HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1012
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 550/18, Beschluss v. 12.03.2019, HRRS 2019 Nr. 1012
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 26. März 2018
a) mit den Feststellungen aufgehoben, aa) soweit er im Fall II.1. der Urteilsgründe verurteilt wurde, bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe, cc) im Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz für Taterträge, soweit ein Betrag von mehr als 40 Euro eingezogen wurde,
b) im Schuldspruch zu Fall II.2. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten M. wird verworfen. II. 1. Auf die Revision des Angeklagten Ma. wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten Ma. wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und räuberischer Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Jena vom 5. Februar 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen den Angeklagten M. die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.540 Euro angeordnet. Den Angeklagten Ma. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge, diejenige des Angeklagten M. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. a) Am 25. Februar 2014 fuhr der Angeklagte M. mit seinem Fahrzeug zu dem gesondert verfolgten H., um sich in dessen Wohnung mit dem Zeugen S. zu treffen, der Crystal kaufen wollte. Wegen Verspätung des Zeugen S. wurde der Treffpunkt zu einem Autohaus in J. verlegt. M. fuhr mit H. dorthin, wo der Zeuge S. gegen 20.00 Uhr „durch Vermittlung des gesondert verfolgten H. vom Angeklagten M. mindestens 49,85 g netto Crystal/Methamphetaminhydrochlorid mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 37,9 g Methamphetaminbase“ zu einem nicht genau feststellbaren Kaufpreis zwischen 1.500 und 2.000 Euro erwarb.
b) Am 30. August 2014 fuhren der Angeklagte M. und der gesondert verfolgte He. zu dem Angeklagten Ma. Sie wollten diesen mitnehmen, um gemeinsam bei dem Zeugen B. Schulden gegenüber He. in Höhe von 300 Euro einzutreiben und eine Sporttasche heraus zu verlangen. Ma. sollte zur Verstärkung dienen, weil es für B. „eindrucksvoller sei, wenn dieser drei Personen gegenüberstehe“. Nachdem sie den Angeklagten Ma. abgeholt hatten, begaben sie sich zur Praxis des Arztes Dr. Hä. in J., bei dem B. sich seine Wochenration des Drogensubstitutionsmittels Subutex abzuholen pflegte. Vor der Arztpraxis verließ He. das Fahrzeug und entfernte sich, während M. den Zeugen B., der ihn nicht kannte, abpasste und zum Mitkommen aufforderte. Als B. an dem Fahrzeug des Angeklagten M. vorbeigehen wollte, erklärte dieser: „steig ein, sonst breche ich dir die Rippen“. M. setzte sich neben B. auf den Rücksitz des Fahrzeugs, während Ma. auf dem Beifahrersitz saß. Der Angeklagte M. sprach B. auf dessen Schulden bei He. an, worauf dieser erklärte, er verfüge nur über 150 Euro pro Monat. M. erwiderte, dass er „Leuten, die den He. `verarschten, in den Mund kacke´“. Er forderte mehrfach die Zahlung von Geld und einen entsprechenden Lösungsvorschlag und wies darauf hin, er habe in „drei Tagen zwei Rippen gebrochen“ und „Finger“. Er könne B. von jemandem berichten, „der auch nichts gewusst habe und gleich 3.000,00 Euro gefunden habe.“ Dann erhöhte M. die Forderung auf 500 Euro. Außerdem verlangte er die Herausgabe der Subutex-Tabletten, die B. zuvor abgeholt hatte. Aus Angst legte B. die 12 Tabletten zwischen sich und dem Angeklagten M. auf die Rückbank des Fahrzeugs. Ma. schaltete sich mit der Frage ein, warum B. nicht mit He. verabrede, dass er monatlich 50 Euro an diesen zahle. M. forderte, dass B. auch künftig seine Subutex-Tabletten an He. abliefere, wobei er für den Fall, dass B. sich verstecken sollte, androhte: „ich find dich trotzdem, ich rufe Jungs und die finden dich.“ Darauf versprach B., künftige weitere Subutex-Tabletten abzuliefern. Dann stieg He. in das Fahrzeug ein, setzte sich auf den Fahrersitz und erhielt von M. die von B. herausgegebenen Subutex-Tabletten. He. beschimpfte B., wonach beide aus dem Fahrzeug ausstiegen. Vor dem Fahrzeug bettelte B. um Rückgabe des Subutex, weil er dieses dringend benötige. Gegen Zahlung von 50 Euro durch B. gab He. zwei Tabletten zurück und stieg danach wieder in das Fahrzeug ein, mit dem die Tatbeteiligten davonfuhren. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die von B. abgepressten Subutex-Tabletten „für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen“ gewesen seien. Es hat auf die Behauptung des Zeugen B. verwiesen, dass die Tabletten auf dem Schwarzmarkt 4 Euro pro Stück kosten.
2. Das Landgericht hat die Tat vom 25. Februar 2014 als unerlaubtes Handeltreiben des Angeklagten M. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet. Bei der Tat vom 30. August 2014 habe dieser eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln begangen und der Angeklagte Ma. habe dazu Beihilfe geleistet.
1. Die Revision des Angeklagten M. ist teilweise begründet. Zwar sind seine Verfahrensrügen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 12. Dezember 2018 genannten Gründen unzulässig. Jedoch führt die Sachrüge zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. und zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe.
a) Für die Annahme eines täterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens des Angeklagten M. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II.1. der Urteilsgründe dadurch, dass der Zeuge S. das Crystal „durch Vermittlung des gesondert verfolgten H. vom Angeklagten M.“ erworben habe, fehlt eine tragfähige Beweisgrundlage.
aa) Der Angeklagte M. hat sich nicht zur Sache geäußert und der Zeuge S. hat behauptet, die bei ihm später sichergestellten Betäubungsmittel habe er im weiteren Verlauf des Abends von einem Dritten erworben. Die Feststellungen zum äußeren Ablauf des Treffens bei dem Autohaus und zu der Tatsache, dass dabei der Zeuge S. den Kaufpreis in nicht genau bekannter Höhe gezahlt hat und ihm die Drogen übergeben wurden, hat das Landgericht - insofern ohne Rechtsfehler - den Erkenntnissen bei der polizeilichen Observation des Treffens und den Äußerungen bei überwachten Telefongesprächen entnommen. Daraus haben sich andererseits keine konkreten Hinweise darauf ergeben, wer als Verkäufer der Betäubungsmittel gehandelt und letztlich den Kaufpreis vereinnahmt hat. Dementsprechend hat das Landgericht keine Feststellungen zu weiteren Einzelheiten des Umsatzgeschäfts und der genauen Art der Beteiligung des Angeklagten M. daran treffen können.
bb) Steht bisher nur fest, dass der Angeklagte M. als Fahrzeugführer zusammen mit He. zum Treffpunkt gefahren und bei der Übergabe der Betäubungsmittel an den Zeugen S. anwesend gewesen ist, so ergibt sich daraus nur eine Hilfstätigkeit. Für eine Bewertung als Täterschaft beim Handeltreiben fehlen, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, namentlich Erkenntnisse zu einem Eigeninteresse des Angeklagten M. durch Beteiligung am Erlös aus dem Drogenverkauf oder Erkenntnisse zu weiteren gewichtigen Tatbeiträgen. Die Tatsache, dass der Angeklagte M. die Drogen im Fahrzeug zum Treffpunkt mitgenommen und den Kaufpreis von dem Zeugen S. entgegengenommen hat, genügen insoweit nicht für eine Verurteilung als Täter des Verbrechens gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter ergänzende Feststellungen zu treffen vermag, insbesondere sobald dem Zeugen He. kein Auskunftsverweigerungsrecht mehr zusteht oder dieser davon keinen Gebrauch macht. Daher kommt eine Änderung des Schuldspruchs in Beihilfe noch nicht in Betracht.
Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.1. der Urteilsgründe führt zum Wegfall der Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Außerdem entfällt die Grundlage für die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.500 Euro als (Mindest-) Kaufpreis der Betäubungsmittel.
b) Im Fall II.2. der Urteilsgründe begegnet nur die Annahme eines tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch den Angeklagten M. durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Feststellung, dass die dem Zeugen B. abgepressten Subutex-Tabletten zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen seien, entbehrt, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, einer im Urteil mitgeteilten Beweisgrundlage. Sie ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus dem festgestellten äußeren Geschehensablauf oder dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Ziel der räuberischen Erpressung war die Erlangung von Bargeld. Zwei Tabletten wurden dem Zeugen B. nach einer Teilzahlung von He. zurückgegeben. Danach hätte das Landgericht in Betracht ziehen müssen, dass dieser den Besitz an den Subutex-Tabletten nur als Pfand bis zur Begleichung der restlichen Forderung innehaben wollte und die Betäubungsmittel danach an den Zeugen B. zurückgegeben hätte. Die in einem überwachten Gespräch gefallene Antwort von He. „Hier machen wir durch drei“ auf die Frage des Angeklagten Ma. „und was bekomme ich?“ konnte sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, auf das erhoffte Bargeld bezogen haben. Andere Hinweise auf die geplante Verwendung der Subutex-Tabletten hat das Landgericht nicht festgestellt.
Danach ergeben die Urteilsfeststellungen nur ein unerlaubtes Sich-Verschaffen von Betäubungsmittel durch den Angeklagten M. Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
bb) Die Schuldspruchänderung im Fall II.2. der Urteilsgründe zwingt nicht zur Aufhebung der Einzelstrafe. Das Landgericht hat die tateinheitliche Begehung des Betäubungsmitteldelikts neben der räuberischen Erpressung nur insoweit zu Lasten des Angeklagten M. bewertet, als er einen weiteren Straftatbestand verwirklicht hat. Das unerlaubte Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln unterliegt zudem in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG demselben Strafrahmen wie die Tatmodalität des unerlaubten Handeltreibens. Danach ist auszuschließen, dass der Ausspruch über die Einzelstrafe auf dem Rechtsfehler beruht.
cc) Die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen in Höhe von 40 Euro ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte M. die Verfügungsgewalt über zwölf Subutex-Tabletten im Wert von 4 Euro pro Stück hatte, von denen zwei an den Zeugen B. zurückgegeben wurden.
2. Die Revision des Angeklagten Ma. führt entsprechend den Ausführungen zum Haupttäter M. zur Schuldspruchänderung dahin, dass er der Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Sich-Verschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist. Die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1012
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner