Er eröffnete für diese am 1. November 2010 bei der V. in F. ein Geschäftskonto, über das ab dem Jahre 2012 sämtliche Zahlungen der A. abgewickelt wurden. Ihr wichtigster Vertragspartner war die I., die monatlich Abbuchungsaufträge, typischerweise im sechsstelligen Bereich, bei der V. zu Lasten der A. einreichte und die im Falle einer Rückgabe von eingereichten Lastschriften und dadurch bedingter Zahlungsrückstände mit dem kurzfristigen Entzug der Lizenz zur Vermittlung von I. -Flügen drohte. Vor diesem Hintergrund war es aus Sicht der A. von existenzieller Bedeutung, dass die im Wege des SEPA-Firmenlastschriftverfahrens eingereichten Abbuchungsaufträge auch dann ausgeführt wurden, wenn bei ihr eine Liquiditätslücke bestand. Darauf machte der Mitangeklagte K. den Angeklagten A. zu dem Zeitpunkt aufmerksam, als die I. -Zahlungen sämtlich über das bei der V. geführte Konto beglichen wurden. Der Angeklagte A. sagte die Ausführung der Abbuchungsaufträge unabhängig von einem Kontoguthaben bzw. einem etwaigen Kontokorrentrahmen zu. Zu einer solchen Zusage und insbesondere der jeweiligen Ausführung der Aufträge waren weder der Angeklagte A. noch ein anderer Mitarbeiter der Zweigniederlassung berechtigt, was ihm - wie auch dem Angeklagten K. - bewusst war. Denn die getroffene Absprache stellte sich der Sache nach als eine Kreditgewährung (ohne Sicherheit und unter Umgehung der bankinternen Vorgaben) dar, über die der Vorstand der Zentrale in W. zu entscheiden gehabt hätte.
In Vollzug dieser Zusage kam es zwischen Oktober 2012 bis Oktober 2015 zu 33 Abbuchungen durch die I. und später auch im Zusammenhang mit dem Kauf von Sitzplatzkontingenten durch S., bei denen entsprechende Guthaben auf dem Konto der A. nicht vorhanden waren und auch ein ausreichender Kontokorrentkredit nicht bestand. Unter manipulativer Ausnutzung des bei der V. vorhandenen Computersystems gelang es dem Angeklagten A., eingehende Lastschriften trotz fehlender Deckung nicht zurückgeben zu müssen. Dies führte dazu, dass die Bezahlung in diesen Fällen in einer Gesamthöhe von ca. 8 Millionen Euro aus dem Vermögen der Bank erfolgte, was der Angeklagte A. regelmäßig durch verschiedene Umbuchungen auf diverse bankinterne Verrechnungskonten verschleierte.
Nachdem zwischenzeitlich ein offener Betrag von etwa vier Millionen Euro aufgelaufen war und S. Abbuchungsaufträge innerhalb kürzester Zeit im Gesamtvolumen von 1,5 bis 2 Millionen Euro eingereicht hatte, teilte der Angeklagte A. dem Angeklagten F. bei einem Gespräch im August 2014 mit, dass er nunmehr künftig weitere Lastschriften der I. und von S. zurückreichen wolle. Der Angeklagte F., der als stellvertretender Niederlassungsleiter und als Verantwortlicher für das Rechnungswesen dieses regelwidrige Vorgehen hätte beenden müssen, wendete ein, dass die A. dann zahlungsunfähig werden würde und eine Rückzahlung der Außenstände für die Bank ausgeschlossen wäre. Als „Kompromiss“ einigten sich beide Angeklagte darauf, dass hinsichtlich der Abbuchungsaufträge der I. weiter wie bisher verfahren werden solle, während Aufträge von S. zurückgereicht werden sollten.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Untreue in 32 Fällen verurteilt und ihn in einigen Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten F. hat es ebenfalls wegen Untreue in sechs Fällen, beginnend ab dem mit dem Angeklagten A. geführten Gespräch im August 2014 bis zur Beendigung seiner Tätigkeit als stellvertretender Niederlassungsleiter zum 31. Dezember 2014, verurteilt und auch ihn teilweise freigesprochen. Schließlich hat die Strafkammer den Angeklagten K. wegen Beihilfe zur Untreue in den festgestellten 33 Einzelfällen und zudem wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss in zwei Fällen verurteilt.
1. Die Verurteilung der Angeklagten A. und F. wegen Untreue in 32 bzw. sechs Fällen begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, ohne dass es damit auf die Erfolgsaussichten der erhobenen Verfahrensbeanstandungen ankommt. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht eine Billigung ihres Vorgehens seitens des Vorstands der Zentrale in W., also des für eine Kreditbewilligung zuständigen Organs, ausgeschlossen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senat, Urteil vom 7. Februar 2018 - 2 StR 447/17). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 261 Rn. 3 und 38).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtsfehlerhaft, denn sie lässt bei der Prüfung, ob das Vorgehen der Angeklagten A. und F. vom Einverständnis der Zentrale der Bank in W. getragen war, wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht, und ist deshalb lückenhaft.
Das Landgericht hätte sich bei seiner Feststellung, ein solches Einverständnis des für Kreditbewilligungen bei der V. zuständigen Organs habe es nicht gegeben, mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass es seit Jahren gängige Geschäftspraxis in den Niederlassungen der V. in F. wie auch in K. war, Lastschriften nicht zurückzugeben, auch wenn ein entsprechendes Guthaben nicht vorhanden und der Kontokorrentrahmen ausgeschöpft war (vgl. UA S. 14). Es versteht sich angesichts des Umstands, dass die Niederlassung in F. im Aufbau begriffen war und nach lukrativen Kunden mit hohen Umsätzen Ausschau hielt, nicht von selbst, dass dieses „Geschäftsmodell“ allein auf Niederlassungsebene (in F.) begründet worden ist, ohne dass es eine Rückversicherung durch die Zentrale gegeben hat. Dies gilt umso mehr, als das bewusste Unterlassen der Rückgabe von Abbuchungsaufträgen, auch in der Filiale in K. bei verschiedenen anderen Kunden gängige Praxis und nicht auf die A. beschränkt war.
In den Blick zu nehmen wäre auch gewesen, dass sich durch das Geschäftsgebaren des Angeklagten zum Jahresabschluss 2014 eine Differenz auf den Verrechnungskonten der Zweigniederlassung F. in Höhe von 5,5 Millionen Euro ergeben hatte, die ausgeglichen werden musste und auf Anforderung des Angeklagten A. durch die Zentrale auch ausgeglichen wurde. Der dabei lapidar erfolgte Hinweis des Angeklagten A. auf ein „Lastschriftlimit der Filiale“ führte weder zu weiteren Rückfragen der externen Prüfer noch der Zentrale in W. Dieses Geschehen hätte - zumal das Landgericht ein solches Verhalten (des Vorstands und der externen Prüfer) selbst als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet hat (UA S. 29) - Anlass für eine Erörterung sein müssen, ob daraus nicht Rückschlüsse auf die Kenntnis und Billigung des Vorgehens der Niederlassungen durch die „Zentrale“ und damit auf eine faktische Kreditgewährung durch den Vorstand im Rahmen der ihm obliegenden Kompetenz zur Bewilligung von Krediten gezogen werden können.
Schließlich hätte die Strafkammer auch dem Umstand Beachtung schenken müssen, dass der Zeuge Sa. als für Kreditgewährungen zuständiges Vorstandsmitglied, der sich nach der Aufdeckung der Vorgänge unmittelbar um die Aufklärung des Sachverhalts in F. bemüht hatte, Hinweisen des Angeklagten A., er sei von dem früheren Filialleiter in F., Sar., unter Druck gesetzt worden, ihn in dieser Angelegenheit nicht zu belasten, nicht nachgegangen ist. Dass er darauf verzichtet hat, Angaben eines (ehemaligen) Filialleiters zum Umgang mit an sich zurückzureichenden Lastschriften und zur Verantwortlichkeit für dieses Vorgehen einzuholen, lässt sich nicht ohne Weiteres mit den sonstigen umfassenden Aufklärungsbemühungen des Zeugen Sa., der nach den Geschehnissen im Übrigen bankintern zum Filialleiter „degradiert“ wurde, in Einklang bringen und hätte bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit seiner Angabe, von diesem Umgang mit Lastschriften in der Bank keine Kenntnis gehabt zu haben, Eingang finden müssen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung aller wesentlichen Umstände zu einer abweichenden Betrachtung gelangt und von einer Billigung des Vorgehens des Angeklagten und damit von einer faktischen Kreditgewährung des dafür zuständigen Vorstands in W. ausgegangen wäre. Dies ließe mangels Missbrauch einer dem Angeklagten eingeräumten Befugnis den Vorwurf der Untreue entfallen.
2. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Angeklagten A. und F. wegen Untreue verurteilt worden sind. Die Entscheidung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken, soweit dieser wegen Beihilfe zu den Untreuetaten der Angeklagten A. und F. verurteilt worden ist. Dies bedingt die Aufhebung des ihn betreffenden Gesamtstrafenausspruchs.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat - sollte das Landgericht wieder zu einer Strafbarkeit wegen Untreue gelangen - darauf hin, dass hinsichtlich an einem Tag eingereichter Abbuchungsaufträge die Annahme von Tateinheit zu prüfen sein wird. Betreffend den Angeklagten F., der es nach den bisherigen Feststellungen im August 2014 unterlassen hat, das Geschäftsgebaren des Angeklagten des A. bzw. seines Urlaubsvertreters zu verhindern, wird zu erörtern sein, ob ein möglicher strafrechtlicher Vorwurf an ein Tun oder ein Unterlassen anknüpft und ob insoweit lediglich die Annahme einer einzigen strafrechtlich relevanten Handlung bzw. Unterlassung in Betracht kommt.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 24
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner